19. September 2015

Im Zug von Wien nach München. Ein Erlebnisbericht von Daska

Ich frage: Wer könnte und was könnten wir von den Flüchtlingen lernen?

Am Samstag, den 5.9. wurde ich mit den Flüchtlingen zusammen, mit denen ich im selben Regionalzug aus Osten kommend saß, bei der Ankunft im Münchner Hauptbahnhof beklatscht. Ich suchte schnell das Weite und verschwand in der Menge der Schaulustigen, bevor einer auf die Idee gekommen wäre, mich vor laufender Kamera nach meinem Woher und Wohin zu fragen.

Am Bahnsteig in Wien war es mir zuerst unheimlich, unter all den Flüchtlingen, doch wie sie wollte ich nach Westen. Die Unsicherheit legte sich, als ich das Gespräch mit einer Gruppe junger Männer suchte. Ich fragte sie nach ihrer Route, sie mich, wo man in Deutschland am besten studieren und arbeiten könne. Ihre Herkunft war Syrien, ihre Namen arabisch. Einer zog eine Packung Zwieback aus der Tasche und bot mir davon an. Beschämt nahm ich an, und so aßen wir gemeinsam das Bisschen, was die Wiener Bürger den Flüchtlingen mit auf den Weg nach Deutschland gegeben hatten. Als der Zug nach zwei Stunden Warten endlich kam, war er bereits voll. 200 von den Flüchtlingen, etliche Reisende und ich fanden Platz in einem anderen Zug, dem nach Zürich.

Dort kam im Abteil neben mir eine andere Gruppe junger Männer zu sitzen. Meinen Proviant hatte ich schon längst gegesssen, aber eine Flasche Wasser hatte ich noch. Meine Gangnachbarn, drei Flüchtlinge, die gerade Brotzeit machten, schauten zu mir und sahen, dass ich zwar Wasser, aber nichts zu essen hatte. Einer von ihnen stand auf, kam mit einer Packung Kekse zu mir und schüttete mir ein Drittel der Packung in die Hand. Ich bedankte mich auf Englisch, und gut.

Nach dem Umsteigen in Salzburg: Wieder ein anderes Grüppchen, mit dem ich zu sitzen kam, dieses Mal aus Afghanistan. Wir redeten wenig, immerhin ein bisschen Smalltalk. Immer wieder schaute ich nach oben, zu meinem Gepäck, mehr aus Reflex, denn aus Sorge. Mein Gegenüber, Abdul Jaber, sah und missdeutete meinen Blick: Er forderte seinen Nachbarn auf, aus dem Gepäcknetz etwas zu holen und gab mir zwei Bananen und einen Apfel, welche sie da oben hinter meinem Koffer liegen hatten. Dankbar nahm ich und aß, dann verteilte ich Mozartkugeln, die ich dabei hatte. Von der Schokolade klebten danach meine Finger: Abdul Jaber bemerkte es und reichte mir ein Tempotaschentuch.

Ich habe diese Erlebnisse bis heute nicht verdaut. Sie, die weniger als nichts haben, teilen mit mir von dem Bisschen, das sie selber geschenkt bekommen haben, und der Flüchtling aus Afghanistan nimmt in völliger Unkenntnis meiner Sprache wahr, was ich wohl gerade zu brauchen scheine und reicht mir erst etwas zu essen und dann eine improvisierte Serviette. Wer war an diesem Tag kultiviert, wer war gastfreundlich? Was für ein Potential an Mitmenschlichkeit kommt da ins kalte Deutschland.

Daska

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