21. April 2014

Besseres Deutsch dank Gender-Mainstreaming


An der Philipps-Universität Marburg gibt es also eine „Studienführerin Gender“ – ein Informationsportal, keine Person; die Entstehungsgeschichte dieses Angebots ist in einer „Herstory“ nachzulesen. (Dank für diese Trouvaille gebührt einem Artikel auf FAZ.net.) Dass es den ProgrammiererInnen der Website an der erforderlichen Linientreue fehlt, lässt ein Blick in die URL der „Studienführerin“ erahnen. Dort regiert der blanke Chauvinismus.

Wir begrüßen es zwar, dass die weibliche Form Führerin den unerträglich hohen Autobahnfaktor ihres männlichen Pendants etwas abmildert, würden uns aber vielleicht eine assoziativ neutrale, wenn auch grammatikalisch doch wieder maskuline Variante wie Leitfaden wünschen. Hingegen findet die Umwandlung der history zur herstory unsere nahezu uneingeschränkte Zustimmung. Nahezu, denn wir fragen uns, ob die Feminisierung nicht richtigerweise hertory lauten müsste.
Auch in dem deutschen Verb sein und seiner (!) Substantivierung das Sein begegnet ein phallokratischer Blick auf die Dinge: „It’s a man’s world“, wie die Soul-Sängerin und der Soul-Sänger wissen – in unserer Sprache herrscht eine androzentrische Ontologie. Wenn eine Frau also sagt: „Ich werde sein“, dann ist das Ausdruck und Zementierung geschlechtlicher Herrschaftsverhältnisse.

Da es möglich ist, die Heilige Schrift in gerechte Sprache zu übertragen, sollte das auch mit den MeisterInnenwerken unserer DichterInnen und DenkerInnen geschehen dürfen. Im Philosophiegrundkurs behandeln wir dann eben Heideggers Hauptopus Ihr und Zeit und widmen uns der Siekenntnistheorie (ein Lexem, das die Word-Rechtschreibprüfung in Office 2013 übrigens nicht unterringelt).

Doch die Verbesserung unseres Mutteridioms darf nicht schon an dieser Stelle Halt machen. Ein Adjektiv wie verfemt muss natürlich aus unserem Wortschatz ausscheiden, steckt in ihm doch anscheinend (oder nur scheinbar?) femina, das lateinische Wort für „Frau“. Vorschlag: Wir ersetzen verfemt durch vervirt, das die lateinische Bezeichnung für den „Mann“, vir, enthält. Als PatientInnen und PC-AdeptInnen (gemeint ist hier übrigens der Personal Computer, nicht die Political Correctness) verbinden wir mit diesem Wortstamm ohnehin etwas Negatives, was ja auch durchaus im Sinne der/des Erfinder(s)_In ist.

Ebenso inakzeptabel ist das Eigenschaftswort dämlich beziehungsweise das ähnlich tönende, süddeutsche damisch, da es bei gendersensibler Sprachrezeption selbstverständlich in einen Zusammenhang mit der Substantivin Dame zu bringen ist. Und muss in einer so schönen Termina wie Emanzipation wirklich das unaussprechliche M-Wort begegnen? Wie wäre es mit Efrauzipation?

Äußerst verdrießlich ist selbstverständlich auch die Rede vom weiblichen Geschlecht. Wir möchten als fast alternativlose Alternative frauliches Gegut in den Ring werfen oder aber frauliches Genus. Denn falsch betont wird daraus ein Genuss, der möglicherweise sogar vergessen lässt, dass dieses Wort – oh Schreck! – nicht genfrei ist.

Man sieht schon: Das Deutsche ist, was Sprachgerechtigkeit betrifft, ein absolutes Notstandsgebiet. Jedenfalls dann, wenn für die/den BetrachterIn Etymologie ein Fremdwort darstellt. Nun, das ist es ja auch, für manche mehr als für andere.

Noricus

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