In der Debatte rund um die Netzneutralität hört man öfters die Kritik Netzneutralität sei zu schwammig, nicht genau definierbar und im Detail sehr schwierig. Wir glauben das nicht und haben deswegen einen Vergleich aller bestehender Gesetze zur Netzneutralität geschrieben.
Vergleich verschiedener Netzneutralitätsgesetze,
Was ich bis heute nicht verstanden habe ist, warum Vertreter der Netzaktivisten immer wieder betonen, die Antworten auf alle für die Netzpolitik relevanten Fragen seien klar, nur um sich danach selber zu widersprechen und aufzuzeigen, dass eben doch nicht alles so eindeutig und einfach ist, wie zuvor suggeriert. So auch in dem zitierten Artikel, in dem ein Vergleich bisher bestehender Gesetze zur Netzneutralität in Chile, den Niederlanden und Slowenien eben doch deutliche und darunter auch bedeutende Unterschiede aufweist, während ausgerechnet eine Gemeinsamkeit aller bisherigen gesetzlichen Definitionen der Netzneutralität, die Beschränkung auf legale Inhalte, dem Autor nicht gefällt.
Was bedeutet nun also Netzneutralität? Die verwendeten Definitionen sind unterschiedlich und hängen von der Interessenlage der einzelnen Aktuere ab. In allen Fällen ist jedoch das Verständnis vom best-effort-Prinzip als Kernkonzept des Internets abhängig. Nach dem best-effort-Prinzip müssen alle Datenpakete, auf die es sich erstreckt, gleich behandelt werden, was in der Regel auf das first-in-first-out-Prinzip hinausläuft: Ein Datenpaket, das als erstes an einer Zwischenstation im Internet, beispielsweise einem Router, ankommt, wird auch als erstes weitergeleitet. Entsprechend werden auch alle weiteren Datenpakete in der Reihenfolge ihres Eintreffens verarbeitet und weitergeleitet.
Klingt erst einmal klar und eindeutig. Wo ist das Problem? Das ergibt sich bei der Frage, in welchen Fällen das best-effort-Prinzip greifen soll, denn selbst der stärkste Verfechter der Netzneutralität wird Ausnahmen vom best-effort-Prinzip anerkennen, die keinen Verstoß gegen die Netzneutralität darstellen würden.
So erkennt zum Beispiel nahezu jeder an, zum Erhalt der Netzstabilität notwendige Einschränkungen seien keine Verletzung der Netzneutralität und auch Datenverkehr, der notwendig ist, damit das Netz überhaupt funktioniert und praktikabel genutzt werden kann, zum Beispiel zur Verwaltung des Netzes, wird als Ausnahme allgemein akzeptiert.
Und es ist sicherlich auch aus Sicht vieler Internetnutzer sinnvoll die schnellere Zustellung dringlichen Datenverkehrs gegenüber weniger dringenden Paketen sicherzustellen. Die Frage ist, wer über die Dringlichkeit befinden soll und welches Missbrauchspotential für wettbewerbswidriges Verhalten, Machtmissbrauch und wirtschaftlich, politisch, ideologisch oder schlicht durch Verstocktheit motivierte Blockaden gegen neue Anwendungen und Protokolle damit einhergeht.
Da nicht alle ihr Augenmerk auf den gleichen Schwerpunkt legen und die gleichen Probleme sehen oder zu erkennen meinen, zu deren Lösung die Netzneutralität beitragen soll, gibt es hier ganz unterschiedliche Erwartungen, die sich im wesentlichen in drei Ausrichtungen in der Definition der Netzneutralität niederschlagen und von mir im folgenden der Einfachkeithalber als Anbieterneutralität, Dienstneutralität und Paketneutralität bezeichnet werden. Die unterschiedlichen Konzeptionen sind zwar nicht neu, die Bezeichnungen stammen jedoch von mir.
1. Anbieterneutralität: Hier wird Netzneutralität nur innerhalb einer Dienstklasse betrachtet, innerhalb der das best-effort-Prinzip gelten muss. Ein Netzbetreiber dürfte beispielsweise Video-Streams gegenüber anderem Datenverkehr bevorzugt behandeln, innerhalb einer solche Kategorie muss die Datenübertragung jedoch unabhängig von den konkreten Kommunikationspartnern, sowohl Sender als auch Empfänger, erfolgen und eine höhere Prioritäts- oder Qualitätsklasse innerhalb einer Kategorie kann nicht erworben werden. Damit kann kein Inhalteanbieter gegenüber einem anderen Anbieter in der selben Kategorie eine Bevorzugung erwerben, unabhängig davon, wie viel Geld er bereit oder in der Lage ist dafür auszugeben.
2. Dienstneutralität: Der Netzbetreiber darf nicht nach der Art und dem Inhalt der übertragenen Daten, insbesondere auch nicht nach der Dienstklasse unterscheiden. Jedes Paket muss unabhängig vom Inhalt und dem konkreten Dienst übertragen werden. Eine Priorisierung von beispielsweise Musik-Streams gegenüber Video-Streams, die wiederum gegenüber Online-Spielen, welche wiederum gegenüber dem Rest bevorzugt werden, ist nicht zulässig. Allerdings wären unterschiedliche Qualitäts- und Priorisierungsstufen zulässig, sofern jedem die Übertragung mit jeder Qualitäts- und Priorisierungsklasse
3. vollständige Netzneutralität/absolute Netzneutralität/Paketneutralität: Diese Art von Netzneutralität umfasst beide Arten von Neutralität, unzulässig sind sowohl Verstöße gegen die Anforderungen der Anbieter- als auch der Dienstneutralität. Dies läuft auf ein uneingeschränktes best-effort-Prinzip hinaus, in dem weder nach Empfänger und Sender, noch nach Inhalt und Dienstkategorie, noch nach unterschiedlichen Prioritätsklassen unterschieden werden darf.
Der Fokus der Anbieterneutralität liegt dabei auf kartellpolitischen Erwägungen. Sie ist von der gleichen Sorge getrieben, die auch hinter kartellrechtlichen Bestimmungen steht. Die Hauptsorge ist hier die Benachteiligung und Verdrängung kleiner, eventuell innovativer Anbieter durch wettbewerbswidriges erwerben exklusiver Zugänge zu den Kunden. Wettbewerbswidrig wäre dieses Verhalten deshalb, weil der Kunde von Seiten großer Marktteilnehmer nicht durch bessere Leistung, niedrigere Preise oder ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis gewonnen oder gehalten werden soll, sondern durch ein Abschotten des Kunden von alternativen Angeboten, die vom Kunden ferngehalten werden und ihm nicht zur Auswahl stehen.
Tim Berners Lee, der Erfinder des Web, brachte es in "Neutrality of the Net" gut auf den Punkt:
Die Sorge geht hier aber noch weiter. Auch wenn jedem Anbieter der Zugang formal zu den gleichen Konditionen zugänglich ist, könnte sich ein finanzstarkes Unternehmen mit einer höheren Prioritätsklasse, die sich ein kleines Unternehmen nicht leisten kann, große Vorteile erkaufen, mit denen kleine Unternehmen nicht mithalten können. Auch dies sei aus kartellpolitischen Erwägungen abzulehnen, weshalb alle Daten der gleichen Art, unabhängig vom Anbieter, gleich behandelt werden müssten. Es geht hier also auch um einen allgemeinen Schutz der Schwachen, die sonst keine Chance hätten, gegen die Starken, auch wenn kein wettbewerbswidriges Verhalten im eigentlichen Sinne vorliegt.
Da aber für bestimmt Dienste eine höhere Qualität nötig seien kann, wäre die unterschiedliche Behandlung verschiedener Dienstarten bei reiner Anbieterneutralität durchaus zulässig. Aber wer befindet darüber, welche Dienstklassen bevorzugt übermittelt werden? Wer legt die Reihenfolge der Prioritäten fest? Die Betreiber der Infrastruktur? Oder der Staat in Form einer seiner Regulierungsbehörden?
In jedem Fall liefe es darauf hinaus eine für alle Kunden der Netzbetreibers verbindlichen Entscheidung zu treffen, welche Dienstklassen eine höhere Priorität wert sind. Diese Präferenz könnte weder vom Provider und erst recht nicht von einer Behörde auf Grund unmittelbarer Preissignale festgelegt werden. Ein neuer Service mit kleinem Kundenstamm hätte daher auch bei einträglichen Geschäften kaum eine Chance erfolgreich für eine Priorisierung seines neuen Service zu werben, wozu ein enormer Durck einer breiten Basis der potentiellen Kunden der Netzbetreibers erforderlich wäre, denn ohne unmittelbare Preissignale sind solche Entscheidungen schwerfällig. Weil immer nur ganze Branchen priorisiert werden dürften, steht eine bevorzugte Behandlung nur populären Dienstklassen offen. Was aber, wenn einem Kunden des Nischendienstes mit exotischem Service die Priorisierung Geld wert ist? Soll es ihm Verboten sein, wenn er bereit ist für eine Übertragungsqualität wie bei VoIP zu zahlen? Schließlich stehen einem bei der Post ja auch verschiedene Zustellungsvarianten in verscheidenen Preisklassen mit unterschiedlicher Dringlichkeit zu Verfügung. Vor allem sind hier schnellere Zustellungen gegen Aufpreis nicht verboten.
An diesen Überlegungen orientiert sich die Dienstneutralität, in deren Richtung auch die Definition der Netzneutralität des oben bereits zitierten Tim Berners Lee geht. Auch hier liegen kartellpolitischen Erwägungen zu Grunde:
Auch hier müssen die Angebote der Netzbetreiber allen Interessierten zu vergleichbaren Konditionen angeboten werden, ein exklusiver Zugang oder eine exklusiv einem Anbieter zugesicherte Qualität wäre auch hier nicht zulässig. Allerdings dürften für unterschiedliche Preise unterschiedliche Prioritäten angeboten und erworben werden, solange sie jedem Interessierten zu gleichen Konditionen offen stehen. Der Fokus liegt daneben jedoch mehr auf der Beschränkung der Entscheidungskompetenz der Provider, die Wichtigkeit unterschiedlicher Dienstleistungen allgemein verbindlich festzulegen oder über die Zukunft bestimmter Übertragungsprotokolle zu bestimmen, solange sie auf einem aktuellen IP-Protokoll als Grundlage aufsetzen können. Ob über die für Audio-Übertragung optimierte Datenverbindung etwas gänzlich anderes Übertragen wird, das hat den Anbieter dabei nicht zu interessieren.
Die vollständige Netzneutralität spricht zum einen alle oben genannten Sorgen an, wegen denen regulatorisches Eingreifen gefordert wird, da sowohl eine Ungleichbehandlung nach Dienstklasse, als auch unterschiedliche Prioritätsstufen gegen unterscheidliches Entgelt grundsätzlich unzulässig wären und alle Angebote allen zu gleichen Konditionen angeboten werden müssen. Auf der anderen Seite beseitigt sie jeden Rest von Flexibilität bei der Zuteilung knapper Ressourcen, den die reine Anbieter- oder Dienstneutralität noch ließen.
Die Kapazitäten sind aber bestimmt auch aus Sicht vieler Internetnutzer sinnvoller eingesetzt, wenn ein Film flüssig läuft, auch wenn das Laden einer statischen Website dafür den Bruchteil einer Sekunde länger braucht.
Wie so häufig in der Politik handelt es sich also um eine Abwägung unterschiedlicher Ziele, deren gleichzeitige Umsetzung sich gegenseitig behindern würde. Je nach Präferenz und Eigeninteresse fällt die Abwägung unterschiedlich aus.
Google CEO Eric Schmidt vertritt scheinbar die Definition der Netzneutralität als Anbieterneutralität:
Auch viele Provider scheinen in ihren öffentlichen Bekundungen die Anbieterneutralität bevorzugt anzuvisieren.
Das Problem mit dieser Art der Netzneutralität, die Diskriminierung nach der Dienstklasse zulassen würde, ist die Notwendigkeit den Inhalt des Datenverkehrs standardmäßig zu analysieren. Deep Packet Inspection wäre für dieser Art der Datentarife unausweichlich notwendig.
Was ich bis heute nicht verstanden habe ist, warum Vertreter der Netzaktivisten immer wieder betonen, die Antworten auf alle für die Netzpolitik relevanten Fragen seien klar, nur um sich danach selber zu widersprechen und aufzuzeigen, dass eben doch nicht alles so eindeutig und einfach ist, wie zuvor suggeriert. So auch in dem zitierten Artikel, in dem ein Vergleich bisher bestehender Gesetze zur Netzneutralität in Chile, den Niederlanden und Slowenien eben doch deutliche und darunter auch bedeutende Unterschiede aufweist, während ausgerechnet eine Gemeinsamkeit aller bisherigen gesetzlichen Definitionen der Netzneutralität, die Beschränkung auf legale Inhalte, dem Autor nicht gefällt.
Was bedeutet nun also Netzneutralität? Die verwendeten Definitionen sind unterschiedlich und hängen von der Interessenlage der einzelnen Aktuere ab. In allen Fällen ist jedoch das Verständnis vom best-effort-Prinzip als Kernkonzept des Internets abhängig. Nach dem best-effort-Prinzip müssen alle Datenpakete, auf die es sich erstreckt, gleich behandelt werden, was in der Regel auf das first-in-first-out-Prinzip hinausläuft: Ein Datenpaket, das als erstes an einer Zwischenstation im Internet, beispielsweise einem Router, ankommt, wird auch als erstes weitergeleitet. Entsprechend werden auch alle weiteren Datenpakete in der Reihenfolge ihres Eintreffens verarbeitet und weitergeleitet.
Klingt erst einmal klar und eindeutig. Wo ist das Problem? Das ergibt sich bei der Frage, in welchen Fällen das best-effort-Prinzip greifen soll, denn selbst der stärkste Verfechter der Netzneutralität wird Ausnahmen vom best-effort-Prinzip anerkennen, die keinen Verstoß gegen die Netzneutralität darstellen würden.
So erkennt zum Beispiel nahezu jeder an, zum Erhalt der Netzstabilität notwendige Einschränkungen seien keine Verletzung der Netzneutralität und auch Datenverkehr, der notwendig ist, damit das Netz überhaupt funktioniert und praktikabel genutzt werden kann, zum Beispiel zur Verwaltung des Netzes, wird als Ausnahme allgemein akzeptiert.
Und es ist sicherlich auch aus Sicht vieler Internetnutzer sinnvoll die schnellere Zustellung dringlichen Datenverkehrs gegenüber weniger dringenden Paketen sicherzustellen. Die Frage ist, wer über die Dringlichkeit befinden soll und welches Missbrauchspotential für wettbewerbswidriges Verhalten, Machtmissbrauch und wirtschaftlich, politisch, ideologisch oder schlicht durch Verstocktheit motivierte Blockaden gegen neue Anwendungen und Protokolle damit einhergeht.
Da nicht alle ihr Augenmerk auf den gleichen Schwerpunkt legen und die gleichen Probleme sehen oder zu erkennen meinen, zu deren Lösung die Netzneutralität beitragen soll, gibt es hier ganz unterschiedliche Erwartungen, die sich im wesentlichen in drei Ausrichtungen in der Definition der Netzneutralität niederschlagen und von mir im folgenden der Einfachkeithalber als Anbieterneutralität, Dienstneutralität und Paketneutralität bezeichnet werden. Die unterschiedlichen Konzeptionen sind zwar nicht neu, die Bezeichnungen stammen jedoch von mir.
1. Anbieterneutralität: Hier wird Netzneutralität nur innerhalb einer Dienstklasse betrachtet, innerhalb der das best-effort-Prinzip gelten muss. Ein Netzbetreiber dürfte beispielsweise Video-Streams gegenüber anderem Datenverkehr bevorzugt behandeln, innerhalb einer solche Kategorie muss die Datenübertragung jedoch unabhängig von den konkreten Kommunikationspartnern, sowohl Sender als auch Empfänger, erfolgen und eine höhere Prioritäts- oder Qualitätsklasse innerhalb einer Kategorie kann nicht erworben werden. Damit kann kein Inhalteanbieter gegenüber einem anderen Anbieter in der selben Kategorie eine Bevorzugung erwerben, unabhängig davon, wie viel Geld er bereit oder in der Lage ist dafür auszugeben.
2. Dienstneutralität: Der Netzbetreiber darf nicht nach der Art und dem Inhalt der übertragenen Daten, insbesondere auch nicht nach der Dienstklasse unterscheiden. Jedes Paket muss unabhängig vom Inhalt und dem konkreten Dienst übertragen werden. Eine Priorisierung von beispielsweise Musik-Streams gegenüber Video-Streams, die wiederum gegenüber Online-Spielen, welche wiederum gegenüber dem Rest bevorzugt werden, ist nicht zulässig. Allerdings wären unterschiedliche Qualitäts- und Priorisierungsstufen zulässig, sofern jedem die Übertragung mit jeder Qualitäts- und Priorisierungsklasse
- unabhängig vom Inhalt und Art der zu übertragenen Daten,
- für jeden potentiellen Kunden und
- unabhängig vom konkreten Empfänger oder Sender innerhalb der selben Klasse
3. vollständige Netzneutralität/absolute Netzneutralität/Paketneutralität: Diese Art von Netzneutralität umfasst beide Arten von Neutralität, unzulässig sind sowohl Verstöße gegen die Anforderungen der Anbieter- als auch der Dienstneutralität. Dies läuft auf ein uneingeschränktes best-effort-Prinzip hinaus, in dem weder nach Empfänger und Sender, noch nach Inhalt und Dienstkategorie, noch nach unterschiedlichen Prioritätsklassen unterschieden werden darf.
Der Fokus der Anbieterneutralität liegt dabei auf kartellpolitischen Erwägungen. Sie ist von der gleichen Sorge getrieben, die auch hinter kartellrechtlichen Bestimmungen steht. Die Hauptsorge ist hier die Benachteiligung und Verdrängung kleiner, eventuell innovativer Anbieter durch wettbewerbswidriges erwerben exklusiver Zugänge zu den Kunden. Wettbewerbswidrig wäre dieses Verhalten deshalb, weil der Kunde von Seiten großer Marktteilnehmer nicht durch bessere Leistung, niedrigere Preise oder ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis gewonnen oder gehalten werden soll, sondern durch ein Abschotten des Kunden von alternativen Angeboten, die vom Kunden ferngehalten werden und ihm nicht zur Auswahl stehen.
Tim Berners Lee, der Erfinder des Web, brachte es in "Neutrality of the Net" gut auf den Punkt:
[W]e each pay to connect to the Net, but no one can pay for exclusive access to me.
Die Sorge geht hier aber noch weiter. Auch wenn jedem Anbieter der Zugang formal zu den gleichen Konditionen zugänglich ist, könnte sich ein finanzstarkes Unternehmen mit einer höheren Prioritätsklasse, die sich ein kleines Unternehmen nicht leisten kann, große Vorteile erkaufen, mit denen kleine Unternehmen nicht mithalten können. Auch dies sei aus kartellpolitischen Erwägungen abzulehnen, weshalb alle Daten der gleichen Art, unabhängig vom Anbieter, gleich behandelt werden müssten. Es geht hier also auch um einen allgemeinen Schutz der Schwachen, die sonst keine Chance hätten, gegen die Starken, auch wenn kein wettbewerbswidriges Verhalten im eigentlichen Sinne vorliegt.
Da aber für bestimmt Dienste eine höhere Qualität nötig seien kann, wäre die unterschiedliche Behandlung verschiedener Dienstarten bei reiner Anbieterneutralität durchaus zulässig. Aber wer befindet darüber, welche Dienstklassen bevorzugt übermittelt werden? Wer legt die Reihenfolge der Prioritäten fest? Die Betreiber der Infrastruktur? Oder der Staat in Form einer seiner Regulierungsbehörden?
In jedem Fall liefe es darauf hinaus eine für alle Kunden der Netzbetreibers verbindlichen Entscheidung zu treffen, welche Dienstklassen eine höhere Priorität wert sind. Diese Präferenz könnte weder vom Provider und erst recht nicht von einer Behörde auf Grund unmittelbarer Preissignale festgelegt werden. Ein neuer Service mit kleinem Kundenstamm hätte daher auch bei einträglichen Geschäften kaum eine Chance erfolgreich für eine Priorisierung seines neuen Service zu werben, wozu ein enormer Durck einer breiten Basis der potentiellen Kunden der Netzbetreibers erforderlich wäre, denn ohne unmittelbare Preissignale sind solche Entscheidungen schwerfällig. Weil immer nur ganze Branchen priorisiert werden dürften, steht eine bevorzugte Behandlung nur populären Dienstklassen offen. Was aber, wenn einem Kunden des Nischendienstes mit exotischem Service die Priorisierung Geld wert ist? Soll es ihm Verboten sein, wenn er bereit ist für eine Übertragungsqualität wie bei VoIP zu zahlen? Schließlich stehen einem bei der Post ja auch verschiedene Zustellungsvarianten in verscheidenen Preisklassen mit unterschiedlicher Dringlichkeit zu Verfügung. Vor allem sind hier schnellere Zustellungen gegen Aufpreis nicht verboten.
An diesen Überlegungen orientiert sich die Dienstneutralität, in deren Richtung auch die Definition der Netzneutralität des oben bereits zitierten Tim Berners Lee geht. Auch hier liegen kartellpolitischen Erwägungen zu Grunde:
It is of the utmost importance that, if I connect to the Internet, and you connect to the Internet, that we can then run any Internet application we want, without discrimination as to who we are or what we are doing. We pay for connection to the Net as though it were a cloud which magically delivers our packets. We may pay for a higher or a lower quality of service. We may pay for a service which has the characteristics of being good for video, or quality audio. But we each pay to connect to the Net, but no one can pay for exclusive access to me.
Auch hier müssen die Angebote der Netzbetreiber allen Interessierten zu vergleichbaren Konditionen angeboten werden, ein exklusiver Zugang oder eine exklusiv einem Anbieter zugesicherte Qualität wäre auch hier nicht zulässig. Allerdings dürften für unterschiedliche Preise unterschiedliche Prioritäten angeboten und erworben werden, solange sie jedem Interessierten zu gleichen Konditionen offen stehen. Der Fokus liegt daneben jedoch mehr auf der Beschränkung der Entscheidungskompetenz der Provider, die Wichtigkeit unterschiedlicher Dienstleistungen allgemein verbindlich festzulegen oder über die Zukunft bestimmter Übertragungsprotokolle zu bestimmen, solange sie auf einem aktuellen IP-Protokoll als Grundlage aufsetzen können. Ob über die für Audio-Übertragung optimierte Datenverbindung etwas gänzlich anderes Übertragen wird, das hat den Anbieter dabei nicht zu interessieren.
Die vollständige Netzneutralität spricht zum einen alle oben genannten Sorgen an, wegen denen regulatorisches Eingreifen gefordert wird, da sowohl eine Ungleichbehandlung nach Dienstklasse, als auch unterschiedliche Prioritätsstufen gegen unterscheidliches Entgelt grundsätzlich unzulässig wären und alle Angebote allen zu gleichen Konditionen angeboten werden müssen. Auf der anderen Seite beseitigt sie jeden Rest von Flexibilität bei der Zuteilung knapper Ressourcen, den die reine Anbieter- oder Dienstneutralität noch ließen.
Die Kapazitäten sind aber bestimmt auch aus Sicht vieler Internetnutzer sinnvoller eingesetzt, wenn ein Film flüssig läuft, auch wenn das Laden einer statischen Website dafür den Bruchteil einer Sekunde länger braucht.
Wie so häufig in der Politik handelt es sich also um eine Abwägung unterschiedlicher Ziele, deren gleichzeitige Umsetzung sich gegenseitig behindern würde. Je nach Präferenz und Eigeninteresse fällt die Abwägung unterschiedlich aus.
Google CEO Eric Schmidt vertritt scheinbar die Definition der Netzneutralität als Anbieterneutralität:
I want to be clear what we mean by Net neutrality: What we mean is if you have one data type like video, you don't discriminate against one person's video in favor of another. But it's okay to discriminate across different types, so you could prioritize voice over video, and there is general agreement with Verizon and Google on that issue.
Auch viele Provider scheinen in ihren öffentlichen Bekundungen die Anbieterneutralität bevorzugt anzuvisieren.
Das Problem mit dieser Art der Netzneutralität, die Diskriminierung nach der Dienstklasse zulassen würde, ist die Notwendigkeit den Inhalt des Datenverkehrs standardmäßig zu analysieren. Deep Packet Inspection wäre für dieser Art der Datentarife unausweichlich notwendig.
Die Telekom erweckte auf mich zuerst den Eindruck, als ziehe auch sie die Anbieterneutralität vor, dann als bevorzuge sie die Dienstneutralität als Definition, inzwischen als hätte sie gerne den Spielraum beider Varianten, also gar keine Netzneutralität.
Deutschsprachige Netzaktivisten, die eine Notwendigkeit von Netzmanagement für beispielsweise VoIP oder Audio- und Video-Streams anerkennen, fordern Anbieterneutralität unter der Voraussetzung eines Verbotes von Zusatzkosten für die Übermittlung priorisierter Datentypen. Deutschsprachige Netzaktivisten, die den Netzbetreiber wegen der Befürchtung misstrauen, sie würden ihre Priorisierungsentscheidung zu sehr am Mainstream, also den Bedürfnissen der Durchschnittskunden, ausrichten, fordern absolute Netzneutralität.
Netzaktivisten, die keine grundsätzlichen Probleme mit einer marktwirtschaftlichen Zuteilung knapper Ressourcen über Preise haben – im deutschsprachigen Netz so gut wie nicht vorhanden, doch unter amerikanischen Netzaktivisten durchaus vertreten –, das Bedürfnis nach unterschiedlichen Übertragungsqualitäten für unterschiedliche Anwendungen anerkennen, aber keine Überprüfung des Inhaltes oder Diskriminierung nach Datentypen durch die Netzbetreiber wünschen, da sie das Missbrauchspotential als zu hoch einschätzen, definieren Netzneutralität als Dienstneutralität. Dies entspräche auch weitestgehend dem bekannten Vorbild der klassischen Post.
IEEE 802.11e, ein Industriestandard zur Ergänzung des W-LAN-Standards IEEE 802.11, sieht eine Unterteilung in 4 Klassen vor, die access categories genannt werden:
Dabei erhält Voice die höchste Priorisierung, noch vor Video. Die Standardklasse ist Best Effort, die gegenüber Background priorisiert wird, einer Klasse für nicht dringlichen Datenverkehr von großem Volumen, der übermittelt werden soll, wenn die Verbindung nicht durch anderweitige Nutzung ausgelastet ist.
Das klingt erst einmal vernünftig, ist aber nur ein Standard für lokale W-LAN-Netze, um knappe Funkressourcen sinnvoll auszunutzen. Jeder W-LAN-Betreiber kann selbstständig entscheiden, ob er er für sein lokales Netz diesen oder einen anderen QoS-Standard nutzen will. Er kann den von ihm verwendeten Standard jederzeit flexibel seinen Bedürfnissen anpassen, einen anderen wählen oder frei seine eigenen Regeln erfinden und lokal implementieren. Die wahrheitsgetreue Klassifizierung von Datenpaketen ist sein Problem. Keine Forderung nach Netzneutralität würde Betreibern interner, nicht-öffentlicher Netze wie firmen-, uni- oder haushaltsinternen LANs Vorschriften machen. Bei öffentlichen Netzen würde sich die Frage stellen, wie eine wahrheitsgetreue Klassifizierung ohne Deep Packet Inspection sichergestellt werden kann. Auch wäre eine gesetzliche Verankerung dieser Aufteilung unflexibel: Was mit zukünftigen Bedürfnissen nach QoS-Managment geschieht, hängt dann vom Gesetzgeber ab.
In welche Richtung die Entwicklung geht, lässt sich letztendlich nur schwer Abschätzen. Die EU plant in einem aktuellen Vorschlag für eine Reform der für Telekommunikation relevanten Direktiven (im deutschen etwas ungenau als "Richtlinien" übersetzt) offenbar die nahezu uneingeschränkte Vertrags- und Gestaltungsfreiheit für Netzbetreiber, solange nur der Zugang zu vollständig netzneutraler Vermittlung als Internetanschluss bezeichnet wird und diese mindestens in ihrer jetzigen Qualität und Umfang nicht beeinträchtigt wird (siehe Artikel 23 dieses Entwurfes).
Vielen Befürwortern einer gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität ist dies natürlich nicht genug. Im Gegenteil würde, so die Befürchtung, eine solche EU-Direktive möglicherweise den Mitgliedsstaaten die eigenständige, gesetzliche Verankerung der Netzneutralität unmöglich machen.
Das mit einer konkreten Regelung nicht alle Interessegruppen gleichzeitig zufrieden gestellt werden können ist in der Politik nichts ungewöhnlich, aber es wird wohl auch keine Lösung allen legitimen Anforderungen und Gesichtspunkten im Interesse der Allgemeinheit optimal gerecht werden können. Am Ende bleibt es eine politische Abwägung, auf die auch dieser Artikel sinnvollerweise keine abschließende Lösung präsentieren kann. Er kann nur einen einführenden Überblick in die schwierige Lage als einen Konflikt zwischen verschiedenen Zielen, die in unser aller Interesse liegen, liefern und so den Fokus von der Sichtweise der nur untereinander in Konflikt stehenden Interessengruppen (mit in sich selbst widerspruchsfreien und kompromisslos zu verwirklichenden Zielen) versuchen wegzunehmen, in der Hoffnung so eine sachliche Debatte ohne Lagerdenken anzuregen. Doch auch wenn die meisten Aspekte im Interesse nahezu jeden Internetnutzers stehen, so setzt doch jeder aus seinen subjektiven Erfahrungen und Wertemaßstäben andere Schwerpunkte und ist von unterschiedlichen Befürchtungen getrieben.
Mich persönlich beschäftigt die Sorge nach einer zentralistischen Festlegung der Wichtigkeit bestimmten Datenverkehrs, sei es durch eine Behörde oder ein marktstarkes oder marktbeherrschendes Unternehmen, sei es im Endkundenbereich, sei es bei den Backbone-Netzen. Gleichzeitig sehe ich das Bedürfnis nach einer Zuteilung knapper Kapazitäten zur Sicherstellung bestimmter Qualitätsansprüche für bestimmte Anwendungen, die andere Anwendungen nicht haben und an die jene Kapazitäten deshalb verschwendet wären. Die von Verfechtern absoluter Netzneutralität vorgeschlagene Lösung einfach immer, egal was an Ansprüchen kommt, das Netz bis zum kleinsten Kaff für Unsummen soweit auszubauen, dass allzeit gigantische Überkapazitäten vorhanden sind, erscheint nicht unbedingt ökonomisch sinnvoll.
Ich tendiere daher eher zu einer gesetzlichen Verankerung der Dienstneutralität, unter der Voraussetzung niedrige Prioritätsklassen - wenn möglich - mit den gleichen Ressourcen und Methoden möglichst schnell ans Ziel zu bringen wie hohe Prioritätsklassen, sofern die Kapazitäten sonst frei und ungenutzt wären. Das Paket der höheren Prioritätsklasse hätte lediglich Vorrang vor einer Warteschlange niedriger priorisierter Pakete. Solange aber kein vorrangiges Paket die Ressourcen beansprucht, muss die volle Kapazität den anderen Datenströmen zugute kommen. Eine künstliche Verknappung unter die installierten Kapazitäten sollte so nicht möglich sein. Allerdings müsste für VoIP und (Bild-)Telefonie eine Ausnahme gemacht und eine gesonderte Dienst-Prioritätsklasse zugelassen werden, um die gewohnte Grundversorgung mit Telefonverbindungen in heutiger Qualität sicherstellen zu können. Dies ist auch notwendig, um priorisierte Telefongespräche, wie beispielsweise Notrufe, zu ermöglichen. Ein Stichprobenartiges Deep Packet Inspection, um Missbrauch dieser Dienst-Prioritätsklasse aufzudecken, ließe sich dann nicht vermeiden. In anderen Prioritätsklassen wäre DPI aber nicht notwendig, da es auf den Inhalt nicht ankäme und alle Dienstkategorien zulässig wären (selbstverständlich auch VoIP und Telefonie).
Es würde nicht alle Sorgen zufrieden stellen. Aber die Dienstneutralität erscheint mir die einzige Alternative zum Verzicht auf Netzneutralität, ohne breitflächig auf Deep Packet Inspection zurückgreifen oder auf geschickte Ressourcennutzung verzichten zu müssen. Optimal wäre der Vorschlag nicht.
Meine eigenen Gedanken über mögliche abwägende Kompromisse und zwangsläufig unbefriedigenden Lösungen können daher auch nur ein Beitrag zu einer fortlaufenden Diskussion sein. In diesem Sinne lade ich alle interessierten Leser zur Diskussion in Zettels kleinem Zimmer ein.
Deutschsprachige Netzaktivisten, die eine Notwendigkeit von Netzmanagement für beispielsweise VoIP oder Audio- und Video-Streams anerkennen, fordern Anbieterneutralität unter der Voraussetzung eines Verbotes von Zusatzkosten für die Übermittlung priorisierter Datentypen. Deutschsprachige Netzaktivisten, die den Netzbetreiber wegen der Befürchtung misstrauen, sie würden ihre Priorisierungsentscheidung zu sehr am Mainstream, also den Bedürfnissen der Durchschnittskunden, ausrichten, fordern absolute Netzneutralität.
Netzaktivisten, die keine grundsätzlichen Probleme mit einer marktwirtschaftlichen Zuteilung knapper Ressourcen über Preise haben – im deutschsprachigen Netz so gut wie nicht vorhanden, doch unter amerikanischen Netzaktivisten durchaus vertreten –, das Bedürfnis nach unterschiedlichen Übertragungsqualitäten für unterschiedliche Anwendungen anerkennen, aber keine Überprüfung des Inhaltes oder Diskriminierung nach Datentypen durch die Netzbetreiber wünschen, da sie das Missbrauchspotential als zu hoch einschätzen, definieren Netzneutralität als Dienstneutralität. Dies entspräche auch weitestgehend dem bekannten Vorbild der klassischen Post.
IEEE 802.11e, ein Industriestandard zur Ergänzung des W-LAN-Standards IEEE 802.11, sieht eine Unterteilung in 4 Klassen vor, die access categories genannt werden:
Backgroun | ||
Best Effort | ||
Video | ||
Voice |
Dabei erhält Voice die höchste Priorisierung, noch vor Video. Die Standardklasse ist Best Effort, die gegenüber Background priorisiert wird, einer Klasse für nicht dringlichen Datenverkehr von großem Volumen, der übermittelt werden soll, wenn die Verbindung nicht durch anderweitige Nutzung ausgelastet ist.
Das klingt erst einmal vernünftig, ist aber nur ein Standard für lokale W-LAN-Netze, um knappe Funkressourcen sinnvoll auszunutzen. Jeder W-LAN-Betreiber kann selbstständig entscheiden, ob er er für sein lokales Netz diesen oder einen anderen QoS-Standard nutzen will. Er kann den von ihm verwendeten Standard jederzeit flexibel seinen Bedürfnissen anpassen, einen anderen wählen oder frei seine eigenen Regeln erfinden und lokal implementieren. Die wahrheitsgetreue Klassifizierung von Datenpaketen ist sein Problem. Keine Forderung nach Netzneutralität würde Betreibern interner, nicht-öffentlicher Netze wie firmen-, uni- oder haushaltsinternen LANs Vorschriften machen. Bei öffentlichen Netzen würde sich die Frage stellen, wie eine wahrheitsgetreue Klassifizierung ohne Deep Packet Inspection sichergestellt werden kann. Auch wäre eine gesetzliche Verankerung dieser Aufteilung unflexibel: Was mit zukünftigen Bedürfnissen nach QoS-Managment geschieht, hängt dann vom Gesetzgeber ab.
In welche Richtung die Entwicklung geht, lässt sich letztendlich nur schwer Abschätzen. Die EU plant in einem aktuellen Vorschlag für eine Reform der für Telekommunikation relevanten Direktiven (im deutschen etwas ungenau als "Richtlinien" übersetzt) offenbar die nahezu uneingeschränkte Vertrags- und Gestaltungsfreiheit für Netzbetreiber, solange nur der Zugang zu vollständig netzneutraler Vermittlung als Internetanschluss bezeichnet wird und diese mindestens in ihrer jetzigen Qualität und Umfang nicht beeinträchtigt wird (siehe Artikel 23 dieses Entwurfes).
Vielen Befürwortern einer gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität ist dies natürlich nicht genug. Im Gegenteil würde, so die Befürchtung, eine solche EU-Direktive möglicherweise den Mitgliedsstaaten die eigenständige, gesetzliche Verankerung der Netzneutralität unmöglich machen.
Das mit einer konkreten Regelung nicht alle Interessegruppen gleichzeitig zufrieden gestellt werden können ist in der Politik nichts ungewöhnlich, aber es wird wohl auch keine Lösung allen legitimen Anforderungen und Gesichtspunkten im Interesse der Allgemeinheit optimal gerecht werden können. Am Ende bleibt es eine politische Abwägung, auf die auch dieser Artikel sinnvollerweise keine abschließende Lösung präsentieren kann. Er kann nur einen einführenden Überblick in die schwierige Lage als einen Konflikt zwischen verschiedenen Zielen, die in unser aller Interesse liegen, liefern und so den Fokus von der Sichtweise der nur untereinander in Konflikt stehenden Interessengruppen (mit in sich selbst widerspruchsfreien und kompromisslos zu verwirklichenden Zielen) versuchen wegzunehmen, in der Hoffnung so eine sachliche Debatte ohne Lagerdenken anzuregen. Doch auch wenn die meisten Aspekte im Interesse nahezu jeden Internetnutzers stehen, so setzt doch jeder aus seinen subjektiven Erfahrungen und Wertemaßstäben andere Schwerpunkte und ist von unterschiedlichen Befürchtungen getrieben.
Mich persönlich beschäftigt die Sorge nach einer zentralistischen Festlegung der Wichtigkeit bestimmten Datenverkehrs, sei es durch eine Behörde oder ein marktstarkes oder marktbeherrschendes Unternehmen, sei es im Endkundenbereich, sei es bei den Backbone-Netzen. Gleichzeitig sehe ich das Bedürfnis nach einer Zuteilung knapper Kapazitäten zur Sicherstellung bestimmter Qualitätsansprüche für bestimmte Anwendungen, die andere Anwendungen nicht haben und an die jene Kapazitäten deshalb verschwendet wären. Die von Verfechtern absoluter Netzneutralität vorgeschlagene Lösung einfach immer, egal was an Ansprüchen kommt, das Netz bis zum kleinsten Kaff für Unsummen soweit auszubauen, dass allzeit gigantische Überkapazitäten vorhanden sind, erscheint nicht unbedingt ökonomisch sinnvoll.
Ich tendiere daher eher zu einer gesetzlichen Verankerung der Dienstneutralität, unter der Voraussetzung niedrige Prioritätsklassen - wenn möglich - mit den gleichen Ressourcen und Methoden möglichst schnell ans Ziel zu bringen wie hohe Prioritätsklassen, sofern die Kapazitäten sonst frei und ungenutzt wären. Das Paket der höheren Prioritätsklasse hätte lediglich Vorrang vor einer Warteschlange niedriger priorisierter Pakete. Solange aber kein vorrangiges Paket die Ressourcen beansprucht, muss die volle Kapazität den anderen Datenströmen zugute kommen. Eine künstliche Verknappung unter die installierten Kapazitäten sollte so nicht möglich sein. Allerdings müsste für VoIP und (Bild-)Telefonie eine Ausnahme gemacht und eine gesonderte Dienst-Prioritätsklasse zugelassen werden, um die gewohnte Grundversorgung mit Telefonverbindungen in heutiger Qualität sicherstellen zu können. Dies ist auch notwendig, um priorisierte Telefongespräche, wie beispielsweise Notrufe, zu ermöglichen. Ein Stichprobenartiges Deep Packet Inspection, um Missbrauch dieser Dienst-Prioritätsklasse aufzudecken, ließe sich dann nicht vermeiden. In anderen Prioritätsklassen wäre DPI aber nicht notwendig, da es auf den Inhalt nicht ankäme und alle Dienstkategorien zulässig wären (selbstverständlich auch VoIP und Telefonie).
Es würde nicht alle Sorgen zufrieden stellen. Aber die Dienstneutralität erscheint mir die einzige Alternative zum Verzicht auf Netzneutralität, ohne breitflächig auf Deep Packet Inspection zurückgreifen oder auf geschickte Ressourcennutzung verzichten zu müssen. Optimal wäre der Vorschlag nicht.
Meine eigenen Gedanken über mögliche abwägende Kompromisse und zwangsläufig unbefriedigenden Lösungen können daher auch nur ein Beitrag zu einer fortlaufenden Diskussion sein. In diesem Sinne lade ich alle interessierten Leser zur Diskussion in Zettels kleinem Zimmer ein.
Techniknörgler
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