26. April 2014

Die zweierlei Maße des Heiko Maas

Nachdem es um Andrea Nahles medial in den letzten Tagen vergleichsweise ruhig geblieben ist und der CDU/CSU-Teil der großen Koalition weiterhin den Schlaf der Selbstgerechten schläft (abgesehen vom glaubhaft leidenden CDU-Wirtschaftsrat vielleicht, aber wer hört dem in diesen Tagen schon zu?), ist die Zeit günstig für einen weiteren jungen SPD-Minister, ins Rampenlicht zu treten und Großes zu verkünden: Bundesjustizminister Heiko Maas.
­Aktuell plant Maas, daß "rassistische Motive" in den Strafzumessungskatalog mit aufgenommen werden sollen, d. h. daß Täter, bei denen rassistische Motive als nachgewiesen gelten, härter bestraft werden sollen als Delinquenten, die die gleichen Taten aus anderen Motiven heraus verübt haben. Hiermit will Maas eine Empfehlung aus dem Abschlußbericht des NSU-Untersuchungsausschusses umsetzen, der bis August letzten Jahres unter der beherzten Leitung des nach wie vor abgetauchten, und möglichen Gegenstandes eines zukünftigen U-Ausschusses, Sebastian Edathy, stattgefunden hat.
Bemerkenswert ist diese Nachricht insbesondere vor dem Hintergrund, daß der Justizminister noch vor zwei Monaten Pläne bekannt gegeben hat, den Mordparagraphen des Strafgesetzbuches überarbeiten zu wollen. Begründet wurde dies damit, daß der Mordparagraph, der aus der Zeit der Nazidiktatur stammt, gleichsam das Menschenbild der Nazis noch immer atme (wobei man sich schon fragt, weshalb dies in 70 Jahren bislang offenbar niemandem aufgefallen ist). Anstoß nahm Maas seinerzeit an den Tatmerkmalen eines Mordes wie "Heimtücke" oder "Niedere Beweggründe". Diese seien nicht Tat- sondern Tätermerkmale. Heiko Maas, zitiert nach faz.net im Februar 2014:
„Mord und Totschlag entsprechen so, wie sie in den Paragrafen 211 und 212 definiert sind, nicht der Systematik des Strafgesetzbuches“, sagte Maas der Zeitung. Es seien „täterbezogene Delikte“, das Strafgesetzbuch gehe „ansonsten aber von tatbezogenen Delikten aus“. Der geltende Mordparagraf beschreibe „also nicht, wann eine Tat ein Mord ist“, sondern „einen Menschentypus mit moralisch aufgeladenen Gesinnungsmerkmalen“. Das sei „noch immer die beklemmende Beschreibung eines Mörders, wie ihn sich die Nazis vorgestellt haben“.
Nun fragt sich vermutlich nicht nur der juristische Laie, was Rassismus denn anderes sei als ein "moralisch aufgeladenes Gesinnungsmerkmal" und warum er mit dem Begriff "Niederer Beweggrund" nicht hinreichend zu kennzeichnen sei.

Ich fasse einmal zusammen. Der heutige Mordparagraph ist dem Justizminister zu sehr Autobahn, so daß er hier die Tatmerkmale reformieren will, die eigentlich "moralisch aufgeladene Gesinnungsmerkmale von Tätern" seien. Dagegen möchte er nun das Gesinnungsmerkmal des Rassismus als strafverschärfend in das Strafrecht neu aufnehmen, wohlgemerkt: weder beschränkt auf Mord noch auf die bekanntlich sehr viel häufigeren anderen Tötungsdelikte wie Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge, sondern auf Gewaltkriminalität insgesamt und dem Vernehmen nach auch auf andere Deliktgruppen. Womöglich bekommen wir also demnächst den rassistischen Diebstahl, die rassistische Beleidigung und dergleichen mehr.

Eine bemerkenswerte Dialektik des Ministers, die wohl als weiterer Beleg dafür gesehen werden muß, daß im Kampf gegen rechts Methoden erlaubt zu sein scheinen, die man, im nahezu gleichen Atemzug, als Ausdruck nationalsozialistischer Ideologie betrachtet.

Es verursachte mir größtes Unbehagen, wenn sich zukünftig jemand, der einen anderen schwer verletzt oder getötet hat, um sich seines Mobiltelefons zu bemächtigen, in einem moralischen Vorteil gegenüber jenem wähnen könnte, der dies aus Haß getan hat. Beides erscheint mir gleich verwerflich und beides scheint durch den Terminus des Niederen Beweggrunds zutreffend beschrieben.

Im übrigen legt Herr Maas hier in gleich doppelter Hinsicht doppelte Maßstäbe an. Denn daß in dem aktuellen Gesetzentwurf im gleichen Maße solche rassistischen  Gewalt- und Tötungsdelikte gemeint seien, die typischerweise mit einer Variation des Ausrufs Isch mach disch Messer, du Scheißdeutscher beginnen, erscheint mir schlechterdings ausgeschlossen.

Andreas Döding


© Andreas Döding. Für Kommentare bitte hier klicken.