„Im Gegensatz zu Sturm [der Verteidigerin von Beate Zschäpe] heute haben die RAF-Verteidiger damals ihre Mandanten politisch verteidigt. Sie haben versucht, deren Taten zu rechtfertigen. Einige Anwälte fanden zum Beispiel, die in U-Haft sitzenden Angeklagten müssten als Kriegsgefangene anerkannt werden – denn aus ihrer eigenen Sicht lägen sie im Krieg mit dem deutschen Staat, somit seien ihre Taten Notwehrhandlungen und nicht strafbar. Mit solch zynischen Argumenten wurde selbst der Tod von arglosen Fahrern und pflichtbewussten Personenschützern begründet.
Wie klänge das, würden Anja Sturm und ihre Mitstreiter argumentieren: Der NSU hat den multikulturell überlaufenen deutschen Staat abgelehnt, er sah es als seine Pflicht an, die Deutschen vor Überfremdung zu bewahren. Der NSU befand sich deshalb im Krieg. Die Handlungen in diesem Krieg, zu denen die Morde an den neun Einwanderern und der deutschen Polizistin gehören, können daher nicht als Straftaten angesehen werden.
Undenkbar.“
Özlem Topçu in einem auf ZEIT-Online veröffentlichten
Beitrag (hier die Komplettansicht) über die Rechtsanwältin Anja Sturm, die im
NSU-Prozess gemeinsam mit zwei Kollegen Beate Zschäpe verteidigt.
Kommentar: Man wird Frau Topçus Einschätzung nicht widersprechen können. Umso mehr erstaunt es, wenn selbst Kollegen – darunter auch eine Terroristen-Verteidigerin – Anja Sturm für die Übernahme des Mandats der Beate Zschäpe kritisieren. So zitiert der ZEIT-Online-Artikel die im NSU-Prozess als Nebenklägervertreterin fungierende Edith Lunnebach mit den Worten, sie habe RAF- und PKK-Mitglieder verteidigt, weil sie deren politische Einstellung nachvollziehen könne, während sie von Anja Sturm anlässlich einer Podiumsdiskussion wissen will, was diese im Kontext der Zschäpe-Verteidigung mit Freiheitsrechten meine.
Forderungen à la „Kinderschänder brauchen keinen Verteidiger“ stammen in der Regel ja eher aus den schlichteren Bereichen des populären Diskurses und nicht von jenen, die über die Funktion eines Anwalts im Strafverfahren aus erster Hand Bescheid wissen sollten.
Dabei liegen die Dinge doch eigentlich ganz einfach: Bis zur rechtskräftigen Verurteilung hat der Angeklagte als unschuldig zu gelten. Das ist ein Prinzip des rechtsstaatlichen Strafverfahrens und sollte für sich allein schon hinlänglich erklären, warum ein freiheitliches Gemeinwesen das Recht des Angeklagten auf Verteidigung sicherstellen und schützen muss.
Im Strafprozess steht der – meist nicht rechtskundige –
Angeklagte der durch einen Juristen repräsentierten öffentlichen
Gewalt gegenüber. Für den Staatsanwalt steht im Verfahren persönlich kaum etwas
auf dem Spiel, für den Angeklagten geht es im schlimmsten Fall um die Freiheit.
Deshalb muss sich der mutmaßliche Delinquent eines Beistandes bedienen können,
der in der Lage ist, den Vorwürfen des Anklägers fachlich auf Augenhöhe und mit der seelischen Ruhe des Nichtbetroffenen zu begegnen.
Damit der Angeklagte sein Recht auf Verteidigung wahrnehmen kann, bedarf es natürlich eines Anwalts, der das Mandat akzeptiert oder der dazu verpflichtet wird. Der Strafverteidiger ist nicht Gegner des Rechtsstaats, er spielt vielmehr eine von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in das Drehbuch geschriebene Rolle. Wenn sich der Verteidiger für die Interessen seines Klienten einsetzt, dann dient das nicht nur diesem, sondern auch dem Rechtsstaat. Dieser ist ja gerade nicht belastungseifrig, sondern entscheidet im Zweifel für den Angeklagten.
Es mag dem Geist der Zeit entsprechen, bei mutmaßlichen „Hassverbrechen“ rechtsstaatliche Prinzipien leichtfertig zu verdünnen und den Geboten einer gefühligen Moral oder einer politischen Agenda unterzuordnen: Wer sich die betreffenden Argumente zu Eigen macht, der hat den Rechtsstaat schlicht und einfach nicht verstanden oder er weiß ihn nicht zu schätzen. Schwer zu sagen, was schlimmer ist.
Damit der Angeklagte sein Recht auf Verteidigung wahrnehmen kann, bedarf es natürlich eines Anwalts, der das Mandat akzeptiert oder der dazu verpflichtet wird. Der Strafverteidiger ist nicht Gegner des Rechtsstaats, er spielt vielmehr eine von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in das Drehbuch geschriebene Rolle. Wenn sich der Verteidiger für die Interessen seines Klienten einsetzt, dann dient das nicht nur diesem, sondern auch dem Rechtsstaat. Dieser ist ja gerade nicht belastungseifrig, sondern entscheidet im Zweifel für den Angeklagten.
Es mag dem Geist der Zeit entsprechen, bei mutmaßlichen „Hassverbrechen“ rechtsstaatliche Prinzipien leichtfertig zu verdünnen und den Geboten einer gefühligen Moral oder einer politischen Agenda unterzuordnen: Wer sich die betreffenden Argumente zu Eigen macht, der hat den Rechtsstaat schlicht und einfach nicht verstanden oder er weiß ihn nicht zu schätzen. Schwer zu sagen, was schlimmer ist.
Noricus
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