30. September 2015

Zitat des Tages: Zum Tod von Hellmuth Karasek

Ich hatte mich daran gewöhnt, dass es ihn gibt, und solange es ihn gab in meiner Umgebung, war dieses ideologisch überhitzte Deutschland weniger verbissen, weniger dumm. 

Es war lebenslustiger.
(Matthias Matussek zum Tod von Hellmuth Karasek)

Kommentar: 

Diesem geradezu zärtlichen Nachruf gibt es zur Person von Karasek wenig hinzuzufügen. Karasek war der Beweis dafür, dass ein hohes bildungsbürgerliches Niveau selbst in Deutschland nicht zwangsläufig zu Verbitterung, Elitarismus und Pöbelverachtung führen muss, wie es so häufig der Fall ist. Er war sich im besten Sinne zu nichts zu schade, kein Thema war ihm zu banal - und wenn er es behandelte, ließ er sich nicht dazu herab, sondern hob es empor.

Er, der scherzte, oft mit Grass verwechselt zu werden, überlebte seinen großen Antipoden nur um ein paar Monate. Allerdings: An literarischen Gewissen der Nation wird auch zukünftig kein Mangel herrschen. Karaseks fantastische Beschwörung der leichten Muse wird nun Willemsen übernehmen. Und das ist ein Gedanke, der fast ebenso traurig stimmt wie die Nachricht von seinem Tod.

Die Feder entschwindet, es bleibt das Blei.

R.I.P.


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Meister Petz


© Meister Petz. Für Kommentare bitte hier klicken.

23. September 2015

Der Wagen des Volkes

Endlich kriegen die dreisten Manager der Autokonzerne, die unsere Luft verpesten, mal so richtig einen auf den Deckel, mag mancher Umweltaktivist denken! Endlich bekommen es die Schulmeister aus Deutschland auch mal mit der Angst zu tun, mag sich mancher im schuldengeplagten Südeuropa freuen!
So verständlich diese Haltung sein mag – eine solche Häme ist angesichts der Dramatik der Ereignisse um Volkswagen nicht angebracht. Pathetisch zugespitzt gilt: Scheitert VW, dann scheitert Deutschland. Und scheitert Deutschland, scheitert Europa. (Richard Rother, taz)  

Sie haben richtig gelesen - dieser Kommentar stammt nicht aus der Auto Bild, sondern aus der taz! Aus dem antinationalistischen Ökoblatt, dem der Niedergang eines vom Führer persönlich gegründeten Konzerns, der die Welt mit fossil betriebenen Dreckschleudern verpestet, doch eigentlich einen inneren evangelischen Kirchentag bereiten müsste!


21. September 2015

Die Atomverschwörung (2): Privatisieren und sozialisieren

Der zweite Teil der Atomverschwörung ist aufgrund des Ausstiegs eigentlich in weiten Teilen eine Braunkohleverschwörung. Aber er passt so schön zum Thema, weil es hier auch darum geht, wie ein Thema kommuniziert wird und wie die Fakten sind. Wieder geht es um RWE.

Als Aufhänger diene folgende Meldung, die aber nur der Höhepunkt einer seit dem Beginn der Energiewende andauernden Entwicklung ist: 
Um rund 60 Prozent haben RWE-Aktien an Wert verloren - in nur einem Jahr. Experten warnen: Der Konzern droht mittelfristig aus dem Dax zu rutschen. Dem Essener Energiekonzern RWE droht nach Einschätzung von Experten ein Abstieg aus dem Deutschen Aktienindex (Dax).   
"Der Abstieg von RWE ist noch nicht akut, aber es darf auch nicht mehr viel passieren“, sagte der Index-Experte der Landesbank Baden-Württemberg, Uwe Streich.

19. September 2015

Im Zug von Wien nach München. Ein Erlebnisbericht von Daska

Ich frage: Wer könnte und was könnten wir von den Flüchtlingen lernen?

Am Samstag, den 5.9. wurde ich mit den Flüchtlingen zusammen, mit denen ich im selben Regionalzug aus Osten kommend saß, bei der Ankunft im Münchner Hauptbahnhof beklatscht. Ich suchte schnell das Weite und verschwand in der Menge der Schaulustigen, bevor einer auf die Idee gekommen wäre, mich vor laufender Kamera nach meinem Woher und Wohin zu fragen.

18. September 2015

Wer könnte und was können wir schaffen?

Die deutsche Vergangenheit weist Deutschland eine besondere Pflicht zu, die echten Flüchtlinge aufzunehmen. Unser Asylgesetz wurde vom Wissen um vergangene Verfolgungen von Millionen geschrieben. Sind es verrückte Gutmenschen gewesen, die mit Obst und Teddybären an die Bahnhöfe eilten, um die Fremden zu bewillkommnen? Vielleicht wollten die Deutschen nicht nur wiederum die Besten sein, wie andere Europäer spotteten.

17. September 2015

Von denen da oben und denen da unten


­Es ist schon ein seltsames Erlebnis in diesen Tagen die Zeitungen liest: Egal ob man Interviews, Reportagen, Berichte oder Kommentare liest, überall findet man ein nahezu einheitliches Bild: Deutschland heißt die Flüchtlinge willkommen. Deutschland zeigt Mitgefühl. Deutschland ist das Fanal der Humanität. Deutschland führt Europa in eine bessere Zukunft. Deutschland löst sein Demographieproblem.

Nun kann das –theoretisch- ja alles sein. Irritierend ist aber, dass es, nicht nur nahezu sondern ganz praktisch, keinen Gegenstandpunkt mehr gibt. Und nicht nur das, auch die Faktenberichterstattung zeichnet inzwischen ein sehr interessantes, um nicht zu sagen seltsames, Bild der Realität. 

15. September 2015

Über die Pflicht und das Recht in einer multikulturellen Gesellschaft zu leben und dem Wunsch nach Demokratie.


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Vor einigen Tagen habe ich mir Gedanken zum gemeinen deutschen Pack gemacht, das Siggi Pop ganz gerne aus Deutschland ausschließen, zumindest dem gegenüber er seine Augen gerne verschließen möchte. Andere Autoren sind dann noch einen Schritt weiter gegangen und haben halb Sachsen zum Pack erklärt, womit der Begriff Dunkeldeutschland eine fragwürdige Renaissance erleben durfte. Und wie immer, wenn man etwas skalieren kann, so macht das in aller Regel nicht an einer Ländergrenze halt: Es gibt nicht nur Dunkeldeutschland, es gibt inzwischen auch Dunkeleuropa, zumindest in Teilen. Die Nummer eins der Dunkelmänner (Dunkelfrauen gibt es bekanntlich nicht) sind inzwischen wohl die Ungarn, die es angesichts des Elends dieser Welt tatsächlich gewagt haben, auf bestehende Verträge und Gesetze zu verweisen. Aber auch andere Europäer sind nicht so ohne, gibt es doch Länder die mehr oder weniger offen verkünden, dass sie eben keine oder nur bestimmte „Flüchtlinge“ (neudeutsch: Migranten) aufnehmen wollen. Und manchmal (aber nur manchmal) gibt es auch mal ein ehrliches Wort darüber, dass man seine kulturelle Homogenität gerne erhalten möchte. Das ist dann schon ziemlich Pack. Um nicht zu sagen Autobahn.

14. September 2015

Wir schafften das nicht

Was für ein Rausch, was für ein Höhenflug: Kaiserinnenwetter im Frühherbst! "Wir schaffen das!", ruft die Kanzlerin, liebevolle Menschen strömen zu den Bahnhöfen mit Geschenken und Gesängen, Mama Merkels neue Untertanen freuen sich, die Dichter in den Redaktionsstuben schreiben Huldigungen.

11. September 2015

Zitat des Tages: Keine Obergrenze

"Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze; das gilt auch für die Flüchtlinge, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs zu uns kommen."
(Angela Merkel, Rheinische Post vom 11.9.2015.)

Mit dem ersten Satz hat die Kanzlerin recht. Wobei allerdings dieses Grundrecht seit langem so gut wie abgeschafft ist: denn wer nicht gerade mit dem Boot an der Nordseeküste anlandet, ist zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat eingereist und kann sich damit nicht mehr auf eine politische Verfolgung berufen. So steht's im Grundgesetz, Artikel 16(2).

Das gleiche müsste dann freilich auch für die Flüchtlinge gelten, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs kommen. Auch diese haben Aufnahme und Sicherheit in Drittstaaten gefunden, bevor sie sich auf den Weg zu uns begeben haben.

10. September 2015

Die Kolonialherren

Eigentlich sollte der Vortragende über Geschichte sprechen, über 200 Jahre Wiener Kongreß. Aber die Parallele lag halt nahe: Damals durfte man ja noch Länder erobern und aufteilen, und der russische Zar war dabei geschätzter Partner. Und heute sind diese schönen Sitten außer Mode gekommen und der arme Wladimir muß deswegen draußen bleiben. Was dem Vortragenden überaus mißfiel und nach den üblichen Klagen über den Verfall von Bildung und Moral zur Aufzählung des großen Sündenregisters führte: "Wir" wollen den Russen wie schon damals im Krimkrieg ihre Gebiete wegnehmen, und "wir" haben den Zerfall Jugoslawiens verursacht und "wir" haben das osmanische Reich zerschlagen und damit die Konflikte in Nahost verursacht.

Wenn man deutsche Medien verfolgt, bekommt man von linker Seite Ähnliches serviert: "Wir" haben die Taliban und ISIS gegründet und unterstützt, "wir" hatten auch seinerzeit zu verantworten, daß die Mullahs den Iran übernommen haben. "Wir" sind schuld an der Armut in weiten Teilen der Welt und "wir" sind schuld an Afghanistan, Irak und Libyen, weil "wir" interveniert haben und an Eritrea, dem Sudan und Burundi, weil wir nicht interveniert haben.
In Syrien sind sich die Kommentatoren noch uneinig, ob "wir" schuld sind wegen Intervention oder "wir" schuld sind wegen Nicht-Intervention. Auf jeden Fall sind sie eich einig: Die Einheimischen haben mit dem Bürgerkrieg sicherlich nichts zu tun.

7. September 2015

Spielgeld

Es war der große Hype. Pünktlich zur "Eurokrise" wurde eine Währung propagiert, die top-modern daher kam und alle Nachteile der klassischen Zentralbank-Währungen vermeiden sollte.
Es verstand zwar kaum jemand, wie diese Bitcoins eigentlich genau funktionierten. Aber die EDV-Nerds hatten Tools bereitgestellt, mit denen auch Amateure sich ein Bitcoin-Konto anlegen und benutzen konnten.

Die Eigenschaften von Bitcoin trafen genau die wunden Punkte, die die Zentralbank-Kritiker und Staatsskeptiker am Euro und anderen Währungen störten:
- Bitcoin ist eine völlig neutrale Währung, "gehört" niemanden und ist daher von niemand, auch keinem Staat, beeinflußbar.
- Insbesondere ist die Zahl der Bitcoins vom System her beschränkt, d.h. es kann keine Inflation geben oder eine Entwertung durch "Quantitative Easing", wie das die EZB derzeit praktiziert.
- Das ganze Bitcoin-Zahlungssystem läuft völlig anonym. Kein Geheimdienst kann herausfinden, welcher Eigentümer hinter einem Konto steckt. Und ohne den kryptographischen Schlüssel des Eigentümers kann auch niemand auf das Geld auf diesem Konto zugreifen.

Inzwischen hat Bitcoin einige Höhen und Tiefen, insbesondere auch einige Krisen hinter sich.
Und es wird immer klarer: Es bleibt ein Spielzeug für bestimmte Nischengruppen und wird keine Alternative zu normalen Währungen sein.

5. September 2015

Können wir das schaffen ?


Wer kleine Kinder in seinem Umfeld hat, kommt oftmals unweigerlich um zwei Sätze nicht herum: „Können wir das schaffen ? Jo, wir schaffen das.“. Es ist die Parole von Bob dem Baumeister und immerhin hat eine Abwandlung des zweiten Satzes einen weit überforderten Hinterbänkler ins Amt des amerikanischen Präsidenten befördert.
Nun war es unsere Frau Bundeskanzler die in der letzten Woche mit einem ähnlichen Satz glänzte. Genaugenommen sagte Sie wohl: "Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden." Bezogen hat Sie sich dabei –selbstredend- auf den derzeitigen Zustrom an Flüchtlingen in die Bundesrepublik. 

4. September 2015

Dumpfer Hass und klare Kante. Zweite Ergänzung zu Llarians Pack-Zettel-Beitrag

Nach Sigmar Gabriels Auftritt in der Packstation Heidenau legte er in einem SZ-Interview nach, und diese Aussage ist ebenfalls sehr aufschlussreich:
Ihn besorgten zwei Dinge, sagte Gabriel der "Süddeutschen Zeitung": "Das eine ist die Vermutung der Neonazis wie in Heidenau, dass sie dem sogenannten gesunden Volksempfinden Ausdruck verleihen und dass sie sich dabei für nichts mehr zu schade sind - also mittlerweile auch unter Klarnamen übelste Hetzparolen verbreiten." Noch mehr Sorgen mache ihm aber, "dass in der Mitte der Gesellschaft der Anteil derjenigen wächst, die Politik, Politiker und Parteien verachten".
Nun sage noch einer, dass unser Siggi das Herz nicht auf der Zunge trägt. Schon schlimm, dass es Neonazis gibt - aber viel schlimmer: Die Leute können die Politiker nicht leiden. Also mich! Diese Reaktion erinnert an einen anderen bekannten deutschen Staatsmann vor fast 25 Jahren.

Überhaupt ist es auffällig, dass Gabriel mit dem Pack durchzukommen scheint, ja gar damit punktet. Denn seit Strauß mit seinen "roten Ratten", der damals auch innerhalb der Union für seine Wortwahl scharf kritisiert wurde, hat es kaum ein Politiker der ersten Reihe mehr gewagt, sich derart zu äußern. Aber Chapeau, er hat die Stimmung richtig eingeschätzt und vorausgesehen, dass ein Politiker momentan am meisten gewinnen kann, wenn er seinen Stil denen anpasst, die er eigentlich genau dafür ächten will.

Denn die Beobachtung ist ja nicht falsch, dass immer mehr Hass und Verachtung wahrnehmbar ist. Aber dazu stellt sich die Frage: 

Beißen die bellenden Hunde auch? Ich glaube, in den seltensten Fällen. Denn die Mehrheit, die aktuell jeder hinter sich zu wähnen scheint, der sich politisch äußert, ist im Grunde genommen weder an der Revolution noch an der nationalen Erweckung interessiert. Es ist das gute alte "Man müsste halt mal...". 

3. September 2015

Humanismus? Erste Ergänzung zu Llarians "Pack"-Zettel-Beitrag

Habt Dank, dass Ihr nie fragt / Was es bringt, ob es lohnt / Vielleicht liegt es daran / Dass man von draußen meint / Dass in Euren Fenstern / Das Licht wärmer scheint. (Reinhard Mey, 1972)

Es fällt mir zunehmend schwerer, mich zur Flüchtlingsproblematik zu äußern. Nicht nur, dass die Debatte völlig polarisiert ist. Es gibt nur noch zwei Positionen: "Alle rein" oder "Alle raus". Jeder Zwischenton, jeder Hinweis auf die Komplexität der Situation wird gnadenlos zerrieben. Aber ich möchte hier auch nicht meine Position darlegen, das hat der Kollege Herr in so überzeugender Weise hier getan, dass ich mich vollständig darin wiederfinde. 

Außerdem möchte ich keinesfalls zu den gefühlt 99% Mitbürgern gehören, die ganz genau wissen, was zu tun ist, und das in schlüssigster Weise damit begründen, dass sie es ja schon immer gewusst haben. Um es ganz offen zu sagen: Ich habe keine Ahnung, wie man das Problem am besten in den Griff bekommt. Und von den out-of-the-box-Argumenten hat mich bisher noch keines überzeugt. Ich hänge nicht so sehr an der Deutschtümelei, dass ich sie vermissen würde, auch bin ich kein Karl-May-Fan, der sich wünscht, auf der A9 von Bagdad nach Stambul zu fahren. Kurz gesagt, weder die bevorstehende Bereicherung des Abendlandes noch dessen dräuender Untergang will mir einleuchten. Und von beidem wird mir zu viel dahergefaselt.

Genau genommen will ich mich damit persönlich gar nicht mehr beschäftigen, weil es mich so frustriert. Ich zahle der deutschen Verwaltung jedes Jahr einen fünfstelligen Betrag allein an Einkommenssteuer, und dafür möchte ich doch erwarten können, dass eine bestehende Situation legislativ, juristisch und administrativ bewältigt werden kann. Wenn ein ganzes Mittelmeerland scheinbar problemlos alimentiert werden kann, dann muss es doch auch für dieses Flüchtlingsproblem eine Lösung geben. Wie gesagt, ich habe mich daran gewöhnt, dass mit meinem Steuergeld ziemlich viel Unsinn angestellt wird, und den Gedanken aufgegeben, dass man ja auch auf die Idee kommen könnte, es mir zu lassen, um damit meinen ganz persönlichen Unsinn anzustellen. Wenn's also ein paar Mark fuffzig mehr kostet, sei's drum. 

Wenn mich aber etwas an der Debatte aufregt, ist es ihre unsägliche Verlogenheit, das schier unerträgliche Ausmaß an Hybris und Selbstbetrug, dem ich tagtäglich ausgesetzt bin. Dies möchte ich in zwei Artikeln tun, dabei beginne ich mit der Bereicherungsfraktion.