Wer in den
80er Jahren in Deutschland gelebt hat und sich die Mühe gemacht hat auch mal
eine Zeitung zu lesen oder die Glotze einzuschalten, der ist einem Begriff ganz
sicher nicht entkommen: Dem Waldsterben.
Dieses
geradezu mythische Phänomen hat zu Beginn der 80er Jahre die deutsche
Umweltbewegung zentral konstituiert, es hat den deutschen Zeitgeist nachhaltig
geprägt und ist in seiner Wirkung und Ausprägung so stark gewesen, dass er es
geschafft hat in andere Sprachen übernommen zu werden. So sprechen die
Franzosen von „le Waldsterben“ und selbst die Amerikaner benutzen diesen
Begriff, wenn sie bestimmte Baumschäden beschreiben wollen. Daher bietet es
sich an, nicht nur darüber zu reflektieren was das Waldsterben gewesen ist
(oder immer noch ist), sondern auch darüber wie man die damaligen Prognosen und
Aussagen heute bewerten kann.
Beginnen
wir in den 80er Jahren: In Deutschland, aber auch in einigen Gebieten im
Ausland, stellt man eine neue Art von Waldschäden fest, bei dem sich Kronen
zunehmend verlichten und im Extremfall ganze Baumbestände absterben. Solche
Dinge sind auch aus früheren Zeiten bekannt, jedoch ist die Intensität, die man
Ende der 70er, Anfang der 80er feststellt, erstmal ziemlich auffällig. Die noch
junge Umweltschutzbewegung greift das Thema auf: Das Waldsterben ist geboren.
Und wie. Es werden Vereine gegründet, Komitees gebildet, Experten befragt und
am Ende wird alles in einer bunten Melange über die Presse verbreitet: Die
Apokalypse steht quasi bevor. Der deutsche Wald ist nicht zu retten, er stirbt.
Ergriffene Schutzmaßnahmen sind viel zu wenige und nutzlos, der Spiegel
schreibt vom ökologischen Hiroshima oder gleich vom ökologischen Holocaust
(darunter macht es der Spiegel ja nicht). Das Ender der Menschheit steht bevor
(„Erst stirbt der Wald, dann der Mensch.“)
Die Ursache
ist ebenso schnell ausgemacht: Luftverschmutzung. Allen voran der saure Regen,
die Stickoxide durchs Autofahren, das Blei im Benzin und die nicht verbrannten
Kohlenwasserstoffe vor Verwendung der Katalysatoren. Unabhängig davon was genau
schuld ist, so ist eines aber klar: Die Katastrophe kommt, die Frage ist nur
wie schlimm sie sein wird oder eher noch wie schnell sie ablaufen wird.
Daraus
resultiert die interessante Frage, wie schlimm ist es tatsächlich geworden ?
Was hat gestimmt ? Was nicht ? Wer hatte Recht ? Und wie ist das heute ?
Zunächst
ist festzustellen, dass der sterbende Wald sich in seiner Disziplin (dem
Sterben) als ausgesprochen unfähig herausstellt. Er stirbt nicht so wie er
soll. War der Wald Anfang der 80er Jahre immer noch im Wachstum begriffen (das
durch sein Sterben natürlich eingedämmt werden sollte), so hat er einfach nicht
damit aufgehört und ist den letzten 30 Jahren (also seit er stirbt) um etwa 10% gewachsen. Natürlich kann das Ausweisen von Flächen alleine noch keinen Zustand
beschreiben, aber auch die Menge an Holz in diesen Flächen ist deutlich
gewachsen. Klappt nicht so recht. Auch der Zustand der Bäume hat sich im
Wesentlichen nicht verändert, was doppelt interessant ist: Denn weder ist es
dazu gekommen, dass die Katastrophe eingetreten ist, vor der uns alle von links
bis rechts gewarnt haben, nein, auch die so gelobten Maßnahmen wie die
Rauchgasentschwefelung, die Katalysatoren, das Bleiverbot haben nicht dazu
beigetragen, dass sich im Wesentlichen etwas verändert hat. Der Wald hat sowohl
seine Vernichtung durch den Menschen als auch seine Rettung durch die
Umweltpolitiker einfach ignoriert (vielleicht sollte man dem Wald mal
mitteilen, was man von ihm denkt). Guckt man sich die Quoten an geschädigten Bäumen
an, so entsprechen diese Quoten im Wesentlichen denen vor 30 Jahren. Der Wald
zuckt halt mit den Schultern.
Ebenso kann
man mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, dass die Hauptursache für die
Waldschäden nicht in der Luftverschmutzung zu suchen ist. Vermuten deshalb,
weil das so genau bis heute niemand weiß. Forstwissenschaftler gehen inzwischen
von einer komplexen Wechselwirkung verschiedenster Ursachen, von Luftzusammensetzung
über Trockenheit bis Schädlingsbefall aus.
Die einzelnen Ursachen wie beispielsweise saurer Regen oder Kohlenwasserstoffe
oder Blei halten einer Überprüfung als Hauptursache nicht stand, denn nichts
davon kann die gleichbleibenden Schäden am Wald erklären (sauren Regen gibt es
seit mehr als 25 Jahren nicht mehr, freie Alkane in großen Mengen auch nicht und Blei ist
allenfalls noch lokal im Boden enthalten).
Nun muss
man zur Ehrenrettung der Umweltschützer (so dort eine solche ist) zwei Dinge
einwerfen: Zum einen war die Luftqualität in den 80er Jahren (und davor)
wirklich nicht die beste. Die Ursache anzunehmen war nicht unbedingt
fernliegend. Auch waren die plötzlich auftretenden Schäden tatsächlich da und
ihr Anstieg war eine Zeit lang recht alarmierend.
Und dennoch
bleibt zu sagen, dass nahezu nichts, was die Umweltbewegung in diesem
Zusammenhang ausgeführt und angekündigt hat, gestimmt hat. Der Wald ist nicht
gestorben, er ist gewachsen. Die Luftverschmutzung war mit aller
Wahrscheinlichkeit nicht die Hauptursache für die Waldschäden. International
war das Thema deutlich unbedeutender als in Deutschland. In anderen Ländern, wo
man die Maßnahme erst Jahre später durchführte ist der Wald auch nicht
gestorben. Zusammenfassend kann man sagen, dass man im Wesentlichen wohl einer
Ente aufgesessen ist, selbst wenn ein Anteil von Wahrheit drunter stecken kann
(so genau weiß man das nicht), so war die Panik vollkommen deplatziert. Und man
sollte nicht vergessen, dass diese Panik eine ganze Generation geprägt hat und
bis heute prägt.
Zwei
Randbemerkungen noch: Wenn man das Thema recherchiert fallen einem zwei Dinge
auf. Es gibt bis heute noch Alarmisten, die immer noch das Waldsterben
verkünden. Robin Wood ist nach wie vor am Start und auch NABU und wie sie nicht
alle heißen, geißeln regelmäßig die deutsche Politik dafür, dass sie inzwischen
einen Waldzustandsbericht und keinen Schadensbericht mehr erstellen lassen
(obschon das selbe darin steht). Zum anderen fallen massive Parallelen zur
Diskussion des Klimawandels auf. Das Mantra des sterbenden Waldes war 1985
nicht ein bisschen weniger gesetzt als das heutige Mantra des menschengemachten
Klimawandels. Die apokalyptischen Szenarien waren nicht ein bisschen kleiner,
die Begriffe nicht weniger aufgeladen. Und witziger weise waren auch damals
schon die Rezepte zur Lösung des Problems nahezu dieselben wie heute.
Llarian
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