Vermutlich
wissen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, was ein Koberer ist. Angehörige dieses
Berufsstandes versuchen, Menschen auf der Straße durch Überredungskünste in ein Etablissement der – sagen wir mal – eher anrüchigen
oder zumindest nicht familiengerechten Vergnügung zu locken.
Vielleicht
sind Sie durch die Überschrift gekobert, also dazu verleitet worden, sich auf diesen Artikel
näher einzulassen. Ich hoffe nur, dass der Titel bei Ihnen keine Erwartungen
geweckt hat, die der Beitrag nicht erfüllen kann und auch gar nicht zu erfüllen
gedenkt. Das Rotlichtmilieu soll im Folgenden nämlich nicht im Mittelpunkt
stehen, obwohl wir sogleich einer Dirne – oder besser gesagt – der Dirne begegnen werden.
Sie ist im Wortsinne
ein gefallenes Mädchen. Denn in der Standardsprache wurde sie auf die Rolle der Prostituierten verwiesen, während einige Dialekte noch ihre alte, völlig
unverfängliche Bedeutung bewahrt haben. Wenn man im Bairischen von einem Dirndl oder Derndl spricht, ist damit – wertungsfrei – eine nicht allzu viele
Lenze zählende Frauensperson gemeint. Die Hanseatin, die sich als Hamburger Deern bezeichnet, möchte damit
lokalpatriotisch auf ihre Herkunft aus der Elbmetropole hinweisen und sich
zweifellos nicht als Erwerbstätige mit Betriebsstätte in der Herbertstraße outen. Dass
sich die Kenntnis des mundartlichen Gebrauchs ersprießlich
auf ein werkgetreues Verständnis eines berühmten Fontane-Gedichts auswirkt, bedarf keiner näheren Erörterung.
Aber nicht
nur die Dirne, nein, auch die Frau ist gefallen. Zwar im Sinne der
bürgerlichen Moral nicht so tief wie jene, doch immerhin ist sie von der Herrin zur sozial unmarkierten Vertreterin des weiblichen Geschlechts abgestiegen. Nicht
besser als den tiuschen frouwen ging
es der italienischen donna, war sie
doch noch zu Römerzeiten eine domina,
also ihrerseits eine Herrin. Der alte Glanz hat sich noch in der Bezeichnung
der Muttergottes als Madonna bewahrt;
noch zu Zeiten Francesco Petrarcas war es aber durchaus – jedenfalls
literarischer – Usus (und keineswegs blasphemisch oder lächerlich), eine irdische Dame von Stand mit diesem Wort zu belegen.
Und so wie
der lorbeergekrönte Dichter mit dem florentinischen Migrationshintergrund seine
noble Laura anhimmelte, schmachtete ein Minnesänger vom Schlage eines Walther
von der Vogelweide natürlich nach einer frouwe.
Allerdings schien für Walther die Herkunft mehr als die hierarchische Stellung zu zählen, denn:
kan ich rehte schouwen
guot gelâz unt lîp,
sem mir got, sô swüere ich wol, daz hie diu wîp
bezzer sint danne ander frouwen.
Wenn ich mich darauf verstehe,
gutes Benehmen und gutes Äußeres zu beurteilen,
bei Gott, dann möchte ich wohl schwören, dass hierzulande die Frauen
besser sind als anderswo die Damen [Übersetzung aus dem Wikipedia-Artikel].
„Lieber eine
Deutsche ohne Rang als eine ausländische Adelige“, so könnte man die politisch
unkorrekte Vorliebe des Poeten wohl zusammenfassen. „Lieber ein Weib als eine
Frau“, mag sich so mancher Nachfahre des großen Verseschmieds
insgeheim denken. Denn abgesehen von seiner pejorativen Verwendung – das „misogyne Manifest der germanophonen Literatur“ (Noricus) wäre mit „Über die Frauen“ wohl
unpassend zahm betitelt – hat das Weib
ja auch eine ausgesprochen sinnliche Konnotation, etwa wenn es ewig lockt. Und
bezeichnenderweise ist die Rede vom Vollweib
und eben nicht von der – äußerst eigenartig und ziemlich blutleer tönenden – Vollfrau.
Die
etymologische Cousine des Weibes, the
wife, ist bekanntlich in der heutigen englischen Standardsprache die
Ehefrau, ganz so wie auch la moglie, die italienische Stammesverwandte der spanischen mujer 'Frau', verheirateten Personenstandes ist. Die
beiden romanischen Wörter setzen das lateinische mulier 'Frau' fort, das dem auf Latein gebets- und bibelfesten Christen
aus dem Ave Maria
(„Benedicta tu in mulieribus“ – „Du bist gebenedeit unter den Frauen [früher: 'Weibern']“)
und dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther, Kapitel 14 Vers 34 („mulieres in ecclesiis taceant“ – „sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung“),
bekannt ist.
Das gewöhnliche
englische Wort für 'Frau', woman,
wird volksetymologisch gern auf womb-man,
also ‘Gebärmuttermensch‘ zurückgeführt; es dürfte richtigerweise aber von der Zusammensetzung wifman ‘Fraumensch‘ (oder
auf gut Bairisch: 'Weiberleit') herrühren. Das Benennen von Frauen nach
geschlechtsspezifischen Körperteilen ist offenbar doch eher eine Erfindung wenig galanter
Gangsta-Rapper.
Kehren wir kurz
zur verheirateten Frau zurück: Eine solche scheint die queen nämlich ursprünglich bezeichnet zu haben,
bevor sie sich über die Bedeutungsverengung 'Frau eines Königs' zur eigenberechtigten
Monarchin emanzipiert hat. (In den skandinavischen Sprachen bedeutet das
etymologisch verwandte Wort – etwa kvinna im Schwedischen – schlicht und einfach 'Frau'.) Elizabeth II. ist ja gerade
nicht die Gattin des Königs, sondern selbst Königin, während ihr Gemahl
lediglich ein prince ist. So wie der
Spross des royalen Paares, Charles, der sich wohl damit abfinden muss, dass
gegen Langzeitregentinnen keine Quote gewachsen ist. Ruft man sich das selbstgewählte Image und die
öffentlichen Äußerungen des Thronfolgers ins Gedächtnis, kann man eigentlich nur
hoffen, dass der folgende Wunsch kein frommer bleibt, sondern von der zuständigen
Stelle tatsächlich erhört wird: God save the Queen!
Noricus
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