23. Mai 2013

Die Mordtat von London und die plötzliche Vorsicht der Medien bei der Verwendung des Begriffes "Terrorismus"

Gestern gegen 14.20 Uhr wurde im Stadtteil Woolwich im Osten Londons, 400 Meter von der Kaserne "Royal Artillery barracks" entfernt, ein britischer Soldat auf offener Straße brutal ermordet. Hierbei riefen die beiden Täter nach übereinstimmenden Medienberichten "Alahu Akbar" (Allah ist groß). Unmittelbar nach der Tat forderte einer der beiden Täter Passanten auf, dies auf Video zu dokumentieren. In diesem, gleichsam Bekennervideo, äußerte sich der Täter, noch das blutverschmierte Beil in der Hand:
I apologize that women had to witness this today. But in our land women have to see the same. You people will never be safe! Remove your governments, they don´t care about you!
Ich bedaure, daß Frauen dies heute mit ansehen mußten. Aber in unserem Land müssen Frauen dasselbe sehen. Ihr werdet niemals sicher sein! Stürzt eure Regierungen, sie scheren sich nicht um euch!
Die jeglicher reaktionärer politischer Tendenzen gänzlich unverdächtige deutsche Wikipedia definiert "Terrorismus" folgendermaßen:
Unter Terrorismus (lat. terror „Furcht, Schrecken“) sind Gewalt und Gewaltaktionen (wie z. B. Entführungen, Attentate, Sprengstoffanschläge etc.) gegen eine politische Ordnung zu verstehen, um einen politischen Wandel herbeizuführen. Der Terror dient als Druckmittel und soll vor allem Unsicherheit und Schrecken verbreiten oder Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzeugen. Terrorismus ist keine militärische Strategie, sondern primär eine Kommunikationsstrategie. Terroristen streben zwar nach Veränderungen der bestehenden Ordnung, doch greifen sie nicht militärisch nach Raum (wie z. B. der Guerillero), sondern wollen das Denken besetzen und dadurch Veränderungsprozesse erzwingen. 
Vor diesem Hintergrund scheint die erkennbare Zurückhaltung der deutschen Medien, anläßlich dieses Anschlages offen von "Terror" zu sprechen, doch auffällig. So titelt Spiegel online lediglich einen Soldatenmord, der nur möglicherweise ein Terrorakt sei. Auch SZ-Online spricht in der Überschrift des entsprechenden Artikels lediglich von einer "Bluttat" und "Soldatenmord".

Ebenfalls begrifflich distanzierend berichtet die "Zeit", daß die "Tötung eines jungen Mannes" (lediglich, soll man wohl denken?) vom britischen Premier Cameron als Terrorakt eingestuft würde. Auch die "Taz" spricht von "Mord" und "Hinrichtung". Einen gänzlich anderen Schwerpunkt setzt die Frankfurter Rundschau mit der Überschrift "Mord provoziert anti-islamistische Ausschreitungen". Schließlich sprechen auch die Tagesschau und die Bild lieber von brutalem Mord. Deutlicher in Richtung Terrorismus titeln dagegen die Welt und die Neue Osnabrücker Zeitung.

Zwar ist in den Berichten deutscher Medien jenseits der Überschriften von "Terror-Angst", insbesondere mit Blick auf das Champions league-Endspiel am Wochenende, die Rede und davon, daß die britische Regierung die Bluttat als Terroranschlag betrachte, aber der offensichtlich islamistisch-terroristische Hintergrund findet sich in Berichten und Kommentaren nur am Rande wieder. Dabei scheint dies doch das zentrale Moment, im Sinne der obigen Definition der Wikipedia, zu sein.

Hier wurde in der Tat "kommuniziert". Westlichen Gesellschaften wurde, wieder einmal, der Kampf angesagt. Schrecken soll verbreitet werden, wie immer wenn es sich um Terror handelt. Es geht den Terroristen dabei nicht um den oder die Ermordeten, seien es Einer oder 3000. Es geht darum, bei den nicht Getöteten Angst und Schrecken zu verbreiten und so politischen Einfluß zu gewinnen. Die Ziele sind hierbei evident: die globale Ausbreitung, des radikalen, politischen Islam sowie die offene Bekämpfung westlicher Werte und freiheitlich-demokratischer Gesellschaften. Wie viel Zurückhaltung in der Benutzung des Begriffes "Terror" ist hier angebracht?

Wie viel weniger zurückhaltend sind deutsche Medien dagegen mit den Begriffen "Terror" und "Terrorismus" in der Bewertung des mutmaßlichen rassistisch motivierten Serienmordes des NSU vorgegangen, obgleich, zumindest im Sinne obiger Definition, von einer deutlichen Überdehnung des Begriffes in diesem Fall wohl die Rede sein muß?

Aber, bitte, nicht schon wieder das Thema...
 

Andreas Döding


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