6. April 2014

Marginalie: The show doesn’t go on – Zum Ende von „Wetten, dass …?“


Wie das ZDF mitteilt, wird „Wetten, dass … ?“ zum Ende dieses Jahres Fernsehgeschichte sein. Dreimal soll das einstige Flaggschiff des Mainzer Senders noch über die Bildschirme flimmern, dann fällt der Vorhang und breitet den Mantel gnädigen Schweigens oder seligen Erinnerns über ein Dritteljahrhundert deutscher Unterhaltungshistorie.

Jüngeren Semestern wird kaum zu vermitteln, welche Anziehungskraft die Samstagabendshows jedenfalls in den 80ern, vielleicht auch noch Anfang der 90er-Jahre ausübten. Da saß die ganze Familie gebannt vor der Mattscheibe und schaute „Einer wird gewinnen“, „Auf Los geht’s los“ oder eben „Wetten, dass…?“ Am Montag wurde das, was Kulenkampff, Fuchsberger, Elstner und Gottschalk in die Wohnzimmer getragen hatten, in der Schule, im Büro oder der Werkstatt Gegenstand des kollegialen Smalltalks. (Anmerkung zur unvollständigen Auflistung der „Wetten, dass …?“-Gastgeber: Lippert wird wegen zu kurzer Moderationstätigkeit nonchalant übergangen, die Nominierung Guttenbergs blieb eine Fußnote im Almanach der Ideen, und Lanz kam erst zu der Zeit, als die Party bereits vorbei war.)

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Unter Gottschalks Regentschaft blieben dann auch Heranwachsende begeistert bei „Wetten, dass …?“ sitzen, traten dort doch solche Weltstars wie Michael Jackson live auf (das heißt: der Gig war nicht aufgezeichnet, erfolgte oft genug aber mit Playback-Unterstützung). Heutigen Jugendlichen dürften solche Darbietungen nur noch ein Achselzucken abringen, können sie sich die Videos ihrer Idole doch jederzeit via Smartphone und Youtube zu Gemüte führen.

Freilich: Das Ende von „Wetten, dass …?“ kommt nicht völlig aus dem Nichts. Schon in den – im Rückblick ungetrübt rosig erscheinenden – Gottschalk-Zeiten hagelte es Rezensentenverrisse, und auch zu Wahlkampfzwecken instrumentalisierte, olfaktorisch-moralische Empörung musste sich der Samstagabendklassiker gefallen lassen. Die Kritik an der Moderationsleistung des Markus Lanz entzündete sich nur zum Teil an seinen Darbietungen in „Wetten, dass …?“ Viel weitere Kreise zog seine Talkshow-Konfrontation mit der Linken-Vorzeigedame Sarah Wagenknecht. 

Soll man über dieses absehbare Aus für das alte Schlachtross der Programmmacher vom Lerchenberg traurig sein? Bei aller Nostalgie ist zu bedenken, dass wohl auch für Fernsehsendungen ein Produktlebenszyklus gilt. Während im Privat-TV die Samstagabendshow gleichsam neu erfunden wurde, hielt das dank Pflichtabgabe über den Markt erhabene ZDF den todgeweihten Patienten künstlich im Diesseits. Die lange Existenz des von Frank Elstner 1981 aus der Taufe gehobenen Formats ist zweifellos ein Symptom dafür, dass man in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dank der sicher sprudelnden Einnahmequellen – von Quote und Qualität relativ unbekümmert – immer noch fortwurschteln kann, wenn ein Privatsender schon längst die Notbremse hätte ziehen müssen.

Realistisch ist zweifellos die Einschätzung, dass dem einstigen Straßenfeger nichts Besseres nachfolgen wird. Kreativität und Originalität sind ja bekanntlich nicht gerade die auffälligsten Merkmale des staatsnahen Nullmediums. Es steht also zu erwarten, dass auch der künftige Samstagabendfüller nur noch vergleichsweise wenige Zuschauer vom Hocker reißen (beziehungsweise im Fernsehsessel fixieren) wird. Wetten, dass?


Noricus


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