13. April 2014

Quis custodiet ipsos custodes? Ein Gedankensplitter zu Edward Snowden, der NSA, dem Feind meines Freundes und nicht zuletzt auch Angela Merkels CDU


Edward Snowden ist ein Verräter. Daran kann nach Wortdefinition nicht wirklich ein Zweifel bestehen, ihm waren Geheimnisse anvertraut, die er verraten hat und hat damit seinem Arbeitgeber und seinem Land erheblichen Schaden zugefügt. Amerikanische Diplomaten werden Jahre brauchen um auch nur einen Teil des Vertrauens zurückzubekommen, dass zerstört wurde und die Effizienz der NSA dürfte international deutlich und über sehr lange Zeit reduziert sein.
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Und dennoch bin ich –inzwischen- gar nicht mehr so ganz unglücklich über das, was Edward Snowden getan hat und bin mir auch nicht mehr so sicher, ob der Feind meines Freundes auch mein Feind ist. Die USA ist zweifelsfrei einer der bedeutendsten (wenn nicht der bedeutendste) Alliierte Deutschlands, der plumpe Antiamerikanismus der gerade in der deutschen Linkspresse so gerne gepflegt wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland und die USA eng verbandelt sind und einem gemeinsamen Interessenblock angehören. Sie sind ein Freund, auch wenn die Linke das eher nicht so sehen will. Nun ist die Schweiz auch ein Freund, ein Nachbar gar, was aber die Regierung (nicht zuletzt die selben Linken, wie eben erwähnt, ganz vorne weg) nicht daran gehindert hat, jede Menge sensible Unterlagen aus eben dieser Schweiz durch Verräter stehlen zu lassen, bzw. die Verräter mit Millionensummen zu ködern. Diese Verräter haben der Schweiz massiv geschadet, vermutlich wirtschaftlich deutlich mehr als im Verhältnis dazu Edward Snowden. Nur ist die Schweiz eben nicht die USA und sie kann nicht ganz so viel Druck ausüben. Würde also ein solcher Verräter in Deutschland ganz öffentlich auftreten, besteht wohl kaum eine Gefahr, dass man ihn eben kurz kassierte und an die Schweiz überstellte (er müsste eher Angst haben von Sarah Wagenknecht oder Claudia Roth öffentlich zum Essen eingeladen zu werden). Offensichtlich gilt die Gleichung „der Feind meines Freundes ist mein Feind“ nicht ganz so universell, wie man erst einmal meint. Nein, der Feind meines Freundes ist hier doch eher ein gern gesehener Freund, vor allem wenn er CDs mitbringt. Allein die Tatsache, dass jemand mit einem Freund über Kreuz liegt, kann also alleine noch kein Grund sein, ihn auch als Feind zu betrachten.
Nun kann jemand ein Feind sein, unabhängig davon, wie sein Verhältnis zu einem dritten Freund aussieht. Wenn jemand deutschen Interessen schadet, dann kann er auch so ein Feind (man verzeihe mir die grobschlächtige Sprache, die Differenzierung überlasse ich dem Leser) Deutschlands sein. Hat Edward Snowden deutschen Interessen geschadet? Ich glaube nicht. Ich glaube das Gegenteil ist richtig.
Dazu muss man sich zunächst bewusst machen, dass die Interessen der NSA nicht die Interessen Deutschlands sind. Die NSA dient schon  ihres Namens her erst einmal den Interessen der USA und nur dieser. Daran ist nichts Illegitimes. Es ist eine nationale Behörde mit nationalen Interessen. An einigen Punkten mag es Interessenübereinstimmungen geben, die sind aber, wie bei jeder Sache, eher zufällig zu finden. So hat Deutschland mit Sicherheit auch einige gemeinsame Interessen mit dem FSB („Nachfolger“ des KGB), deswegen käme normalerweise niemand auf die Idee darauf abzustellen, der FSB würde im Interesse Deutschlands arbeiten.
Kommen wir zu dem, was die NSA tut. Der Auftrag der NSA ist nachrichtendienstlicher Natur, es ist ein Auslandsgeheimdienst, der sich mit Kommunikation im weitesten Sinne beschäftigt. Das ist im Laufe der Jahre sehr unterschiedlich erfolgt. Wichtig an dieser Stelle ist, dass sich die NSA zentral mit Verschlüsselung beschäftigt. Nun kann man dieses Thema von zwei Seiten betrachten: Dem effektiven Entschlüsseln von Kommunikation eines „Feindes“ oder dem sicheren Verschlüsseln der Kommunikation eines „Freundes“. Die NSA hat sich schon immer mit beidem beschäftigt, allerdings gibt es populäre Beispiele wie die NSA wirklich geholfen hat Verschlüsselung sicher zu machen. Beispielsweise hat die NSA massiven Einfluss auf die Entwicklung von DES  gehabt und hat für dieses Verfahren einige Details beigesteuert, von denen man erst 15 Jahre später erfahren hat, dass sie das Verfahren stark machen.
Irgendwann im Laufe der Jahre hat sich, sei es durch 9/11 oder durch einfache Verschiebung von Interessen, die Haltung der NSA geändert. Vielleicht lag es daran, dass Verschlüsselung besser wurde, sich verbreitete oder auch einfach jedem kleinen Ganoven zur Verfügung stand, aber die NSA ging dazu über Dinge nicht nur zu entschlüsseln, sondern Verschlüsselung aktiv zu sabotieren. Beispiele dafür sind beispielsweise Manipulation von Zufallszahlengeneratoren oder das direkte Einbringen von Sicherheitslücken in Software . Auch der britische Geheimdienst wollte dem nicht nachstehen und brachte gezielte Schwächung in den Algorithmus zur GSM Verschlüsselung  ein.
Man muss (!) sich an dieser Stelle über eine Sache klar werden: Das waren keine Maßnahmen gegen einen potentiellen Feind im Osten oder eine terroristische Bedrohung aus dem nahen Osten: Das waren gezielte Maßnahmen zur Überwachung, Kontrolle und Ausspionieren von befreundeten (!) Staaten, im Falle der Briten auch der eigenen Bürger. Der „Ostblock“, so man diesen Feind ausmachen wollte, hat gänzlich andere Verfahren benutzt und die Schwächung von GSM oder RC4 diente nicht dem Abhören von Verbindungen in Moskau oder Teheran. Es ging gezielte gegen die sogenannten Alliierten. Das ist, egal wie man den Amerikaner im Einzelnen gegenübersteht, keine freundliche Maßnahme, sondern, wenn man es drastisch ausdrücken würde, ein Akt massiver Aggression. Wenn ich zuhause eine Tür einbaue, weil ich Angst vor Einbrechern habe, und mir ein vermeintlicher Freund mit einem Schloss hilft, dass er vorher gezielt geschwächt hat, wie würde ich so einen Freund nennen ?
Selbst wenn man der NSA unterstellte, sie habe nur Gutes im Sinn (was ich erheblich bezweifele, Stichwort Wirtschaftsspionage), so kann die NSA ihren Schachtelteufel leider nicht beherrschen. Die Schwachstellen, die NSA und sein britisches Pendant in „unsere“ (!) Software eingebracht haben, sind ebenso jedem technisch versierten Hacker, sei er aus China oder auch aus Castrop-Rauxel, genauso zugänglich.
In diesen Tagen passiert wieder einiges um Edward Snowden. Der CCC und eine nicht ganz kleine linke Kamarilla werden ihm einen Preis zusprechen, der extra für ihn geschaffen wurde. Die Uni Rostock überlegt ob sie ihm die Ehrendoktorwürde zusprechen möchte.  Nun sind das typisch linke Bestrebungen, die vor allem gerne auf einer antiamerikanischen Welle mitreiten, aber ich stelle mal die Frage, ob das so falsch ist? Ich bin Edward Snowden durchaus dankbar, wenn er mich darauf hinweist, dass jemand mir ein schlechtes Schloss verkauft hat. Meine persönliche Sicherheit ist dadurch verbessert. Es mag sein, dass Snowden den USA massiv geschadet hat, faktisch hat er mir durchaus einen Nutzen erwiesen.
Abschließend möchte ich noch zur unseligen Rolle der CDU etwas loswerden. Es ist verständlich, dass sich Mutti die Reise in die USA im Mai nicht unnötig erschweren will. Aber dennoch habe ich den Eindruck, da haben viele den Schuss noch nicht gehört. Nicht nur die blamable Erklärung von Pofalla, die „Affäre sei beendet“ (für diesen Schwachsinn hat er sich bis heute nicht entschuldigt), nein auch die plötzliche Aufregung als Mutti selbst abgehört wurde, war nicht gerade ein gutes Zeichen wie ernst es ihr mit ihrem Amtseid eigentlich ist. Das jetzige Verhalten im Untersuchungsausschuss setzt dem Ganzen aber nun die Krone auf. Ich kann verstehen, dass man zu Anfang keinen Verbündeten vor den Kopf stoßen wollte, aber inzwischen ist viel zu viel an die Öffentlichkeit gelangt, als das man das so hinnehmen dürfte.  Wir haben Gesetze, die das Ausspionieren von Bürgern durch den Staat verbieten, die gelten auch für Verbündete. Es wäre Aufgabe der Bundesregierung jetzt einmal deutlich zu sagen, was das bedeutet. Man muss den Amerikanern nicht darüber verhandeln, dass sie einem („bitte, bitte“) nicht schaden, das ist eine Grundvoraussetzung jeglicher Kooperation. Es braucht kein Anti-Spy Abkommen, das sollte eine Selbstverständlichkeit sein, etwas Selbstredendes muss man nicht gesondert vereinbaren. Es ist kein Wunder, dass die Amerikaner immer noch nicht verstanden haben, warum sich in Deutschland so viele Leute aufregen, unsere eigene Bundesregierung ist nicht dazu in der Lage die Dinge klar beim Namen zu nennen. Sollte die Bundesregierung nicht verstehen, warum das Spionieren der NSA in Deutschland nicht in Ordnung ist, dann sollte sie mal darüber nachdenken, warum sie selber in Deutschland kein Recht dazu hat. 
Dieser Artikel ist mit der Frage überschrieben „Wer wacht über die Wächter ?“. Die NSA ist definitiv ein Wächter, das ist ihre Aufgabe und ich habe keinen Zweifel daran, dass sie genau diese Aufgabe wahrnimmt. Aber es ist eben auch Aufgabe der Bundesregierung über die Wächter zu wachen. Das was die CDU da im Moment abliefert ist das Verhalten von Stallknechten, aber nicht von denen, von denen man erwarten, dass sie unsere Freiheit bewachen.

Llarian


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