6. Juni 2014

Serien in Zettels Raum: Umweltschutz reloaded. Shell to hell oder eine Lektion in Sachen Greenpeace.


Wissen Sie, was das schöne an „Umweltskandalen“ ist, verehrter Leser ? Das sich die meisten Leute einige Monate, bzw. Jahre kaum mehr an etwas erinnern was über ein „da war ja mal was“ hinausginge. DDT, saurer Regen, FCKW, Dioxin, PCB, Acrylamid, Feinstaub, das sind Begriffe, die den allermeisten schon einmal begegnet sind, aber so richtig viel weiß man dann doch nicht darüber, außer das das alles ganz schlimme Sachen sind, die der Umwelt schaden. Meistens werden sie von „gewissenlosen Großkonzernen“ (gerne amerikanischer Herkunft) verantwortet und ihre Freisetzung und Verwendung ist irgendwie mal skandalös gewesen. Nun ist es unzweifelhaft, dass es viele giftige Dinge gibt und Umweltprobleme durchaus real existieren. Auch wenn das in Deutschland schon etwas weiter zurückliegt, so reicht ein Blick nach Indien oder China um sich dessen bewusst zu werden. Umso interessanter ist es die Skandale der Vergangenheit einmal „im Nachhinein“ zu betrachten und mal zu prüfen, was es damit genau auf sich hat, bzw. ob das alles so richtig gewesen ist. Und genau das möchte ich mit dieser Serie tun.
­

Ein schönes Beispiel für einen Skandal mit allem was dazu gehört (heute würde man von einem Shitstorm sprechen) ist die Versenkung der Brent Spar, an die sich die Älteren und Mittelalten wohl noch mit einem „da war mal was“ erinnern werden.
Die Brent Spar war im Prinzip ein gigantischer Öltank (in vielen alten Berichten ist fälschlicherweise die Rede von einer Bohrplattform und das ist falsch) in der Nordsee. Er diente bis 1991 als Tank für gefördertes Rohöl und sollte 1995 durch die Betreibergesellschaft, die Firma Shell, entsorgt werden. Die Firma Shell hatte dazu verschiedene Untersuchungen angestellt und ebenso verschiedene Entsorgungsansätze geprüft. Ergebnis dieser Überlegungen war, dass die gezielte Versenkung in einem Tiefseegraben im Nordatlantik die sinnvollste Lösung wäre. Shell hatte dazu eine Genehmigung der britischen Regierung beantragt und auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass sich eine Restmenge von bis zu 100 Tonnen Öl und Abfällen in den Tanks der Brent Spar befanden, die sich aus rein technischen Gründen auch nicht abpumpen ließen. Die britische Regierung hat die Genehmigung erteilt, weil sowohl die Ölmenge unkritisch zu bewerten war und auch sonst keine Gefahr von der versenkten Plattform ausgehen würde.
Die Organisation Greenpeace bekam im Februar 1995 Wind von der Versenkung. Greenpeace war die Versenkung alter Bohrinseln (obschon die Brent Spar genaugenommen keine solche war) schon lange ein Dorn im Auge und so beschloss man, die Plattform am 30. April zu besetzen. Im gleichen Zug behauptete man, dass die 100 von Shell angegebenen Tonnen nicht stimmen würden und das eigenen Messungen eine Menge von 5500 Tonnen Abfällen ergeben hätten. Mit dieser Zahl und der falschen Aussage, Shell beabsichtige 5500 Tonnen giftige Abfälle in der Nordsee zu versenken, begann eine bis dahin beispiellose Medienkampagne. In England, dem eigentlich davon betroffenen Land verfing die Kampagne zunächst nicht, umso mehr dafür im doch eher kampagnenoffenen Deutschland. In einer bis dahin in der deutschen Nachkriegsgesellschaft nie dagewesen Boykottkampagne fielen die Umsätze des Shell Konzerns um nahezu 50%. Es kam zu gewalttätigen Aktionen, es wurde auf Shell-Stationen geschossen und es kam zu einem Brandanschlag. Im Nachhinein ist es erstaunlich, dass dabei niemand ernsthaft verletzt wurde. Das inoffizielle Motto der Kampagne „Shell-to-hell“ wurde zum Selbstläufer für Greenpeace, die nichts weiter tun mussten, als das Feuer am Brodeln halten. Auch die deutsche Politik, zunächst durch die damalige Umweltministerin Merkel (!), aber später auch durch Helmut Kohl, war der Meinung Druck auf die englische Regierung aufbauen zu müssen.
Am 20.Juni 1995 war Shell gezwungen aufzugeben. Man gab den Forderungen von Greenpeace nach und garantierte, dass der Tank an Land abgewrackt werden würde, was auch einige Jahre später passierte. Die Kosten für das Abwracken betrugen am Ende etwa 36 Millionen Euro, etwa das Doppelte von dem, was ein Versenken auf See gekostet hätte. Die Verluste durch die Greenpeace Kampagne können, mangels Vergleichsmaterial, nur geschätzt werden und liegen irgendwo um 50 Millionen Euro.Danach geriert das Thema wieder, wie immer, in Vergessenheit. 

Interessant sind, im Rahmen dieses Artikels, die Fakten „danach“. Im September desselben Jahres räumte Greenpeace ein, dass die behaupteten 5.500 Tonnen Abfälle nicht stimmen würden. Man räumte stattdessen ein, dass die Zahlen von Shell wohl stimmen würden. Ebenso interessanterweise wurden die Zahlen einen weiteren Monat später von einer unabhängigen Institution nachgemessen und bestätigt. Greenpeace hat also seine Zahlen korrigiert, lange bevor diese noch einmal geprüft wurden. Greenpeace musste die Plattform am 23. Mai, also wenige Tage bis Wochen vor der großen Medienkampagne, verlassen und konnte danach keine neuen Messungen mehr vornehmen. Es ist keine neue Information zwischen Mai und September (dem Zeitpunkt der Korrektur) für Greenpeace dazugekommen. Den Schluss daraus kann jeder selber ziehen. Die falsche Behauptung Shell wolle die Plattform in der Nordsee versenken ist dabei komplett untergegangen (es war nie die Versenkung in der Nordsee geplant, sondern schon immer im Nordatlantik). Abgesehen von der Entschuldigung für die Zahlen hat sich Greenpeace nie für die ganze Aktion entschuldigt und sieht sich bis heute im Recht. Das dürfte auch das sein, was bei den meisten Deutschen hängengeblieben ist.
Aus dem gesagten ein kleines Fazit: Es gab nie eine Grundlage für einen Skandal um die Brent Spar. Die Firma Shell hat sich zu allen Zeitpunkten an Recht und Gesetz gehalten und hatte etwas vor, was der Umwelt mit aller Sicherheit nicht geschadet hätte (im Gegenteil, jeder Sporttaucher weiß, das künstliche Riffe, wie sie aus alten Schiffen und Wracks entstehen, ein Quell des Lebens sind). Die Organisation Greenpeace ging gegen diese Absicht mit bewussten (!) Lügen vor und erwirkte eine bis dahin beispiellose Medienkampagne, die den globalen Konzern Shell in die Knie zwang.
Das ist nicht unbedingt das, was die meisten Deutschen erinnern werden, erinnert wird eher, dass die „gerechte Umweltbewegung“ einen „fiesen Ölkonzern“ davon abhalten konnte „tausende Tonnen an Gift“ in die Nordsee abzukippen. Und man kopft sich noch auf die Schulter, weil man Shell so schön boykottiert hat und nur bei Esso getankt hat. Es ist halt einfach, wenn man weiß, wer die Guten sind. Nur nachfragen, das sollte man besser nicht, nachfragen schadet nur dem guten Gewissen. 

Llarian


© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.