31. Dezember 2022

2022. Ein paar zerstreute Blicke in den Rückspiegel



Pilatus: Der kleine Chelm ist ein Widerporst!
Legionär: Wie bitte?
Pilatus: Ein Widerporst!
Legionär: Ja, natürlich.
Pilatus: Weißt du, solche Purchen scheinen hier unheimlich prutal vorzugehen – plutperaucht!
Legionär: Ja, ich glaube, geraucht hat er auch.
(„Das Leben des Brian“)

Nein, kein halbwegs gutsortierter Jahresrückblick. Zum einen habe ich mir dies in den vergangenen Jahren, seit ich zu diesem Netztagebuch Beitrage, immer verkniffen. Zum anderen werden in solchen Rückschauen in „richtigen“ Medien kurz die prägnanten Momente der letzten zwölf Monate aufgelistet, die Namen derer, die von der irdischen Bühne abgetreten sind, noch einmal aufgezählt, die „Filme des Jahres“ genannt: es sind punktuelle Ereignisse. Während es sich bei dem, was sich mir eingeprägt hat, um Prozesse handelt, um Entwicklungen, die über den zeitlichen Rahmen eines Jahres hinausgehen, und die für die anstehenden Jahre erhebliche Folgen haben werden – wenn sich auch noch nicht abzeichnet, in welchem Maß.

Es sollen eher leicht zerstreute Impressionen beim Blick in den Rückspiegel werden. Und es handelt sich um Bruchstücke aus höchst unterschiedlichen Ebenen. Auf der Netzseite „TV Tropes“, in der sich die Standardfiguren und dramatischen Situationen gesammelt finden, anhand sich die Menschheit ihre Geschichten erzählt, seit das Erzählen von Geschichten erfunden worden ist, findet sich die Kategorie „Murder, Arson and Jaywalking“ für allerlei Beispiele in Film und Literatur, bei denen nicht zuletzt zur Amüsierung des Publikums höchst triviale Dinge in eine Liste mit schwerwiegenden Themen gemischt werden. Und auch meine kleine Themenliste ist ein solches Beispiel für „Mord, Brandschatzen und Falschparken“ („jaywalking“ meint im Englischen das achtlose Überqueren einer Straße, ohne nach rechts oder links zu schauen), oder um beim Beispiel des Prian zu bleiben: "Staatsstreich, Meuchelmord und Kippen wegwerfen." Mir ist schon klar, daß sich die Neuordnung der Welt durch einen Krieg etwas von der Durchsicht der Neuzugänge auf meinen Bücherregalen unterscheidet. (Allerdings hält der Kleine Zyniker fest, daß sich die Reduzierung eines großen Teils der „zweitstärksten Armee“ der Welt an der Front im Osten der Ukraine auf ihren Schrottwert laut offizieller russischer Lesart achtlos weggeworfenen Zigarettenkippen verdankt.)

2022, die Fahrt geht weiter und die Lockführer machen mehr Dampf. Ein Gedankensplitter. In zwei Teilen.

Wenn man sich gegen Jahresende hinsetzt und ein bischen über das vergangene Jahr reflektiert, darüber nachdenkt was passiert ist und wohl daraus folgen wird, ist es meist nicht die schlechteste Idee sich erst einmal die Prophetie anzusehen, die man ein Jahr zuvor verbrochen hat und mal so eine kleine Strichliste zu machen, wie gut man gelegen hat. Wenn man sich den entsprechenden Artikel in Zettels Raum ansieht, so kommt man zu dem Ergebnis: Erstaunlich gut. Die Fahrt der Bundesrepubublik Deutschland ist zumindest nicht völlig erratisch, sie lässt sich teilweise, auch wenn die Richtung die falsche ist, durchaus ganz gut ableiten. Doch das Thema war ja 2022 und deshalb lassen Sie uns, verehrter Leser, zunächst einfach mal die wichtigsten Ereignisse des Jahres eruieren:

29. Dezember 2022

„The Witcher: Blood Origin” – Symbol einer neuen Religion. Ein Gastbeitrag von Frank2000





6-Złoty-Briefmarke der polnischen Post von 2016

Auf dem Streamingdienst Netflix läuft seit Weihnachten die neue Serie "The Witcher: Blood Origin,“ ein sogenanntes Prequel. Um die Aufregung über die neue Serie zu verstehen, muss man zunächst den Originalstoff "The Witcher" und die Einstellung seiner Fans dazu verstehen.

„The Witcher“ ist eine polnische Buchserie des Autors Andrzej Sapkowski. Die Hauptfigur ist der Hexer Geralt, der seinen Lebensunterhalt mit dem Töten von Ungeheuern verdient.

Dieser Geralt von Riva entspricht komplett dem Rollenmodell, das heute als "Toxisch" verleumdet und tabuisiert ist: ein nordischer Typ, groß, mit Bärenkräften ausgestattet, hat viel Sex mit Frauen, extrem wenig Emotionen, selbstbewußt, unbeeindruckt.

Um in der Buchvorlage die Persönlichkeit der Hauptfigur zu erklären, wurde sogar eine eigene Rahmenhandlung geschaffen: Hexer werden nicht geboren, sondern gemacht. Im Kindesalter werden Jungen ausgewählt und einem harten Training unterworfen. Dazu kommen aber auch noch biologische und chemische Substanzen zur Leistungssteigerung. Viele Kinder sterben dabei. Wenn ein Junge das überlebt, dann ist er danach übermenschlich stark und schnell - aber seine Emotionen sind auch gedämpft, so als ob er ständig Psychopharmaka nehmen würde. Trotzdem können Hexer einen starken moralischen Kodex haben, was speziell auf Geralt auch zutrifft. (Das Gegenstück bilden dazu in den Büchern die Zauberinnen, die ebenfalls durch ihre Ausbildung verändert werden: sie werden unfruchtbar.)

24. Dezember 2022

Ein Feiertagsgruß





I.

Es gibt ja nicht wenige Zeitgenossen, die zu der Ansicht neigen, Bilder von festlich geschmückten Jahresendzeit-Nadelbäumen würden als Gruß zum heutigen Festtag einen ganz leichten Hautgôut des Kitschigen beweisen. Aber wenn selbst die Himmel sich in diese Tradition einreihen, dann darf man als passionierter Sternfreund bei dieser Gelegenheit auch einmal eine Ausnahme machen.

Das obige Bild zeigt eine Aufnahme von NGC 2266, dem „Weihnachtsbaumnebel“ (im Englischen auch „Christmas Tree Nebula“ oder „Christmas Tree Cluster“ und im Spanischen „Cúmulo Árbol Navideño“ genannt), einem Emissionsnebel, also einem Sternentstehungsgebiet im Sternbild Einhorn, Monoceros, am nördlichen Sternhimmel. In solchen Gebieten werden die Gaswolken, die unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenfallen, von der harten ionisierenden Strahlung der jungen, gerade in ihrem Innern entstandenen Sterne ionisiert und zum Leuchten gebracht. Physikalisch ist dieser Vorgang durchaus mit dem vergleichbar, der bei uns hienieden in einer Leuchtstoffröhre abläuft – oder in himmlischerem Maßstab beim Auftreten von Polarlichtern: Gasmoleküle absorbieren die Energie der auftreffenden Photonen und die Elektronen in diesen Atomen führen deshalb Quantensprünge durch: sie verschwinden aus den äußeren Elektronenschalen, die den Kern umgeben und entstehen gleichzeitig auf inneren neu. Da sie dann über mehr Energie verfügen, als ihrem Abstand vom positiv geladenen Kern entspricht, vollführen sie nach der Absorption wieder einen Quantensprung auf eine äußere Bahn, wobei in der Summe diese Energie mit einer ganz bestimmten Wellenlänge wieder freigesetzt wird. Diese Energie nehmen wir – oder unsere Instrumente – als Licht wahr.

NGC 2266 ist nach der Nummer benannt, die ihm der aus Dänemark stammende, aber in Irland arbeitende Astronom John Emil Louis Dreyer (1852-1926) in seinem „New General Catalogue“ (von daher die Abkürzung, nicht zu verwechseln mit dem Kürzel NCC, das die Sternenflotte für ihre Raumschiffe wie der „Enterprise“ verwendet) 1888 als Beilage zu den „Memoirs of the Royal Astronomical Society“ veröffentlichte unter dem vollständigen Titel „A New General Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars, being the Catalogue of the late Sir John F.W. Herschel, Bart., revised, corrected, and enlarged.“ Von den gut 7600 Eintragungen in seiner 240 Seiten starken Listen stammen nur etwa 40 von Dreyer selbst; den Rest entnahm er den Durchmusterungskatalogen seiner Vorläufer, angefangen mit den Nebelkatalogen von Charles Messier und Wilhelm Herschel; Herschel war es auch, der diesen Nebelfleck zuerst entdeckt hat, am 18. Januar 1784. Sowohl Messier wie auch Herschel interessierten sich nicht sonderlich für diese weißen, verschwommenen Flecken; ihnen ging es darum, eine Liste von Objekten zu erstellen, die leicht mit neu entdeckten Kometen verwechselt werden konnten.



(Der Eintrag für die Nummer 2266 im "New General Catalogue" von 1888 findet sich in der untersten Zeile der Seite.)

21. Dezember 2022

Обновление «Союз МС-22» / Update Sojus MS-22



Ein Nachtrag zu meinem Posting vom Sonntag. Das der Zwischenfall, bei dem das Kühlsystem der an der Internationalen Raumstation angedockten Raumkapsel Sojus MS-22 ausfiel, durchaus gravierend ist und konkreten Folgen für die Missionen der nächsten Monate zur Folge hat, erlaube ich mir an dieser Stelle ein kleines Update über den Stand dessen, was bislang dazu bekannt ist und von den zuständigen Behörden mitgeteilt worden ist – und welche Planungen bis jetzt für die nächsten Wochen vorgenommen worden sind.

Gestern, am Montag, den 19. Dezember 2022, hat sich die russische Raumfahrtbehörde in einer für ihre Verhältnisse ziemlich umfangreichen Pressemitteilung dazu geäußert. Da die Webseite der Organisation von westlichen Ländern nicht ohne weiteres aufrufbar ist - man benötigt dafür eine VPN-Verbindung -, der Inhalt aus erster Hand aber durchaus Interesse beanspruchen darf, habe ich mich entschlossen, diese Meldung auf Zettels Raum zu dokumentieren. Und nein, „ZR“ ist hiermit nicht unter die Multiplikatoren der Moskauer Propaganda gegangen. Anders als bei den notorischen Hetztiraden etwa eines Wladimir Solowjow auf dem Fernsehkanal Rossija-1 oder den zweifelhaften „offiziellen Wirtschaftsdaten,“ die die Wirkung der westlichen Sanktionen ad absurdum führen sollen, dürfte es sich bei den Kommuniqués von Roskosmos um einigermaßen zutreffende Sachstandsberichte handeln. Immerhin geht es um die enge Zusammenarbeit mit der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA; die Rückkehrmöglichkeit des US-Astronauten Francisco Rubio hängt direkt von der Einsatzbereitschaft des russischen Raumschiffs ab, und vier der sieben Raumfahrer, die zurzeit die Expedition 67/68 an Bord der ISS stellen, sind Amerikaner bzw. im Fall des Missionsspezialisten Koichi Wakata, Japaner. Dieser Teil der Mannschaft wird direkt Zeuge von den Vorgängen an Bord – auch wenn die amerikanischen und die russischen Module der Station zwei getrennte Bereiche darstellen. Zudem dürften die Messdaten und Protokolle, die den Zustand der Station aufzeichnen, in gleichem Maß an die russische wie die amerikanische Bodenkontrolle gefunkt werden.







Die Pressemitteilung von Roskosmos von gestern im Wortlaut:

20. Dezember 2022

Streiflicht: Und das kommt dabei raus, wenn man einen totalen Versager zum Gesundheitsminister macht




Das Karl Lauterbach ziemlich speziell ist, ist kein Geheimnis. Seit ihn die Boulavard-Medien zum Corona-Experten ernannt haben (obschon er nahezu grundsätzlich mit seinen Prognosen daneben liegt), zum Virologen (wovon er keine Ahnung hat) und zum Epidemiologen (wo er immerhin mal eine Vorlesung besucht hat) ist es fast unmöglich einen Tag  zu verbringen, ohne irgendwo eine seiner permanenten Warnungen, Panik-Schiebereien und Drohungen mitzunehmen. Er ist mit Sicherheit die größte Alarmsirrene der letzten 20 Jahre, mit der unschönen Nebeneigenschaft, dass seine Alarme samt und sonders Fehlalarme sind. Gerne auch mal teure, wenn er wieder für hunderte Millionen Impfstoffe einkauft, die anschließend für die eine oder andere Million vernichtet werden müssen.

19. Dezember 2022

Ein Adventsgedicht

„Dickie möchte uns ein Gedicht aufsagen.“ – Mutter Hoppenstedt

Konservative Zeitgenossen – denen ich mich nolens volens zurechne – betonen gerne, daß zum Kern ihrer Haltung die Pflege der eigenen Traditionen zählt. Und zur Adventszeit, und besonders für die Weihnachtswoche, gehört nun eimal der Vortrag von Weihnachtsgedichten, ein von den dazu Verdonnerten wie den Zuhörern zumeist gefürchtetes Interludium zwischen der gemeinschaftlichen Kalorienaufnahme, das den nützlichen Zweck hat, den Nachwuchs zu lehren, daß Tradition nicht zuletzt darin besteht, die Contenance zu bewahren und gute Miene zum schlechten Spiel zu machen.

Andererseits empfiehlt es sich, bei solcher Gelegenheit, die nicht schon jedem seit ungezählten Jahren bekannt sind. Da trifft es sich gut, daß ich dieses Gedicht zur Hand habe, das die amerikanische Comedienne Jen Fulwiler vor ein paar Wochen, Anfang Dezember, über ihre Konten bei Twitter und Facebook in alle Welt hinausgesandt hat – ein Brauch, den sie vor zwei Jahren begonnen hat, nachdem sie ihren Job Mitte 2020 als Moderatorin beim Satellitenradio SiriusXM an den Nagel hängte und sich stattdessen auf das Wagnis des Varietes einließ („noch dazu mitten in einer Pandemie,“ wie sie selbst schreibt).

Daß in ihrem Jahresrückblick der Focus auf den Kabalen in amerikanischen Showbiz liegt, ist natürlich der extremen Präsenz in eben diesem Show Business geschuldet.

'Twas the night before Christmas and all through the city
Everyone was exhausted 'cause the year had been ... bad.
The women wrote notes to the sound of the crickets
Demanding that Santa bring Taylor Swift tickets.
Pa with his Xanax and I with my booze
Had just settled down for a long winter snooze
When out on the lawn there was such a loud clap
I took hold of my phone and opened the Ring app.
When what to my blood-shot eyes should appear
But an electronic sleigh and (somehow) no reindeer
With a familiar driver so confident and brusque
I knew in a moment it was Elon Musk.
"Where are the reindeer?" I said so surprised.
"I bought the North Pole, and we have downsized.
Santa's in rehab - he had a rough year -
He lost all his money in Bitcoin, I fear.
Then he and the Mrs. had a big scene
When he saw her DMs with Adam Levine.
He had no mirth, and the Mrs. had lost hers
They both fumed around like Will Smith at the Oscars.
They did patch things up, their problems are ghosts,
And now they get freaky like CMA hosts.
But the elves made no toys, they didn't do prep
'Cause they wasted all summer watching Heard and Depp.
Now I bring the gifts, and that's the whole saga
'Cause everything I had was from Balenciaga.
We burned all that stuff, to protest the pervs,
But now there is not much in the reserves.
I had a few shoes that were branded by Yeezy
But that would make too many people uneasy.
So - sorry to tell you, but under your trees
All you will get is Jake Paul NFTs."
To start his sleigh a button he tapped,
Saying "Gotta go post my Spotify Wrapped."
He said one more thing as he faded from view:
"Congrats to you all. You survived '22!"

18. Dezember 2022

"Wenn die Sojus aber nun ein Loch hat..."





(Sojus MS-22, zwei Stunden nach Auftreten der Leckage)

Ich bleibe beim Thema Raumfahrt.

Zuvor aber ein kurzer Ausgriff auf meine eigene Lesebiographie – auch wenn dies zunächst etwas exzentrisch anmuten mag. (Und zudem habe ich diese kleine Serie zum neuen Mondlandeprogramm Ende März mit einer solchen Reminiszenz begonnen.)

I.

Es gibt Daten, die sich durch äußere, weltpolitische Ereignisse unauslöschbar ins Gedächtnis eines jeden einprägen, der „dabei war“ – und sei es nur als Zuschauer am Fernsehbildschirm. Jeder, der alt genug war, um „es bewußt mitzuerleben,“ weiß, wo er sich befand, als Präsident Kennedy in Dallas erschossen wurde, als in Berlin Tausende auf die Mauer kletterten, und als die erste schwarze Rauchwolke aus dem Nordturm des World Trade Center aufzusteigen begann. Das erste solche „simultan erlebte“ Ereignis dürfte der Brand der „Hindenburg“ in Lakehurst am 6. Mai 1937 gewesen sein. Marshall McLuhan mag eher ein wildgewordener Fabulierer ohne empirische Bodenhaftung gewesen sein, aber mit seinem Befund, daß erst durch die „magischen Kanäle“ der elektronischen Nachrichtenmedien ein „global village,“ ein mediales Weltdorf, entsteht, lag er genau richtig. (Der kleine Pedant merkt an, daß McLuhan in seinem Buch „Understanding Media“ von 1964 diese „magische Fernwirkung“ eben nicht den elektrischen Massenmedien wir Radio und Fernsehen zuschreibt.)

Und für das private Erleben gilt dies ebenfalls. Einem reinen Zufall verdanke ich es, daß ich etwa, nun, nicht „weiß,“ aber im Nachhinein leicht feststellen kann, daß meine allererste Begegnung mit dem wichtigsten dieser magischen Kanäle, dem Fernsehen, am Sonntag, dem 24 März 1968, um ziemlich genau 17:47 stattgefunden hat. Das ist nun keine Wunderwirkung eines „gußeisernen Gedächtnisses“ (Arno Schmidt) eines damals Siebenjährigen. Denn in der „Flimmerkiste,“ die mein Onkel, den meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern im Schlepptau am Wochenende regelmäßig besuchten, seiner Familie gerade spendiert hatte und das wir als technisches Wunderwerk natürlich bestaunten, lief zu diesem Zeitpunkt die erste Wiederholung der „Raumpatrouille Orion“ (die an dieser Stelle schon Thema war) – und die Szene, in der Hasso Sibjörnson und Atan Shubashi (gespielt von Claus Holm und Friedrich Beckhaus) die Raumstation MZ-4 betreten und die dort in der Bewegung eingefrorene Besatzung finden, hat sich mir unvergesslich eingeprägt. Und diese Szene findet sich in der ersten Folge, „Angriff aus dem All,“ bei Minute 32, eine halbe Stunde nach dem Sendebeginn um 17:15 in der ARD.

15. Dezember 2022

Eine wirkliche Mondrakete - "Rücksturz zur Erde"





("Terra the Fair," aus der Sicht von Artemis I, aus 30.000 Kilometern Entfernung)

How to locate in blackness, with a gasp,
Terra the Fair, an orbicle of jasp.

(John Shade, “Pale Fire,” Canto III – 1962, Zeilen 557-558)

I.

„Eines dieser Raumschiffe ist die Orion … Begleiten wir die Orion und ihre Besatzung - bei ihrem Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit.“

Vor drei Tagen, am Sonntag den 11. Dezember, ist nach einer Flugdauer von 25 Tagen 10 Stunden, 50 Minuten und 55 Sekunden der erste, noch unbemannte Flug des neuen Mondladeprogramms mit der Wasserung der Orion-Kapsel der Artemis-1-Mission im Pazifik, gute 150 Seemeilen vor der kalifornischen Küste zu Ende gegangen, nach einer zurückgelegten Flugstrecke von 2,1 Millionen Kilometern. Beim „fiktionalen Vorbild“ der „Raumpatrouille“ hieß dieser Vorgang vor 56 Jahren „Rücksturz zur Erde“. Damals wirkte die Formulierung leicht unpassend; vor einer Position weit außerhalb des Sonnensystems läßt sich nicht gut „herabstürzen“; am Sonntag durfte sie hingegen zum Nennwert genommen werden. Nach ihrer Annäherung an den Mond bis auf gut 130 Kilometer am 5. Dezember bewegte sich das Raumschiff mit gut 982 Meilen pro Stunde (gut 1600 km/h); bis zum Eintritt in die Atmosphäre um 18 Uhr 12 Mitteleuropäischer Zeit war die Geschwindigkeit die die Wirkung der Erdgravitation auf gut 40.000 Stundenkilometer angestiegen. Während der letzten Phase des Fluges konnte man gut nachverfolgen, daß es sich ganz im Wortsinn um einen STURZ handelte: in 16.000 Kilometern Entfernung, um 17:25, in gut 16.000 km Entfernung, betrug die Geschwindigkeit noch 12.800 km/h; um 17:56 Uhr, gute 600 km vor dem Ziel, bereits 28.000 km/h und fünf Minuten später 30.000 km/h. 16 Minuten später trat in einer Höhe von 93 Kilometern dann der erste „Blackout“ ein, der Ausfall der Kommunikation, wenn sich die Luft um das Raumschiff durch die Reibungswärme zu einem elektrisch leitenden Plasma aufheizt und die Radiowellen absorbiert. Bei der ersten Eintauchphase in die oberen Schichten der Atmosphäre bis in gut 55 Kilometer Höhe (oder sollte es besser „Tiefe“ heißen?) hat sich dabei der Hitzeschild der Kapsel auf gut 2700 Grad (Celsius, in Fahrenheit: 5000 Grad) erhitzt. Um die Wärmeentwicklung insgesamt geringer zu halten und für die späteren bemannten Missionen den auftretenden Andruck erträglich zu halten, hat die NASA für das Artemis-Programm einen sogenannten „Skip Entry“ gewählt: dabei wird das Raumschiff nach dem ersten Atmosphäreneintritt wieder in die Höhe geworfen wie ein Kiesel, der im flachen Winkel über eine Wasseroberfläche geschleudert wird, um dann mit verminderter Geschwindigkeit den zweiten, abschließenden Eintritt durchzuführen. Während dieser Phase hat die Kapsel mehrere Rollbewegungen um die Längsachse durchgeführt, um die Fensterpartie, die den künftigen Raumfahrer Ausblick ins All gewährt, möglichst vor der Hitzeentwicklung zu schützen. (Auf den Aufnahmen, die die gewasserte Kapsel zeigen, ist deutlich zu sehen, daß die Lackierung der Kapsel in diesem Bereich nicht in gleichen Maß verbrannt ist.) Der Hitzeschild selbst, mit einem Durchmesser von gut 5 Metern und einer Dicke von 15 Zentimetern, verbrennt während des Wiedereintritt fast vollständig; er besteht aus insgesamt 186 Blöcken eines speziell für diesen Zweck entwickelten Materials mit der Bezeichnung AVCOAT (genauer: AVCOAT 5029-36) der Firma Textron Hartschaummaterials mit innerer Wabenform, das bereits für die Apollomissionen vor einem halben Jahrhundert, die ein vergleichbares Flugprofil hatten, entwickelt worden ist; es handelt sich um ein Phenolformaldehyd-Harz, das von einer Fiberglasmatrix in Bienenwabenform, nun in Form gehalten wird, mit einem spezifischen Gewicht von 0,51.

14. Dezember 2022

Wenn das Wort Skandal nicht mehr reicht



Im Jahr 2011 infizierten sich in Deutschland etwa 4000 Menschen mit EHEC-Keimen, von denen 53 schlußendlich daran starben. Es war einer der größten Lebensmittelskandale der Bundesrepublik Deutschland. Gute zehn Jahre davor kam es europaweit zum "BSE-Skandal", in dessen Verlauf sich etwas über 200 Menschen mit der durch BSE ausgelösten neuen Variante der Jakob-Creutzfeld-Krankheit infizierten, wovon die meisten auch verstarben (übrigens kein einziger in Deutschland). Und, um den Urvater aller großen Skandale noch dazu zu setzen, im Jahr 1961 begann die Aufklärung des Contergan-Skandals, bei dem weltweit geschätzt zwischen 5000 und 10000 Kinder teilweise schwer geschädigt wurden. Das alles waren große Skandale, man könnte noch ein paar mehr ausgraben, aber mal ab von Contergan ist ein Skandal in Deutschland etwas mit maximal ein paar hundert Toten. 

10. Dezember 2022

Eine wirkliche Mondrakete - "Beagle an Bord"





(Artemis 1; 8. Dezember 2022)

I.

Eines dieser Raumschiffe ist die Orion … Begleiten wir die Orion und ihre Besatzung bei ihrem Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit.

In knapp 21 Stunden, um 18 Uhr 39 Mitteleuropäischer Zeit, wird nach gut 26 Tagen der erste Flug eines Raumschiffs beim erneuten Ausflug zum Erdtrabanten sein Ende finden, wenn Artemis 1 in der Nähe der Insel Guadalupe, rund 250 Kilometer westlich der amerikanischen Pazifikküste niedergeht. Technisch gesehen steht natürlich noch die Bergung der Kapsel an, der Transport zum Schiff, der Rücktransport zur Heimatbasis und die Auswertung der beim Flug gewonnenen Daten. Aber das fällt unter „Nachbereitung.“ Jetzt, wo ich diese Zeilen tippe, befindet sich das Raumschiff, am 24. Tag und 14 Stunden seiner Mission nach dem Start von Cape Canaveral, noch 110.500 Meilen von der Erde entfernt und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 3400 Meilen pro Stunde auf sie zu. In den letzten drei Tagen hat sich diese Geschwindigkeit beständig von gut 900 Meilen pro Stunde erhöht, unter dem Einfluß der Erdgravitation.





Am Dienstag habe ich das „Intro“ der „phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion“ auf „noch ohne Besatzung“ variiert. Technisch gesehen stimmt das, da erst bei der nächsten Mission, derzeit auf die erste Hälfte des Jahres 2024 terminiert, vier Menschen erneut den Erdbegleiter umrunden sollen. Aber in effigie ist diesmal schon der „weltberühmte Astronaut“ an Bord, der als Namensgeber der Mondfähre von Apollo 10 im Juni diese Reise absolvierte – und in den zahllosen Zeitungen der USA, die den Tagesstrip der „Peanuts“ abdruckten, in sieben Folgen vom 8. Bis zum 15. März 1969. (Bemerkenswert daran war, daß Snoopy während seines Mondflugs die Lederkappe und die Fliegerbrille trug, die sein Markenzeichen für solche Phantasietrips gewesen waren, seit er am 25. Oktober 1965 als Fliegeras des Ersten Weltkriegs seinen ersten Luftkampf mit dem „Roten Baron“ ausgefochten hatte.)



("Peanuts", 12. März 1969)

Daß Snoopy eine solche Rolle als Maskottchen der NASA zugekommen war, verdankte sich einer kleinen Public-Relations-Initiative, die im Nachgang des Unglücks von „Apollo 1“, als im Januar 1967 bei einem Test der Raumkapsel auf der Startrampe die reine Sauerstoffatmosphäre im Raumschiff durch einen elektrischen Kurzschluß entzündet wurde und die drei Astronauten Edward White, Virgil Grissom und Roger Chaffee innerhalb einer halben Minute in dem Inferno ums Leben kamen. Um ein sichtbares, symbolisches Zeichen zu setzen, daß bei der NASA die Sicherheit jetzt oberste Priorität habe, bat die Leitung der Luft- und Raumfahrtbehörde den geistigen Vater der „Peanuts“, Charles M. Schulz, um die Erlaubnis, den kleinen Beagle als „Sicherheitsmaskottchen“ für solche Zwecke verwenden zu dürfen. Gleichzeitig stiftete sie den „Silver Snoopy Award“, eine Ehrennadel, mit der seit 1968 Personen ausgezeichnet werden, die sich besondere Verdineste im diesem (recht großzügig gefaßten) Bereich erworben haben. Mehr als 15.000 dieser Anstecknadeln sind in den letzten 54 Jahren vergeben worden.





("Peanuts", 12. und 13. März 1969)

8. Dezember 2022

"FDGO - Ein Ausrutscher der Geschichte." Ein Gastbeitrag von Frank2000



Freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO): das ist das behauptete Ziel der deutschen politischen und zivilgesellschaftlichen Organe und Institutionen. Ich selbst behaupte gern, ich hätte in der Bonner Republik so etwas wie eine FDGO kennengelernt - und jetzt wird dieses Ziel immer mehr aufgeweicht und durch etwas anderes ersetzt. Durch etwas, was mehr Kollektivismus, Autoritarismus und Bürgererziehung enthält.

Aber fangen wir vorne an.

Wenn man über "Demokratie" redet, dann ist das zunächst einfach. Natürlich ist auch Demokratie kompliziert, aber es ist VERGLEICHSWEISE einfach - verglichen mit anderen Begriffen wie "Freiheit" zum Beispiel. Demokratie: da werden die meisten eine grundsätzliche Vorstellung haben. Wahlen, zum Beispiel. Vielleicht auch Volksabstimmungen. Ohne sich in Details zu verlieren: Deutschland ist demokratischer als China oder Nordkorea. So werden das fast alle in Deutschland sehen und das paßt auch so.

Als Anekdote am Rande sei erwähnt, dass selbst eine Ein-Parteien-Diktatur ohne Wahlen oder Volksabstimmungen für sich reklamiert, eine "Demokratie" zu sein:

NZZ: "China will die bessere Demokratie sein"

China begründet das damit, daß "der Wille und die Wünsche des Volkes durch die Partei vertreten sei."

Da es aber eine neutrale Definition von "Demokratie" gibt, die Jahrtausende zurückreicht, werde ich solche Orwellschen Doppeldenk-Ansätze nicht weiter diskutieren.

7. Dezember 2022

Wurde schon ein Luftgewehr gefunden?

Die absolute Meldung des Tages, in Deutschland geht mal wieder das Gespenst des Rechtsterrorismus um. 3000 Beamte(!) durchsuchten mehr als 100 Objekte und nahmen 25 Personen fest. Die Bundesanwaltschaft hebt die größte Terrorgruppe seit dem Krieg aus und plant die Leute wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung hinter Gitter zu bringen. Presse und Politik übertreffen sich mit Superlativen was  für eine gewaltige Gefahr für die Demokratie hier in letzter Sekunde abgewehrt werden konnte, da die Gruppe plante in Deutschland die Macht an sich zu reissen.

6. Dezember 2022

Eine wirkliche Mondrakete - "Erdaufgang"





I.

Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen schon Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen. Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem. Eines dieser Raumschiffe ist die Orion, winziger Teil eines gigantischen Sicherheitssystems, das die Erde vor Bedrohungen aus dem All schützt.“


So, nicht ohne leicht dräuende Pathetik, begann vor 56 Jahren die Einleitung, als in der einzigen genuinen Science-Fiction-Serie, die das Fernsehen der alten Bundesrepublik je hervorgebracht hat, der Schnelle Raumkreuzer Orion unter dem Kommando von Major Cliff Allister McLane, gespielt von Dietmar Schönherr, am 8. September 1966 zum ersten Mal von der Meeresbasis 104 in die unendlichen Weiten abhob – genau 9 Tage vor dem Erstflug der NGG-1701 Enterprise der Sternenflotte unter Commander James Tiberius Kirk auf dem amerikanischen Fernsehsender NBC. (Übrigens lagen die Einschaltquoten für die beiden Folgen nicht so sehr auseinander, „Angriff aus dem All“ kam in der ARD auf eine Zuschauerquote von 37 Prozent; „The Man Trap“ erzielte ein Nielsen Rating von 25,1.)



Die sieben Folgen der von Rolf Honold konzipierten Serie für die Produktionsfirma Bavaria spielten in einem nicht weiter konkretisierten „Jahr 3000“; in ihrer damaligen ersten Inkarnation fand „Star Trek“ in einem ebenso konturlos-ausgesparten „23. Jahrhundert“ statt; die genaue Konkretisierung der „Sternzeit“, mit der auch die Logbucheinträge, mit denen jede Folge in diesem Kosmos seitdem anhebt, erfolgte erst während der ersten Staffel des Nachfolgers „The Next Generation“ im Jahr 1987. Keiner der damaligen Macher konnte damals ahnen, daß in diesen Wochen, 56 Jahre später, tatsächlich ein Raumschiff mit dem Namen „Orion“ zu seinem ersten Flug „am Rande der Unendlichkeit“ aufbrechen würde, um eine neue Epoche beim Aufbruch der Menschheit in unsere unmittelbare kosmische Umgebung einzuleiten. Eine kleine weitere Parallele sei vermerkt: während die „Enterprise“ laut dem Intro der deutschen Synchronfassung mit „400 Mann Besatzung“ unterwegs war, „um ferne Galaxien zu erforschen“, verzichtete der Original-Auftakt darauf; dort hieß es „its five-year mission: to seek out new worlds and new civilizations.“ Während der Raumkreuzer der Schnellen Kampfverbände eine Stammbesatzung von 5 Personen aufwies (Sicherheitsoffizier Tamara Jagellovsk, gespielt von Eva Pflug, wurde dem eigenmächtigen Kapitän bekanntlich nach seiner Strafversetzung als Schießhund zur Seite gestellt), ist die – tatsächliche -„Orion“ für vier Raumfahrer ausgelegt. Bei dieser 26 Tage dauernden Erprobung der Kapsel und ihrer Systeme sind wie bei den beiden Missionen von Apollo 4 und Apollo 6 nur ein mit zahlreichen Meßinstrumenten versehene Raumanzug und zwei künstliche Torsi in Form weiblicher Oberkörper, Moonikins genannt, in den gepolsterten Schalensitzen an Bord – und als Maskottchen und Anzeiger für die Schwerelosigkeit die Stofffigur eines nicht ganz unbekannten Beagles, der sich sonst lieber auf dem Dach seiner Hundehütte fliegend als „das berühmte Fliegeras des Ersten Weltkriegs“ „dogfights“ mit dem Roten Baron liefert. So wie der Name des neuen Mondprogramms, Artemis, ein Echo auf „Apollo“ darstellt, wo auch hier: zum einen wäre sein Schöpfer Charles M. Schulz, am 10. Tag der Mission, dem 26. November, 100 Jahre alt geworden; zum anderen ist es nicht Snoopys erster Ausflug zum Erdtrabanten: die Mondlandefähre beim Flug von Apollo 10 im Mai 1969, deren Probeabstieg bis auf 14 km an die Oberfläche heranführte, trug seinen Namen als Funkrufkennung; während die Raumkapsel „Charly Brown“ getauft wurde.

Begleiten wir die Orion – noch ohne Besatzung - bei ihrem Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit.

4. Dezember 2022

Der Ethikrat will sich davon stehlen


"Ich war es nicht. Es war Mabuse. Er benutzte mein Gehirn. Ich war es nicht."
                                    -- Dr. Pohland, Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse

Julius Streicher, Herausgeber und Besitzer des "Stürmers" wurde am 1. Oktober 1946 wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zum Tode verurteilt und am 16. Oktober des selben Jahres in Nürnberg hingerichtet. Angeklagt war er ursprünglich auch wegen Beteiligung am Völkermord, konnte jedoch nur nach der allgemeinen Anklage "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" veurteilt werden. In der Urteilsbegründung wurde er als "Judenhetzer Nummer eins (Jew-Baiter Number One)" bezeichnet und das Gericht machte deutlich, dass er aufgrund seiner jahrelangen Hetze verurteilt wurde. Seine Verteidigung bestand im Wesentlichen daraus, dass er nicht an die Judenvernichtung geglaubt habe und damit in seinem Blatt etwas anderes gemeint habe .

24. November 2022

Die Mannschaft und der Gratismut

Die "Mannschaft" (pardon, dieser Name ist auch nicht mehr aktuell, aber immer noch passend) konnte an ihren enormen Erfolg bei der Weltmeisterschaft 2018 nahtlos anknüpfen und hat es geschafft ihr Eröffnungsspiel gegen die große Fußballnation Japan mit 1:2 zu verlieren. Das ist immerhin schon eine Verbesserung gegenüber 2018, als man sich gegen die nicht weniger bekannte Fußballgröße Südkorea mit 2:0 geschlagen geben musste.

22. November 2022

Eine wirkliche Mondrakete - "...und endlich noch Erduntergang"





(Orion - Erde - Mond; 21.11.2022; MEZ 11:55)

„Start now on that farthest Western way which does not pause at the Mississippi or the Pacific, not conduct toward a wornout China or Japan, but leads on direct, a tangent to this sphere, summer and winter, day and night, sun down, moon down, and at last earth down too.”
(Henry David Thoreau, “Walden, or Life in the Woods,” 1854, “Conclusion”)



Offensichtlich hilft es, auf Holz zu klopfen – wie ich es an dieser Stelle vor fünf Tagen stellvertretend Dooley Wilson in seinem ersten Auftritt als Pianist San in „Casablanca“ vor 80 Jahren machen ließ. (Wilson, der von Profession Schlagzeuger war, spielt im Film nicht Klavier, sondern tut nur so.) Um 07 Uhr 47 Mitteleuropäischer Zeit, 43 Minuten nach der Öffnung des Startfensters, hat vor 5 Tagen das zweite Mondfahrtzeitalter tatsächlich begonnen, als die vier Haupttriebwerke des Space Launch System zusammen mit den beiden seitlich montierten Feststoffraketen die Raumkapsel Orion der Mission Artemis 1 erst in die niedrige Erdumlaufbahn und 75 Minuten später auf den Weg zum Erdtrabanten beförderten.

Heute Mittag, fast auf die Sekunde genau 126 Stunden nach Missionsbeginn, hat das Haupttriebwerk der Raumkapsel während der nächsten Annäherung an den Mond, in einer Entfernung von gut 80 Meilen (also gut 130 Kilometern) für zweieinhalb Minuten gezündet und das Raumschiff damit auf jenen Kurs gebracht, in dem es während der nächsten zwei Wochen den „Near Rectilinear Halo Orbit“ beschreiben wird, den auch die weiteren Missionen des Artemis-Programms in den nächsten Jahren durchlaufen werden – sowie die Raumstation Gateway, die in 5 oder 6 Jahren als Ausgangsbasis für die Abstiege der Astronauten zur Mondoberfläche dienen soll. Am Freitag, dem 25. November, wird mit einer weiteren Zündung die letzte Bahnkorrektur durchgeführt. Ebenfalls am Freitag, um 22 Uhr 53 Mitteleuropäischer Zeit, wird die Kapsel die größte Entfernung von der uns abgewandten Mondseite erreichen, mit 92.130 Kilometern – die weiteteste Entfernung, die je zwischen einem für eine menschliche Besatzung ausgelegten Raumfahrzeug und seinem Mutterplaneten gelegen hat. (Obwohl es sich bei Artemis 1 „nur“ um einen Testflug handelt, bei dem das Funktionieren der Systeme, des Flugablaufs und der Datenübertragungen geprobt wird, sollte nicht vergessen werden, daß es sich vom Ablauf her um einen „richtigen“ Raumflug handelt, der genauso verlaufen würden, wenn statt der drei „Mannequins,“ der mit Sensoren versehenen Raumanzüge, tatsächliche Astronauten an Bord wären. Vor der Zündung des Haupttriebwerks beschrieb die Umlaufbahn, in die die Schwerkraft des Mondes die Kapsel bei diesem „Swingby“-Manöver gezwungen hatte, eine Ellipse mit den Halbachsen von 143 km mal 16.075 Kilometern, deren Ebene um 74 Grad gegen den Mondäquator gekippt war; nach Brennschluß die ist „große Halbachse“ auf 134.175 Kilometer angewachsen; die Umlaufzeit beträgt jetzt 18,4 Tage.

16. November 2022

Eine wirkliche Mondrakete: "Knock on Wood!"





(Artemis 1 am Morgen des 15. November 2022; Photo: John Kraus)

Wenn alles gutgeht … wenn alles nach Plan abläuft … wenn die launischen Bewohner des Olymp ein Einsehen haben … - dann wird in wenigen Stunden tatsächlich, nach all den endlosen Verschiebungen und Zwischenfall, die Mondmission Artemis 1 von der Startrampe 39B in Cape Canaveral abheben – um wie vor mehr als einem halben Jahrhundert ihre Vorläufermission Apollo 4 und Apollo 6 einen Probelauf für die nachfolgenden bemannten Flüge zu absolvieren.

Das Startfenster öffnet sich, je nach der Zeitzone des Betrachters, um kurz nach dem Ende der Geisterstunde in dieser Nacht, um 1 Uhr und 4 Minuten nach Eastern Standard Time (EST) in Florida; oder pünktlich zum Morgenkaffee um 7:04 Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) und bleibt für zwei Stunden geöffnet. Während dieser Zeit muß das SLS, das Space Launch System, die stärkste jemals gefertigte Rakete, die Orion-Kapsel an ihrer Spitze in die niedrige Erdumlaufbahn befördern, um sie gut zwei Stunden nach Beginn des Fluges durch eine weitere Zündung auf den Weg zum Erdtrabanten zu bringen. Die Knallgasreaktionen zwischen gut 530.000 Gallonen flüssigem Wasserstoff und 196.000 flüssigem Sauerstoff sorgen zusammen mit den beiden seitlich montierten Feststoff-Boostern für einen Gesamtschub von 8.8 Millionen Pfund (oder 14,6 Meganewton, MN) – 15 Prozent mehr als bei der Saturn V. - Zum Vergleich: die Startstufe der Falcon Heavy, die vor drei Tagen, ebenfalls von Cape Canaveral aus (allerdings auf der benachbarten Startrampe 40) zwei Kommunikationsatelliten mit einem Gewicht von fast 7 Tonnen in die geostationäre Umlaufbahn gebracht hat, entwickelt mit ihren beiden Feststoffraketen einen Gesamtschub von gut 5,5 Millionen Pfund; und die chinesische Schwerlastrakete vom Typ Langer Marsch 5B, die vor zwei Wochen, am 31. Oktober, das dritte und letzte Modul zur chinesischen Raumstation Tiangong gestartet hat, entwickelt auf Meereshöhe einen Schub von 2,4 Meganewton.

Jetzt, da ich diese Zeilen tippe, läuft die Uhr, die den Countdown bis zum Abheben anzeigt, wieder; drei Stunden lang war sie bei der Zeitmarke 6 Stunden und 40 Minuten planmäßig angehalten worden; eine weitere Pause von einer halben Stunde steht noch an.. Die NASA hat mit dem Vorgang des Betankens der Startstufe mit flüssigem Wasser- und Sauerstoff diesmal dreieinhalb Stunden vor den Fahrplänen der bisherigen Probebetankungen im April und Juni begonnen, um die Probleme mit austretendem Wasserstoff an den Zuleitungen zu minimieren; außerdem darf der Wasserstoffgehalt der Luft in der Nähe der Verbindungsstutzen, die unmittelbar vor dem Abheben die Zuleitungen von der Rakete trennen, kurzfristig den bislang geltenden Richtwert von 4 Prozent überschreiten.



14. November 2022

Ich hab nix zu verzeihen. Eine Nabelschau.

Von unserem vorletzten Gesundheitsminister, Jens Spahn, wird am Ende vermutlich wenig bleiben außer diversen Korruptionsvorwürfen und einem mehr oder minder prophetischen Zitat:
"Wir werden einander viel verzeihen müssen."
Das Spahn dieses Zitat, das er inzwischen auch als Buchtitel mit der selben Intention verwendet, im Wesentlichen gemeint hat um sich selber reinzuwaschen: Geschenkt. Aber es lohnt sich durchaus mal über die Idee selber zu reflektieren, zumal sie tatsächlich inzwischen das eine oder andere Feuilleton zu streifen scheint. Und dies wird eine persönliche Nabelschau, insofern braucht niemand weiter zu lesen, der nur große politische Analysen lesen möchte.

8. November 2022

Besser desinformiert mit der Welt: Hannes Stein für die Demokraten

Wer eine gute Zusammenfassung dafür sehen will, warum immer weniger Menschen im "Westen", gerade auch in den USA, den Medien trauen, der darf sich gerne mal diesen Artikel des Autors Hannes Stein ansehen, den die Welt heute veröffentlicht.

6. November 2022

Die Glaskugeln raus: Die amerikanische Wahl

Nun ist sie fast da: Die lange erwartete Zwischenwahl in den USA, die sogeschimpften "Midterm Elections". Die Amerikaner wählen dabei ihr komplettes Repräsentantenhaus neu, bestehend aus 435 Sitzen (kuriose Randnotiz: Die Amerikaner kommen mit 435 Abgeordneten für 332 Millionen Bürger aus, während der deutsche Bundestag sich bei jeder Wahl mehr aufbläht und inzwischen aus derzeit 736 Abgeordneten besteht für 82 Millionen Bürger) und ebenso ein Drittel des Senats mit 35 von 100 Sitzen.

25. Oktober 2022

Anmerkungen zur Energiewende: Nordstream löst nicht das Problem

Ich habe in meinem Freundeskreis zwei Leute, die man bei Licht betrachtet als Verschwörungstheoretiker bezeichnen könnte, oder zumindest zwei, die das mehr oder minder offen aussprechen. Da kommt so manche eher komische Erkenntnis zur Welt, die man vermutlich besser nicht allzu laut ausspricht, aber eine kommt gerne mal, die wohl von gar nicht so wenigen "Nichtverschwörungstheoretikern" geteilt wird.

Die Aussage in ihren vollen Plattheit könnte man knackig so zusammen fassen: "Nordstream könnte morgen liefern." Die dahinter liegende Idee, bzw. das Gedankenkonstrukt, basiert darauf, dass die Amerikaner ("die Bösen") aus geopolitischen Gründen den armen Deutschen verbieten russisches Gas zu kaufen und wenn die dabei erfrieren lacht sich der böse Ami zuhause ins Fäustchen. Und dabei könnte es den Deutschen so gut und fluffig gehen, wenn sie nur wieder das gute russische Gas kaufen.

17. Oktober 2022

Llarians Welt: Die Ringe der Macht und Harry Potter

"Ein Buch sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Kino zu treiben und ewig zu binden."
Nein, die Überschrift ist kein Click-Bait, der Herr der Ringe hat durchaus einiges mit Harry Potter gemeinsam. Und eine der vorherrschenden Gemeinsamkeiten ist die feste Fangemeinde. Sowohl beim Herrn der Ringe als auch bei Harry Potter existiert eine riesige Fangemeinde, die die Bücher in sich aufgesogen, etliche Male gelesen und noch das kleinste Details in sich aufgenommen haben. Solche Leute kann man nachts um drei nach Dianthuskraut fragen und sie können einem einen Vortrag darüber halten wo es vorkommt und wie man es verwenden kann.

13. Oktober 2022

Randnotiz: Paypal macht den Blockwart

Als ich es noch zufällig in einem Video von Candace Owens gesehen habe, habe ich es erst noch für einen Scherz gehalten, eine Übertreibung eventuell, aber nicht für ein reales Geschehen. Frau Owens berichtet, dass der populäre Zahlungsdienstleister Paypal (immerhin über 400 Millionen registrierte Kunden) letzten Freitag ein vergleichsweises Novum in der Geschichte von BigTech in seine AGBs schrieb. Paypal stellte sich einen Freibrief dafür aus, ab dem 3. November jedem Kunden, von dem sie der Meinung sind, er verbreite "Missinformation", 2500 Dollar abnehmen zu dürfen.

10. Oktober 2022

Nicht jeder bekommt, was er verdient. Aber mancher schon. Eine Mini-Analyse.

Niedersachsen hat gewählt und auch wenn die Spin-Doktoren schon seit 18 Uhr versuchen ihre jeweilige Partei zum eigentlichen Sieger zu erklären, so gibt es genau drei tatsächliche Wahlsieger: Die Grünen, die AfD und die Nichtwähler. Alle drei haben knapp 200.000 Stimmen zugelegt.

Wo es Sieger gibt, gibts meistens auch Verlierer. In diesem Fall auch drei. Der größte Verlierer ist die CDU mit knapp 270.000 Miesen, gefolgt von der SPD mit knapp 200.000 Verlust und am Ende die FDP mit knapp 120.000 verlorenen Stimmen. Wobei die SPD zwar dick verliert, aber weiter regieren darf (soweit kein Beinbruch, außer das ein paar wenige Leute jetzt vom Mandat in die parteinahen Stiftungen wechseln müssen, um weiter vom Steuerzahler alimentiert zu werden) und die FDP sich aus dem Landtag verabschiedet.

Denkanstoss: Wäre es nicht schön jetzt 19 Kernkraftwerke zu haben?

Im schönen Jahr 2000, zwei Jahre nach der rot-grünen Machtübernahme in Berlin, im entsprechend dritten Jahr der seither bestehenden grünen Dauerregierung, produzierten 19 deutsche Kernkraftwerke letztmalig eine Gesamtnettoleistung von 22,35 Gigawatt pro Stunde. 

Kalte Winter gab es nicht, heizen konnte bis dahin jeder. Bäcker gingen nicht an Energieprisen pleite, der Strompreis für Privathaushalte lag bei knapp 14 Cent, der Industriestrompreis etwa auf der Hälfte. Schwimmbäder konnten den ganzen Winter geheizt werden, Beleuchtungen, obschon noch keine LED-Technik günstig zu haben war, konnten die ganze Nacht brennen, Laternen mussten nicht abgeschaltet werden. Man konnte sich problemlos jeden Tag heiß duschen, Waschlappen benutze man dann in der Dusche, statt stattdessen und Deutschland bezahlte nicht einmal ein Viertel für Erdgasimporte, von dem, was es heute bezahlen muss (was nebenbei im letzten Jahr 39 Milliarden Euro waren). 

Und wenn man überhaupt von Wärmehallen sprach, dann um Obdachlosen vor dem Winter zu schützen und nicht den normalen Bürger. 

Wäre es nicht schön, wenn man jetzt 19 schöne Kernkraftwerke hätte und sich keine Sorgen machen müsste, dass wir im Winter tagelange Blackouts erleben, dass wir in schlecht geheizten Wohnungen frieren werden und in die größte Rezession seit 1926 marschieren? Wäre das nicht schön? 
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Llarian

© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.

4. Oktober 2022

Das Erbe Merkel: Die Inflation und die Verarmung

Inflation ist nichts neues: Schon die Römer hatten den Effekt, dass das Geld in jedem neuen Jahr weniger Wert war, als im vorherigen. Und durch die Geschichte war Inflation die Regel und nicht die Ausnahme. Auch wenn Ökonomen (vor allem linke) inzwischen über die Ursachen von Inflation zu streiten suchen (warum nur?), so war es historisch immer die Ausweitung der Geldmenge, die zwangsnotwendig zur Entwertung des Geldes führte und da Geldmengen eigentlich immer staatlicherseits erweitert wurden, war die Inflation nie weit weg.

Serienankündigung: Das Erbe Merkel

Dieser Tage hat Deutschland einen immer größer werdenden Ball von Problemen: Rekordinflation, Energiemangel, wirtschaftliches Sterben, steigende Kriminalität, erodierter Rechtsstaat, Bildungsmisere, unkontrollierte Zuwanderung, gesellschaftliche Spaltung. Um nur ein paar zu nennen.

Und auch wenn der Titel das suggeriert, so sind das nicht alles Probleme, die Angela Merkel geschaffen hat. Betonung liegt auf: Nicht alle. Sie hat die meisten geschaffen und die anderen zumindest deutlich verstärkt. Es gehört zur Ehrlichkeit zu Anfang dieser Serie bereits deutlich zu sagen, dass dieser Autor Angela Merkel und ihre Regierung(en) für den größten Unglücksfall dieses Landes seit dem zweiten Weltkrieg hält.  Mit großem Abstand. Ihm ist nicht ein westlicher Regierungschef eines Rechtsstaates der letzten 100 Jahre bekannt, der so viel Schaden angerichtet hätte, wie Angela Merkel.

26. September 2022

DART





(DART-Sonde)



(DART, Flugbahn)

Die Stimmung im Kontrollzentrum war angespannt. Wenn es in der nächsten Stunde Entscheidendes auf dem Spiel steht, breitet sich Stille und Konzentration aus. In weniger als einer Stunde würde die Raumsonde DART den Asteroiden Didymos erreichen, und ihre ganz Mühe und Arbeit würde in einem Lichtblitz enden.

Priya Joshi und ihr Spießgeselle – und Lebenspartner – Mark Anderson teilten sich einen Bildschirm in einer der hinteren Reihen. Sie gehörten nicht zum Einsatzteam, aber als Astronauten, die eingehend Training für Weltraumspaziergänge und die Navigation von Raumfahrzeugen mitbrachten, waren sie vor Ort, um dies direkt zu verfolgen und bei Bedarf Ratschläge zu geben. Außerdem gehörte Priya zum Asteroiden-Erkundungsteam der NASA, das möglicherweise eines Tages tatsächlich zu einem der fliegenden Felsbrocken des Sonnensystems aufbrechen könnte – und hier gab es die Chance, einen davon aus der Nähe zu sehen. Aus allernächster Nähe.

Es kam nicht oft vor, daß die NASA einem Asteroiden mit einer Raumsonde, die eine halbe Tonne wog, einen Tritt versetzte. DART verfolgte das Ziel, herauszufinden, welche Auswirkung ein solcher Einschlag auf die Umlaufbahn des Asteroiden haben würde – aber es war auch ein Testlauf für spätere, wesentlich anspruchsvollere Missionen. Von denen einige sogar bemannt sein könnten, je nachdem, was die heutige Nacht an Entdeckungen bereithielt. Didymos war ein Erdbahnkreuzer mit einer Umlaufzeit von zwei Jahren, relativ einfach zu erreichen, von dem die Rückkehr nach einem längerem Aufenthalt ebenso einfach wäre. Sollte sich die NASA je dazu entschließen, eine bemannte Mission dorthin zu schicken, dann hatte Priya vor, mit an Bord zu sein.

Die Missionsuhr sprang auf 6:30. 45 Minuten bis zum Einschlag. Didymos war ein heller Lichtpunkt in der Mitte des Bildschirms, noch zu weit entfernt, um eine Scheibe zu zeigen. Aber die Sonde näherte sich mit vier Meilen pro Sekunde, und während sie hinsahen, trennte sich ein schwächer leuchtender Punkt von dem hellen: Dimorphos, der winzige Mond von Didymos. Das war das eigentliche Ziel. DART würde ihn zentral treffen, während er seine Bahn durchlief, und seine Geschwindigkeit um einen winzigen Bruchteil abbremsen – genug, daß nach ein paar Umläufen der Unterschied von Teleskopen auf der Erde registriert werden konnte. Und diese winzige Veränderung würde die Umlaufbahn des Mutterkörper um einen noch geringeren Bruchteil ändern. Es würde keinen wirksamen, nur einen meßbaren Unterschied machen – aber hier ging es um die Demonstration eines Prinzips: daß wir die Umlaufbahn eines Asteroiden ändern können, wenn es jemals notwendig werden sollte.

22. September 2022

Virus oder nicht Virus. Eine Coronei und ein Gedankensplitter.

Vor einigen Wochen las ich in der Achse des Guten einen Link auf einen Artikel, der sich damit auseinandersetzt, warum die radikale Linke nicht in der Lage ist, sich mit dem Corona-Staat auseinander zu setzen, ein recht spannender Artikel, der durchaus seine Viertelstunde Lesezeit wert ist, wenn es einem nicht zuviel ist sich in die Gedankenmuster der etwas linkeren Republik hinein zu versetzen.

Wer möchte kann ihn selbstredend alleine lesen, doch an dieser Stelle hat es mir ein spezieller Gedanke angetan, der sich im dritten Absatz verbirgt und sich in Claude Bernards Satz zusammenfassen lässt: Die Mikrobe ist nichts, dass Terrain ist alles. Ob Bernard zu seiner Zeit es so gemeint hat sei dahingestellt, aber man kann den Satz durchaus auch so verstehen: Das Virus ist nichts, der Wirtskörper ist alles. 

20. September 2022

Anmerkungen zur Energiewende (4): Der kleine Wurf

Nachdem wir die Energiewende an sich, die Stromerzeugung und die Speicherung angesprochen haben, ist es nun Zeit dafür die ersten Rechnungen vorzulegen. Das will ich mit diesem Beitrag tun. Diese Rechnung ist extrem vereinfacht, sie geht von konstantem Stromverbrauch aus (was nicht ganz richtig ist, aber eine zulässige und durchaus auch begründbare Annahme), sie geht von unendlichen Ressourcen aus (vor allem Land- und Gasspeicher), sie geht von irren finanziellen Möglichkeiten aus und vor allem davon, dass sich Wind- und Solarkraftwerke linear skalieren lassen. Letzteres ist die schwächste Annahme, da man nicht einfach fünfmal so viele Windräder bauen kann und dann fünfmal soviel Strom hat. Standorte sind bei Windkraft von essentieller Bedeutung. Da wir aber eine untere Abschätzung machen, nehmen wir diese Annahme hier mithin auf.

18. September 2022

G. K. Chesterton, "Über öffentliche Aufbahrung" (1936)





Vor dem Begräbnis des guten und frommen Dieners, der die Krone des Bekenners und der Eroberers geerbt hatte, lag sein Körper, wie es in der offiziellen Formulierung heißt, „im Staat,“ an jener historischen Stätte, die der Sohn des Eroberers erbauen ließ, und in dem einst der Prozeß um das Leben eines englischen Königs geführt wurde. Die Tatsache, daß der erste Monarch ermordet und der zweite hingerichtet wurde, während der dritte im Tod so geehrt wurde wie im Leben, sollte denen, die in der Geschichte nichts erblicken wollen als den Widerstreit zwischen Mächten und Ständen, zu denken geben. Aber schon diese offizielle Formulierung („lying in state“) soll uns hier interessieren, und zwar deshalb, weil solche Vereinfacher dies gerne „nur ein Zeremoniell“ nennen. In neuerer Zeit, besonders am Ende des 18. Jahrhunderts, als das höfische Ritual und die Etikette ihren Höhepunkt erreichten – wie stets vor ihrem folgenden Zusammenbruch – kam es zu einer weitverbreiteten Ablehnung solcher Zeremonien; und zwar nicht nur unter den Anhängern der Aufklärung, sondern auch unter vernünftigen Leuten. Infolge dieser Ablehnung geriet die wahre Bedeutung solcher Rituale weitgehend in Vergessenheit. Der öffentliche Ärger wandte sich gegen ebendie Festlichkeiten, die einst eingeführt worden waren, weil sie beim Volk beliebt waren.

Streiflicht: Die Tagesschau hats doch erzählt

" Lass die Leute reden und lächle einfach mild. Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der Bild. Und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht: Aus Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht."
                                            -- Die Ärzte: Lass die Leute reden (Liedtext)

Es ist eine kleine Randnotiz, die sich auf der Achse des Guten vor einigen Tagen finden lies. Unter Berufung auf die dts-Nachrichtenagentur berichtet die Achse vom ZDF-Politbarometer, dass per Umfrage heraus gefunden hat, dass 54 Prozent der Deutschen für eine Laufzeitverlängerung der AKWs ist. Das ist soweit die Hauptnachricht. Interessant ist der Nebensatz: 32 Prozent der Deutschen sind dafür, die AKWs bis zum April "in Reserve" zu halten, wie sich Robert Habeck das vorstellt. 

7. September 2022

Randnotiz: Die .... E-Räder

Der natürliche Feind des Radfahrers ist normalerweise der Autofahrer (und umgekehrt). Wer viel als Radfahrer unterwegs ist, kennt das zur Genüge: Die anderthalb Meter Überholabstand kann man bei einigen Autofahrern mit einem größeren Geodreieck nachmessen, Vorfahrt eventuell beim Linksabbiegen ist erst ab 200 Kilogramm Gegnergewicht von Relevanz und die Tür kann man jederzeit zur Seite aufstoßen, der Radfahrer wird schon sehen, was er davon hat. Das ist leider oftmals Alltag. (Da ich auch Autofahrer bin, kenne ich die Sprüche in die andere Richtung genauso, und sie sind auch genauso wahr.)

2. September 2022

Die grüne OPEC, Merit Order Effect und die dreisteste Klientelpolitik seit Ballisto Keksriegel

Ich gebe zu, ich bin mir dessen auch nur am Rande bewusst gewesen, aber nachdem Strompreisankündigungen von teilweise mehreren Faktoren die Runde machen, macht es doch Sinn sich mal Gedanken zu machen, warum dem denn so ist. Eine gute Zusammenfassung findet sich in diesem Video Video von Julian Reichelt (dessen Youtube Kanal definitiv ein Abo lohnt), doch das Thema erscheint so wichtig, dass ich es hier nicht nur bei einem Link belassen will.

30. August 2022

“Winnetou und ich.“ Ein Gastbeitrag von Dr. Carl May, Radebeul





(Das Portrait Mays, das ab 1892 als Frontispiz für die 33 Bände des Werkausgabe der Reiseromane des Fehsenfeld-Verlags verwendet wurde.)

(Die vor ein paar Wochen ausgebrochene „Sommerlochdiskussion“ um das Werk und die Person von Karl May anläßlich des Kinostarts des Jugendfilm „Der junge Häuptling Winnetou“ hat mit der Tatsache, daß der Verlag Ravensburger vier Kinderbücher, die er als Begleitprogramm dazu verlegt hat, aus dem Vertrieb genommen hat, nachdem eine kleine Anzahl Berufsempörter dem Film den Transport von rassistischen Klischees vorgeworfen hatte. Gestern hat die ARD erklärt, keinen der 11 Spielfilme, die zwischen 1962 und 1968 mit Pierre Brice und Lex Barker in den Hauptrollen entstanden sind, mehr ins Programm zu nehmen. Vor einer Woche hat der Hamburger „Afrikahistoriker“ Jürgen Zimmermann auf Twitter Mays Westerngeschichten für im Kern #rassistisch und #antisemitisch erklärt. Zimmerer gehört zu jenem kleinen Kreis von Historikern, die die sogenannte „Kontinuitätstheorie“ vertreten und für die sich die Verbrechen des Holocausts unter dem Nationalsozialismus geradewegs aus dem Verhalten der deutschen Kolonialbehörden in Afrika 4 Jahrzehnte zuvor herleiten. (Warum die Engländer, die doch im Burenkrieg kein Jahrzehnt zuvor die ersten als solche bezeichneten „Konzentrationslager“ einrichteten, sich hier nicht anschlossen, sowenig wie die Belgier, deren brutale Ausbeutung der indigenen Bevölkerung im Kongo durch den Report von 1904 durch Roger Casement weltweite Empörung auslösten, wird immer ein Geheimnis solcher „Forscher“ bleiben.) Zwei Tage später hat Zimmerer in der „Berliner Zeitung nachgelegt: „Es ist kein Zufall, dass Adolf Hitler und SS-Chef Himmler große Karl-May-Fans waren“ – und daß „der Rassismus und der Kolonialismus quasi die DNA der Geschichten von Winnetou, Old Shatterhand und Kara ben Nemsi“ ausmachen.“ Die Vorstellung von „einem Land, das man besiedelt, während die Bewohner einfach verschwänden,“ sei das literarische Programm gewesen, daß dann ein halbes Jahrhundert von den Nationalsozialisten im Osten Europas in die Praxis umgesetzt worden sei. In welchen der Orient-Romane um Kara Ben Nemsi die „bisherigen Einwohner einfach verschwinden,“ dürfte freilich ein Geheimnis unseres Beschwerdeführers bleiben. Und daß literarische Werke - ungeachtet ihrer Qualität – gemeinhin nicht zu Anstiftungen für solche Aktionen werden, dürfte sich außerhalb der Wokeness-Blase solcher Leute auch herumgesprochen haben. Aber wen kehren schon solche Petitessen, wenn man sich medienwirksam im Sommerloch ausmähren darf?



Zettels Raum hat aus Anlaß dieser Mißhelligkeit den Verfasser jener Berichte, in denen er uns von seinen Erlebnissen während seiner Reisen in die Neue Welt und seinen Erfahrungen mit den dortigen Ureinwohnern berichtet, Herrn Carl May, wohnhaft in Radebeul, um eine klärende Stellungnahme in eigener Sache gebeten. Dr. May war so freundlich, uns den folgenden Text zur Verfügung zu stellen, den wir gerne mit unserer Leserschaft teilen. Der Titel stammt von der Redaktion.)

29. August 2022

Eine wirkliche Mondrakete. "Hit the Road, Jack!"





(Aufnahme: John Kraus, 26. August 2022)



„Hit the road, Jack
And don’t you come back
No more, no more, no more, no more…!

(Ray Charles)

Vor fast zwei Wochen ist im Zug der fast ∞en Geschichte der „Rückkehr zum Mond“ etwas geschehen, daß ich in all den Jahren, in denen ich nun das „Abenteuer Raumfahrt“ verfolge, noch nie erlebt habe. Statt einer Verzögerung, eines weiteren Hinausschiebens, einer Terminüberschreitung hat sich die Leitung des amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA am vorigen Montag, dem 15. August, völlig überraschend entschieden, den „Rollout,“ den Transport der Mission Artemis I von VAB, dem Vehicle Assembly Building zur Startrampe 39B des Kennedy Space Centers um zwei Tage vorzuziehen. Und so fand der gut 6,2 Kilometer lange Transport des SLS, des Space Launch System mit der Orion-Raumkapsel, dem Starttisch und dem Startturm, der die 98 m hohe Rakete noch um einiges überragt, vom Abend des 17. August an statt – nach dem Takt der Mitteleuropäischen Sommerzeit von kurz nach 4 Uhr morgens bis kurz nach 14 Uhr am Mittwoch, bis der Crawler-Transporter 2 seine Last von insgesamt gut 9700 Tonnen nach einer Fahrdauer von 10 Stunden und 8 Minuten in die Halterungen des Starrampe abgesenkt hatte – diesmal nicht zu einem Probebetankung, eins Check der Systeme – sondern um, wenn nicht Unvorhergesehenes dazwischen kommen sollte. In etwas mehr als 10 Stunden, am heutigen Montag, dem 29. August 2022, die viersitzige Orion-Raumkapsel auf ihren ersten Flug zum Erdtrabanten zu schicken.

26. August 2022

William Herschel und das Gespenst





William Herschel. Porträt von Lemuel Francis Abbott, 1785.

Der folgende Bericht möge ein einfaches und doch, scheint mir, schätzbares Zeugnis ablegen von der besonderen Geistesart Sir William Herschels, des Astronomen. Das Mitgeteilte ereignete sich zu der Zeit, da der Vierunddreißigjährige sich – 1772 war das Jahr – als Musiklehrer in Bath in Somerset niedergelassen hatte. Gleichzeitig war er Organist der sogenannten Oktagon-Kapelle; er komponierte Motetten und Gesänge, ja ganze Kirchenmusiken, studierte sie ein und führte sie auf; und er dirigierte öffentliche Konzerte. Doch diente all diese aufreibende Tätigkeit ihm nur zum Broterwerb, um um nämlich in der Mußestunden seiner eigentlichen Leidenschaft und Berufung, der Himmels-Erforschung, sich hingeben zu können. Auch das forderte von ihm neben der geistigen eine schwere körperliche Leistung, indem alle nötigen Instrumente noch fehlten, so daß er seine Teleskope, das erste zwanzigfüßige wie später das große vierzigfüßige, ganz und gar selber erbaute, selber die Spiegel schliff und mit Hilfe seiner Schwester Caroline, die sein Haus betreute und vom Strickstrumpf bis zum Logarithmus alles erlernte, jedes Einzelteil an der Drehbank selber herstellte.

In dieser arbeitsfiebernden, für unendliche Fruchtbarkeit feurig wirkenden zeit klagte er einmal in einem kleinen Kreis freundgesinnter, das Beste von ihm erwartender Männer über ein Nachlassen seiner Kräfte – und daß ihm nur wenige Wochen einsamer Hingabe an eine gewisse Arbeit fehlten, um sie zu Ende zu bringen. Wenn er auch den nötigen Urlaub von seiner sonstigen Tätigkeit sich aneignen könne, so mangle doch eine Stätte, wo er nicht, wie im belebten Bath, beständigen Störungen ausgeliefert bleibe. Einer der Anwesenden, ein begüterter Aristokrat, äußerte, da die übrigen schwiegen, nach einer Weile, halb verlegen und halb im Scherz: Er wisse vielleicht eine solche Stätte, doch würde sie Herschel kaum zusagen. Dies sei, erklärte er auf Befragen, ein unfern, am Ausgange eines Dorfes gelegenes Schlößchen, das im Besitz seiner Familie, jedoch unbewohnt, nämlich unbewohnbar sei, weil es darinnen spuke. Ein Vetter hatte sich dort das Leben genommen; jahrelang blieb es leer; dann vertrieb der Ungeist die wieder Wohnung Versuchenden, nun war es wohl tief im Verfall.

24. August 2022

Klabauterbach schätzt

Das Propellerkarl nicht so recht mit den Anforderungen  in Mathematik der Mittelstufe mitkommt, war hier schon einmal Thema. Aber wenn der Ruf schon ruiniert ist, soll es sich angeblich ganz ungeniert leben. Karl macht den Test. So twittert er gestern vormittag (muss der eigentlich nicht arbeiten um die Zeit?) so vor sich hin und schrieb uns allen dass Paxlovid die Sterblichkeit an Corona bei Älteren um bis zu 90% senke. 

11. August 2022

Zeitmarke. Vor 50 Jahren: Stippvisite aus dem All





Unter den letzten Texten, die der Gründers dieses Netztagebuchs, Zettel, nur gut zehn Tage vor seinem plötzlichen, völlig unerwarteten Tod im Februar 2013 veröffentlicht hat, sind drei Wortmeldungen, die sich mit dem Thema des Meteoriteneinschlags in der südrussischen Stadt Tscheljabinsk befassen („Was ist eigentlich ein Meteorit? Ein Asteroid? Eine Sternschnuppe?“, „Die Fakten zum Meteoriteneinschlag im Ural“ und „Millionen von Asteroiden. Was kann man gegen diese Gefahr tun?“ – Zettels Raum vom 15 und 16. Februar 2013). An jenem 15. Februar explodierte um halb 10 Uhr morgens ein Meteorit in einer Höhe von gut 30 Kilometern, mit einem Durchmesser gut 20 Metern und einer geschätzten Masse von 12.000 Tonnen, nachdem er mit einer Geschwindigkeit von gut 70.000 Stundenkilometern in die Atmosphäre eingetreten war, mit einer Sprengkraft von 400 bis 500 Kilotonnen TNT, also etwa der 30fachen Energie, die 1945 beim Abwurf der ersten Atombombe auf Nagasaki freigesetzt worden war. Gut 7000 Gebäude wurden in einem Umkreis beschädigt; in den folgenden Tagen suchten in der Oblast Tscheljabinsk 1400 Menschen um ärztliche Hilfe nach; von denen gut 120 i stationär in den örtlichen Krankenhäusern behandelt werden mußten; die meisten hatten sich Schnittverletzungen durch geborstene Fensterscheiben zugezogen. Es war der bislang ernsteste und zerstörerischste Zusammenstoß mit einem solchen „kosmischen Vagabunden,“ der im Lauf der aufgezeichneten menschlichen Geschichte registriert worden ist. (* Es gibt eine mögliche Ausnahme, auf die ich am Ende dieses Beitrags kurz zu sprechen komme.) Andere spektakuläre Meteoreinschläge, etwa der bekannte von Tunguska im Juni 1908 oder der Sichote-Alin-Meteor vom Februar 1947, fielen in unbewohnten Gegenden, im östlichen und zentralen Bereich Sibiriens und richteten nur Waldschäden an – ebenso wie der Bolide, der im Februar 1896 über Madrid niederging und der das Stauen der Zeitgenossen erregte, weil die leuchtende Rauchspur, die er in der Atmosphäre hinterlassen hatte, noch stundenlang sichtbar blieb.

7. August 2022

"Weltraumquallen II" oder: Gedränge im Weltraum





Oder, genauer gesagt: nicht im Weltall – wohl aber an den Weltraumbahnhöfen der Erde, von denen aus der Start in die irdische Umlaufbahn und darüber hinaus erfolgt. Und wenn auch für die einzelnen Startrampen dort vorgestern jeder Start eine Rakete „das übliche Programm“ darstellte, so manifestierte sich die drangvolle Enge doch immerhin im Terminkalender des Betrachters. Ich habe es jetzt nicht für jeden Tag in der Geschichte der Raumfahrt nachverfolgt, aber eine solche Häufung, eine solche Taktfolge, wie sie vor 2 Tagen, am 4. August 2022, an den Tag gelegt wurde, hat es in diesen fast 65 Jahren noch nicht gegeben. Nicht eine, nicht zwei, auch drei, sondern gleich vier verschiedene Missionen haben, über den ganzen Tag verteilt, ihren Anfang genommen. (Als kleines Beseit: es gibt kein griffiges deutsches Pendant für die englische Wendung „a busy day“ – wie in „a busy day in space“: hier werden nur Teilaspekte betont: „ein stressiger Tag,“ „das volle Programm“.) (Auf dieser Seite der ESA, „Space Environment Statistics,“ kann man nachlesen, daß seit dem 4 Oktober 1957, als das Raumfahrtzeitalter durch „Sputnik“ eingeleitet worden ist, bei gut 6220 Starts insgesamt 13300 Satelliten ins All befördert worden sind, von denen gute 6100 zurzeit noch ihren Dienst versehen; zu beachten ist, daß mehr als 2950 davon aus die Konstellation entfallen, die seit dem Mai 2019 durch „Starlink“ gebildet wird.)

Gelegentlich ist es vorgekommen, daß zwei Starts am selben Tag stattfanden – aber dann waren die Starts in der Regel Teil einer gemeinsamen Mission. So etwa beim Start der gemeinsamen Apollo-Sojus-Mission im Juli 1975 zum „Rendezvous im Weltraum,“ einer symbolischen Aktion, die das „Ende des Wettlaufs ins All“, des „Space Race“ symbolisieren sollte – offiziell ASTP, Apollo-Sojuz-Test-Programm genannt, als umgerechnet auf Mitteleuropäische Zeit (der Flug fand 5 Jahre vor der Einführung der Sommerzeit in Deutschland statt) um 13:20 die Kosmonauten Alexej Leonov und Waleri Kubasow mit Sojus-19 vom Kosmodrom Baikonur starteten, gefolgt um 20:50 von Thomas Stafford, Vance Brand und Deke Slayton in einer „Apollo“-Kapsel von Cape Canaveral. (Ältere Zeitzeugen werden sich erinnern, daß Amerikas Raumfahrtbahnhof während des Mondlandeprogramms als „Cape Kennedy“ in den Medienberichten figurierte; die Rückänderung des in Florida unbeliebten Namens erfolgte im Oktober 1973.) Möglich geworden war das Unternehmen dadurch, daß der US-Kongreß im Januar 1972 die Mittel für die drei letzten geplanten Mondflüge, Apollo 18 bis 20, gestrichen hate, die „Hardware“ aber schon gefertigt worden war.

So war es auch im Fall des letzten „Doppelstarts“ am gleichen Kalendertag von der amerikanischen „Space Coast“ aus, im März 1966, als Gemini 8 von der Startrampe 19 mit den Raumfahrern Neil Armstrong und David Scott abhob, um ein Rendezvous mit der Zweitstufe einer Atlas Agena-Rakete durchzuführen, die 100 Minuten zuvor vom benachbarten „Launch Complex-14“ auf den Weg gebracht worden war. Das Manöver diente zur Erprobung der Navigations- Kopplungstechniken, die für die Durchführung der Landung auf dem Mond notwendig werden sollten. Das Unternehmen stand unter keinem guten Stern: das Andocken gelang zwar, aber ein Ventil in der Agenda-Stufe hatte sich beim Start verklemmt, und bei dem Versuch, die instabile Lage mit dem dortigen Antrieb zu korrigieren, hatte zur Folge, daß Kapsel und Rakete in ein sich beschleunigendes Rotieren gerieten, bis sie sich einmal pro Sekunde drehten. Nach der Trennung und der händischen Korrektur der Lage des Raumschiffs durch Kommandant Armstrong war der Treibstoffvorrat der Kapsel so weit erschöpft, daß die Mission nach nur 10 Stunden abgebrochen wurde. (Beim ersten „gemeinsamen Raumflug“ drei Jahre zuvor, mit den Kapseln Wostok 5 und Wostok 6 im Juni 1963, mit den Kosmonauten Walentina Tereschkowa und Waleri Bykowski, lagen übrigens zwei Tage zwischen den beiden Starts)

Aber der Reihefolge nach; und zwar der zeitlichen.

26. Juli 2022

Das Mittel ohne Nebenwirkungen

"Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat."
                                                                                                     --- Gustav Kuschinsky

Das alle wirksamen Medikamente Nebenwirkungen haben, ist vermutlich so ziemlich jedem Pharmakologen bewusst, es hat mitunter den Character einer selbst dem Laien vertrauten Binse. Was den weltbekannten, selbsternannten Virologen, Epidemiologen und Pharmezeuten ehrenhalber, Dr. Karl Lauterbach, nicht daran hinderte die "Impfung" gegen Corona wiederholt als nebenwirkungsfrei(!) zu bezeichnen, beispielsweise hier. Natürlich könnte es sein, dass Lauterbach einfach davon ausgegangen ist, dass der Stoff auch hauptwirkungsfrei ist (was man wohl inzwischen mit einiger Berechtigung durchaus unterstellen kann), aber viel wahrscheinlicher ist es wohl eher, dass der gute Mann eben nicht nur in seiner Eigenschaft als Epidemiologe ein Hochstapler ist und seine Qualifikation als Arzt von ähnlicher Qualität rührt. 

24. Juli 2022

Von "Layla" zu "Putin"





Lenin hat es nicht geschafft
Stalin hat es nicht gerafft.
Wieso denkt Ihr, daß ich das kann?
(Putin Girls): Du führst uns ins gelobte Land!
Ganz recht: verdammt noch mal, ich bin der Putin-Mann!

I.

Mitunter kommt man als Blogger zu seinen Themen wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind – in diesen Fall durch schlichte Anwendung des klassischen dialektischen Dreisprungs „Theke → Antitheke → Syntheke.“ Und daß ich ohne den Anlaß nicht auf diese Pointe gekommen wäre, zeigt eine musikalische Bildungslücke, die vielleicht mehr über mich sagt, als mir lieb sein kann. Auslöser war in diesem Fall der Hinweis des geschätzten Netztagebuchmitführers Llarian auf Marius Müller-Westernhagens kleines musikalisches Skandalon über nichtschlank gelesene Zeitgenossen vor mittlerweile auch schon 44 Jahren. Ich habe dazu im „Kleinen Zimmer“ die Anmerkung angefügt, daß „Dicke“ Ende 1978, als MWWs vierter Longplayer „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ erschien und im Radio gespielt wurde, keineswegs so anlaßlos in der Luft hing, wie das den Nachgeborenen erscheinen mag. Das Album hat Müller-Westernhagen damals „einen Namen gemacht,“ seine ersten drei LPs, die vorher im Jahrestakt erschienen waren, waren, waren praktisch unbeachtet geblieben – und als Schauspieler hat er sich erst zwei Jahre später in der Hauptrolle in Peter Bringmanns „Theo gegen den Rest der Welt“ einen gewissen ikonischen Ruf erworben, in einem der wenigen deutschsprachigen Road Movies, die nicht von der ersten bis zur letzten Szene bemüht und witzlos daherkommen. Das „Pfefferminz“-Album war eines der ersten Alben, bei denen Deutsch als Sprache der Rockmusik wenn schon nicht geschätzt, aber zumindest allgemein zur Kenntnis genommen wurde. Zuvor war das allein Udo Lindenberg vorbehalten gewesen. Hörern, die später musikalisch sozialisiert worden sind, mag es vielleicht unglaublich erscheinen, aber für eine, zwei Generationen, die seit den Fab Four aus Liverpool mit der aktuellen Populärmusik groß geworden sind, war – und ist – die Idee, „Deutsch“ als Idiom der Rockmusik zu verwenden, grotesk und geschmacklos. Wirkliche Rockmusik: das waren die Rolling Stones, die barock gedrechselten Synkopen von Genesis, „Stairway to Heaven,“ „River Deep, Mountain High,“ der Sound von Janis Joplin und Jimi Hendrix (gut, bei Hendrix‘ Genuschel hätte es sich auch um Esperanto handeln können). Deutsch war die Sprache der seichten, peinlich triefenden Schlager – oder, ab Ende des 70er Jahre, der Liedermacher wie etwa Reinhard Mey. Bevor gut ein Jahr später, um die Jahreswende 1979/80, die stets wie eine Parodie-ohne-Witz daherkommende aufgesetzte Infantilität der „Neuen Deutschen Welle“ losbrach, war die „Vorige Deutsche Welle“ den „Blödelbarden“ von Schlage Insterburg & Co., Frank Zander und Ulrich Roski vorbehalten gewesen. (Daß Meys größte Erfolge Mitte der 70er Jahre wie „Diplomatenjagd“ oder „Annabelle“ sich genau in dieses Muster fügten, ist wohl kein Zufall.)