13. Januar 2015

Die Sache mit der Lügenpresse. Ein Gedankensplitter zu Freiheit, Presse und Lüge.

Wenn man jahrelang den Niedergang der deutschen Presselandschaft erleben musste, vom Abstieg der SZ unter Prantl seit den neunziger Jahren, dem Verlust jedweder Integrität beim Spiegel nach Augsteins Tod, dem Niedergang der Zeit, und in jüngerer Entwicklung die sich immer weiter verschlechternde Lage bei Welt und FAZ, dann kann man schon mal geneigt sein, den Pegida-Vorwurf der Lügenpresse erst einmal hinzunehmen. Die deutsche Presselandschaft war und ist schon seit mehreren Jahrzehnten stark einseitig ausgerichtet, aber an die Stelle wo früher die Ausrichtung in Kommentaren und Meinungen zu finden war, ist heute eine Einseitigkeit in der Darstellung von Fakten getreten. Bestimmte Nachrichten werden nahezu vollständig ignoriert, während andere Ereignisse bis ins teilweise absurde überbetont werden. Fakten werden ausgelassen, Behauptungen als Fakten ausgewiesen, Berichte derart tendenziös geschrieben, dass schon das Wort Propaganda ganz gut passen würde, alles im Dienste einer Erziehung, statt im Dienste Informationen zu übermitteln. Das gipfelt sogar in einem eigenen Kodex, der das Weglassen von Informationen vorschreibt, wenn dadurch die (etwas nebulöse) Gefahr bestünde, dass Vorurteile entstehen könnten. 


Und dennoch ist der Begriff Lügenpresse falsch. Und das gleich aus mehreren Gründen. Der erste Grund ist banal wie simpel: Der Begriff ist vorbelastet. Und nicht nur ein bisschen. Die Nationalsozialisten haben ihn nicht erfunden, aber doch fleißig für sich eingesetzt. Göbbels selber hat den Begriff des Öfteren verwendet, um gegen alles zu wettern, was eben nicht die Sicht der Nazis nachgeplappert hat. Der Begriff ist dann folgerichtig mit den Nazis erst einmal untergegangen (und erlebte eine kurze Renaissance in der DDR), entsprechend verbietet sich seine Verwendung.
Aber auch inhaltlich ist der Begriff Lügenpresse nicht korrekt, oder zumindest so ungenau, dass er nicht taugt. Denn gelogen wird vergleichsweise wenig. Wenn etwas mit bestimmten Vokabeln belegt wird, um dadurch eine positive oder negative Assoziation zu wecken, ist das keine Lüge. Wenn jemand eine Information weglässt, dann ist das keine Lüge, sondern eine Auslassung. Es ist eine Täuschung, gewiss, aber die feine Linie wann eine Täuschung zum Betrug wird ist selbst für Juristen oftmals nur sehr schwer zu definieren. Wenn jemand beispielsweise eine Sache „wie gesehen“ kauft, dann ist der Verkäufer nicht in jedem Fall verpflichtet den Kunden auf einen Mangel hinzuweisen. Er darf nicht lügen (das wäre dann ein Betrug), aber er muss auch nicht sein ganzes Wissen weitergeben. Freilich kann das natürlich dennoch eine Täuschung sein, aber nicht jede Täuschung ist eine Straftat.
Bei der Presse ist es nicht viel anders. Es wird extrem stark getäuscht, aber wenig direkt gelogen. Man erinnere sich an den berühmten Witz: „Das neue Deutschland berichtet: Russe und Amerikaner liefen um die Wette. Der Russe errang einen ehrenvollen zweiten Platz, der Amerikaner wurde Vorletzter.“ Keine Lüge, aber natürlich eine -im Witz um der Effekte willen leicht zu erkennende- Täuschung.
Der Fehler, den viele machen ist, zu glauben, dass die Presse sich dem Informationsideal verpflichtet fühlen würde. Das ist aber gerade nicht der Fall und das steht, außer in dem nutz- wie sinnlosen Pressekodex, nirgendwo. Kein TAZ, Spargel oder SZ Redakteur ist dem Ideal verpflichtet seine Leser möglichst umfassend zu informieren. Das ist auch nicht der Anspruch dieser Blätter, sie suggerieren das nur genauso unterschwellig, wie ein Gebrauchtwagenhändler suggerieren will, dass er natürlich seriös arbeitet. Sind alle Gebrauchtwagenhändler Betrüger? Nein, natürlich nicht. Aber man ist gut beraten das Wort eines Gebrauchtwagenhändlers nicht immer für bare Münze zu nehmen.
Die Idee, dass die Presse hehre Ideale vertrete, ist eine etwas absurde. Denn zum einen negiert sie, dass der Leser eine bestimmte Form von Information nachfragt (die nicht die Wahrheit ist), die ihn möglichst in seinen Meinungen bestätigt. Zum anderen spricht sie dem Journalisten eine bestimmte Pflicht zur Wahrheit zu, die für diesen gar nicht vorgesehen ist.
Man könnte etwas garstig sagen: Es gibt eine Riesennachfrage nach Propaganda. Und es gibt ein großes Angebot an Propaganda. Leute wollen sich in ihren Meinungen bestätigt sehen, Leute wollen das die Welt so ist, wie sie sie gerne haben möchten. Und andere wollen ihre Weltsicht verbreiten und bieten eben genau diese Meinungen auch an.
Muss man dann alles hinnehmen was einem vorgesetzt wird? Hat die Presse damit das Recht alles zu tun und zu schreiben, was sie so wollen?
In einem liberalen Rechtsstaat muss man wohl sagen, ja, das muss so sein. Pressefreiheit ist ein sehr hohes Gut und leitet sich recht direkt aus der freien Meinungsäußerung ab, die zu einem der wichtigsten Grundrechte gehört, und, laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, eins der vornehmsten überhaupt darstellt (eine sehr schöne Beschreibung). Das Recht zur freien Meinung impliziert klar auch die Möglichkeit die eigene Meinung so geschönt darzustellen wie man möchte. Wer der Presse einen „Wahrheitskodex“ oder „Neutralitätskodex“ vorschreiben möchte, kann das nur tun, wenn er gleichzeitig das Recht zur freien Meinungsäußerung aufhebt.

Und trotzdem…..
….. trotzdem möchte auch dieser Autor sagen dürfen was er vom größten Teil der Presse so hält: Nämlich sehr wenig. Weniger als von Gebrauchtwagenhändlern. Denn die Wirkung der Presse, zumindest der deutschen Presse, ist teilweise verheerend. Der Energieirrsinn geht auf die Presse zurück (Merkel tut genau das, was die Presse ihr vorbetet). Die Tatsache, dass wir in Deutschland nahezu keine Diskussion zu bestimmten Themen haben (Stichwort Einwanderung, Ausländerkriminalität, Asyl), geht auf die Presse zurück. Die Tatsache, dass wir von immer mehr Dummheit und Unwissen regiert werden, geht auf die Presse zurück. Misst man die Presse an der (auch ein wenig absurden) Idee, sie sei der Wächter der Demokratie, so versagt sie kläglich an dieser Aufgabe.
Dabei geht es gar nicht um die Presse an sich, sondern um große Teile davon, deren Artikel natürlich auch Wirkung haben. Man ist verantwortlich für das was man tut und damit auch für das, was man schreibt. Diese Verantwortung ist, nebenbei bemerkt, etwas mit dem Journalisten fast gar nicht umgehen können (Stichwort „Sebnitz“). Journalisten glauben, sie wären für nichts verantwortlich, denn sie hätten ja nur geschrieben. Handeln tun andere. Das stimmt. Aber davon ab, dass das ein lustiger Selbstwiderspruch zu der Idee mit der Feder und dem Schwert ist, so ist natürlich der Anstifter zu etwas nicht weniger verantwortlich als derjenige, der es ausführt. Um vielleicht ein etwas anderes Beispiel aufzugreifen: Als Rudi Dutschke niedergeschossen wurde, hatte das ja auch seine Ursachen, und eine dieser Ursachen waren die Schreiber von Springer. Wenn morgen jemand Pflastersteine auf die Pegida wirft, dann hat das auch seine Ursachen. Wenn der Aufruf von Helmut Heinen, der Pegida mit Terroristen gleichsetzt, dafür sorgt, dass ein paar autonome Vollspinner einen vermeintlichen Nazi zusammentreten, dann ist der Verantwortliche Helmut Heinen. Auch wenn er das für sich ablehnt.
Das Verfassungsgericht hat mal treffend bemerkt: Schweinerei ist nicht verboten. Und genau so ist es. Aber genauso wie sich die Printpresse das Recht herausnimmt über andere zu urteilen, genauso gönnt sich dieser Autor das Recht vom Pressemob und von Schmierfinken zu schreiben, die inzwischen die Mehrheit der deutschen Printpresse ausmachen. Verantwortungslose Schmierfinken die der Gesellschaft wie Einzelnen großen Schaden zufügen, ohne sich einen Schmutz darum zu scheren, so lange das eigene Weltbild bestätigt wird. Lügenpresse ist ein falscher Begriff. Aber ehrenvoll wird der Verein dadurch auch nicht. 

Bevor man es falsch versteht: Man darf schmieren. Es ist nicht verboten. Es ist kein Verrat. Es ist kein Verbrechen. Jeder darf das. Aber ebenso darf man das Kind auch beim Namen nennen. Und Propaganda ist da oftmals ein deutlich passenderer Begriff als Journalismus. 


Llarian


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