10. Oktober 2022

Nicht jeder bekommt, was er verdient. Aber mancher schon. Eine Mini-Analyse.

Niedersachsen hat gewählt und auch wenn die Spin-Doktoren schon seit 18 Uhr versuchen ihre jeweilige Partei zum eigentlichen Sieger zu erklären, so gibt es genau drei tatsächliche Wahlsieger: Die Grünen, die AfD und die Nichtwähler. Alle drei haben knapp 200.000 Stimmen zugelegt.

Wo es Sieger gibt, gibts meistens auch Verlierer. In diesem Fall auch drei. Der größte Verlierer ist die CDU mit knapp 270.000 Miesen, gefolgt von der SPD mit knapp 200.000 Verlust und am Ende die FDP mit knapp 120.000 verlorenen Stimmen. Wobei die SPD zwar dick verliert, aber weiter regieren darf (soweit kein Beinbruch, außer das ein paar wenige Leute jetzt vom Mandat in die parteinahen Stiftungen wechseln müssen, um weiter vom Steuerzahler alimentiert zu werden) und die FDP sich aus dem Landtag verabschiedet.

Letztere dürfen sich ganz frank und frei in Berlin bedanken. Das ist ein wahrer Sieg für Marco "Alle Maßnahmen enden im März 22" Buschmann und Christian "Besser gar nicht regieren als schlecht regieren" Lindner. Hochverdient und ohne Diskussion, erstaunlich ist eher, dass die FDP überhaupt noch in der Nähe der Fünf-Prozent-Hürde gesehen wurde. Man darf sich die Frage stellen warum die FDP soviel stärker abgestraft wird als ihre Koaltionspartner in Berlin. Aber die Antwort ist simpel: Weil Grün-Wähler ohnehin nichts anderes von ihrer Partei erwarten, als das, was da abgeliefert wird. Für die meisten Grünen-Wähler ist die Überforderung von Habeck kein Problem. Ein liberaler Justizminister dagegen, der eine totalitäre Regelung nach der anderen raushaut, ist dagegen für viele potentielle liberale Wähler ein Riesenproblem. Insofern ist die FDP genau da, wo sie hingehört und wo sie am besten auch verbleibt. 

Doch auch die CDU verdient einen zweiten Blick, denn natürlich wird in der Mehrheit der Medien das Ganze als die große Bewertung von Friedrich Merz beschrieben. Ich denke es spricht einiges dagegen. Zum einen ist Friedrich Merz viel zu unsichtbar, um da viel zu bewirken, zum anderen hat das CDU-Ergebnis die letzten anderthalb Jahre in der Größenordnung rumgedümpelt. Merz wurde im Dezember 21 CDU-Vorsitzender, seitdem hat sich dort schlicht gar nichts getan. Er hat somit keinen Schaden angerichtet, kann aber auch von der Inkompetenz der Ampel nicht profitieren. 
Die CDU fliegt vor allem deshalb so deutlich aus der Koalition, weil sowohl FDP als auch SED den Einzug verpassen. Hätten beide Parteien den Einzug geschafft, wäre es für die jetzt anstehende rot-grüne Regierung sehr knapp geworden.

Das Kuriosum dieser Wahl sind aber die Grünen, die, das kann man nicht wirklich verhehlen, die eigentlichen Sieger der Wahl sind. Sie haben fast 200.000 Stimmen zulegen können und das bei einer sinkenden Wahlbeteiligung. Sie werden nun in die Regierung aufrücken und dort ein Drittel der Minister stellen dürfen. Das ist, angesichts des Chaos in Berlin, zunächst mal sehr erstaunlich. Aber dann fallen doch zwei Dinge auf, die das ganze zumindest ein wenig relativieren: Es hätte schlimmer kommen können. Noch vor drei Monaten lagen die Grünen in Umfragen noch einmal einen Faktor 1,5 höher als sie jetzt erreicht haben. Der Ukraine-Krieg, bzw. ihr Management davon ist zunächst bei den Wählern sehr gut angekommen, die durchweg gute Presse bewirkte (mal wieder) einen Höhenflug. Als zunehmend klar wurde, dass dieser Weg gewaltige Probleme verursachen würde, ging die Begeisterung deutlich zurück, Habecks Interview bei Maischberger alleine dürfte das vermutlich verheerendste Einzelereignis seit Baerbocks Lebenslauf gewesen sein. Wenn man so will haben die Grünen fast ein Drittel ihrer potentiellen Wähler in den letzten drei Monaten verloren. Und die Tendenz geht klar nach unten. 

Auch wichtig in diesem Kontext erscheint eine weitere Beobachtung: Im Rahmen der Wählerblöcke hat sich in den letzten fünf Jahren wenig getan. Das was die Grünen zugelegt haben, haben SPD und SED verloren. Was die AfD zugelegt hat, fehlt bei CDU und FDP. Und selbst Kleinparteien wie die Basis dürften ihr Prozent zu guten Teilen bei der FDP abgezogen haben. Insgesamt gibt es hier keine riesige Verschiebung, die eigentliche Verschiebung hat in der Periode davor statt gefunden.

Und natürlich sollte man auch etwas zur AfD sagen. Sie profitiert als einzige tatsächlich aus dem Berliner Chaos und holt so ziemlich alles raus, was für sie drin war. Knappe 11% sind nicht wenig, vor allem für ein westdeutsches Bundesland. Umso stärker das Chaos aus Berlin wird (und derzeit gibt es keinen Grund, dass dem besser werden könnte), umso mehr wird die AfD wohl profitieren, so dass es gut sein kann, dass diese 11% sich als Basis verfestigen. Das wird umso mehr der Fall sein, wenn wir in den nächsten Tagen wieder zunehmende Wählerbeschimpfung, gerade aus ehemals konservativen Parteien, hören werden. Merz "Brandmauer gegen rechts" hat nicht nur nicht funktioniert, es besteht die reale Gefahr, dass dieses Konzept die AfD weiter stärken wird, zumal die AfD zunehmend als die eigentliche Opposition wahrgenommen wird. 

Insgesamt ist das Wahlergebnis erstaunlich "brav" und entspricht noch der deutschen Mentalität. Die Panik vor dem Winter scheint noch nicht angekommen zu sein und gerade in Niedersachsen mag man sich, angesichts der heimischen Windräder und den vergleichsweise milden Wintern, noch vergleichsweise sicher fühlen. Zumindest spricht das Wahlergebnis dafür, dass noch keine helle Panik ausgebrochen ist. 
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Llarian

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