30. Juli 2013

Staat im Staat

Der NSU hat es vorgemacht. Die Zeit der Bekennerschreiben ist vorbei.
Sie waren auch wirklich überflüssig. Niemanden interessieren noch sinnlose Pamphlete mit Sätzen so lang und aussagekräftig wie die Reden von Staatsratsvorsitzenden zur Planerfüllung.
Heute werden diese Rechtfertigungen und Verantwortungsübertragungen in Pressemitteilungen verlautbart. Das hat den Vorteil, dass nicht nur eine Zeitung mit guten Kontakten in die "Szene" Exklusivrechte für "Erklärungen" erhält, sondern die zu Kontradiktionen geschrumpften Botschaften nun einer breiteren Masse unter die Nase gerieben werden können.

28. Juli 2013

Anmerkungen zum Fall Gustl Mollath


Groß ist die Aufregung, nachdem das Landgericht Regensburg die Wiederaufnahme des Verfahrens im Fall Gustl Mollath abgelehnt hat, weil die erkennbaren Verfahrensfehler der Vorinstanzen nicht von hinreichender Schwere gewesen seien. Hier finden Sie eine grobe Chronologie des Falles. Die Unterstützer Mollaths, allen voran die Süddeutsche Zeitung, sehen hierin einen veritablen Justizskandal, und nachdem sich große Teile der bayerischen Politik im gegenwärtigen Wahlkampf ebenfalls auf die Seite der Unterstützer geschlagen haben, stehen die Justiz und die behandelnde Ärzteschaft ziemlich isoliert da. 
Viele gängige Klischees über Psychiatrie werden da bemüht. Die zwangssedierende, womöglich mit "Elektroschocks" gegen den Willen der Patienten vorgehende "Verwahrpsychiatrie" im Dienste einer vertuschenden Justiz usw. Einer flog über das Kuckucksnest reloaded, wenn man so sagen darf; auch Assoziationen zur unrühmlichen Rolle der Psychiatrie in den beiden deutschen Diktaturen werden erzeugt. Dabei scheinen viele Menschen, die, ebenso wie ich, lediglich auf die in den Medien verfügbaren Informationen zugreifen können, getragen von einer Sicherheit in der Beurteilung dieses Falles zu sein, über die ich nur staunen kann: Experten allerorten. 
Ich dagegen gebe unumwunden zu: Ich weiß nicht, ob Mollath eine Wahnerkrankung hatte oder hat, und ich habe festgestellt, daß unabhängige Informationen zum Thema kaum recherchierbar sind. Dennoch möchte ich ein paar Anmerkungen zu dem Fall machen mit der Idee, mich eines abschließenden Urteils zumindest halbwegs zu enthalten.

26. Juli 2013

„Ersatzreligion“ - eine abzuschaffende Bezeichnung? Gastbeitrag von Ludwig Weimer

Es hat sich eingebürgert, die Fangemeinde des Fußballs, die absoluten Verfechter einer grünen Ideologie, die Kunstverehrer in der Warteschlange vor Museen und Ausstellungshallen, die Erotomanen ebenso wie die auf ein ‚Tierkadaver‘-Essen Verzichtenden, die Wissenschaftsgläubigen so wie die Esoteriker und die Sternbildgläubigen wie die Menschenrechtskämpfer als Vertreter einer „Ersatz-Religion“ zu bezeichnen.

23. Juli 2013

Kurioses, kurz kommentiert. In Baden-Württemberg ist das #Internet gefährliches #Neuland


Aktuell ist Spiegel Online und weiteren Medien zu entnehmen, daß die grün-rote Landesregierung in Baden Württemberg Lehrern zukünftig verbietet, zur dienstlichen Kommunikation Soziale Netzwerke wie, so das Dekret wörtlich, Face-book (sic!), Studi VZ (gibt es das noch?) usw. zu nutzen. Im Klartext heißt das, daß weder Lehrer untereinander noch Lehrer mit Schülern über diese Plattformen kommunizieren dürfen. Hintergrund seien datenschutzrechtliche Bedenken. Hier die Quelle der Nachricht.  Dort heißt es:
Generell ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen der schulischen Arbeit auf Sozialen Netzwerken von Anbietern unzulässig, soweit deren Server außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes betrieben werden, es sich um US-Amerikanische Unternehmen handelt oder ein Zugriff von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes möglich ist.
Warum amerikanische Unternehmen hier speziell genannt werden, obwohl sie doch unter die anderen Kriterien mühelos und automatisch subsumiert werden könnten, bleibt  in der Verlautbarung ungeklärt.

21. Juli 2013

Zitat des Tages: Trayvon Martin could have been me, 35 years ago.


So der Präsident der USA, Barack Obama, vor wenigen Tagen. Hiermit bezog er Stellung in der gegenwärtigen Rassismusdebatte, die in der Folge des kürzlichen Freispruchs von George Zimmerman entbrannt ist. Zu den Merkwürdigkeiten in dieser Diskussion gibt es einen exzellenten Text von Hansjörg Müller auf der Achse des Guten, dessen Lektüre ich empfehlen darf und der nicht nur die ausgesprochene mediale Schräglage in dieser Debatte zum Gegenstand hat, sondern auch die Absurditäten des vergangenen Prozesses richtigerweise auf seiten der Anklage verortet. Aber was will man erwarten? Schließlich lassen sich anhand dieses Falles gleich zwei Lieblingsthemen insbesondere deutscher Journalisten, nämlich institutioneller Rassismus und Schußwaffen in privater Hand, erschöpfend behandeln. 

20. Juli 2013

Mecker-Marginalie: Trau, schau, wem


Nicht nur die Medienzunft, auch die Musikindustrie wird alle Jahre wieder von einem Sommerloch geplagt. Beide Branchen reagieren auf die gähnende Leere mit der Verwertung zweitklassigen Materials. Bei den akustisch Kreativen wird das Lückenbüßerwerk „Sommerhit“ genannt: Es zeichnet sich durch einen – auch für Mainstream-Pop-Verhältnisse – ausgesucht einfältigen Text und lateinamerikanisch-karibische Tanzmelodien aus.

Nun wäre es eigentlich eine naheliegende Idee, beide Löcher auf einen Streich zu stopfen, nämlich indem man mit einem skandalösen Werk der Tonkunst nicht nur die schwach besetzten Charts, sondern auch die nur mühsam am Leben gehaltenen Nachrichten- und Kommentarspalten der Zeitungen stürmt.

19. Juli 2013

Gedanken zum 20. Juli 1944. Ein Gastbeitrag von adder

Passend zum Monat, in dem sich alljährlich dieser Gedenktag wiederholt, wurde ja in Bezug auf Edward Snowden in den letzten Wochen gerne der Vergleich mit den Verschwörern aus der Wehrmacht gezogen. Nein, ich möchte nicht so sehr auf Edward Snowden eingehen, obwohl ich diese Vergleiche als unpassend empfinde, sondern mich mit vier Personen beschäftigen, die im Untergrund teilweise bereits seit 1934 gegen Hitler und die Nazis planten, Attentate organisierten und Umsturzpläne fassten. Personen, deren Zielstrebigkeit, Opferbereitschaft und moralische Integrität uns heute durchaus immer noch Vorbild sein kann.

Die Hand am Regler (2) - Die Strompreise

Im ersten Teil der Serie habe ich versucht aufzuzeigen, dass sich der deutsche Strommarkt durch die Energiewende gespalten hat - in einen planwirtschaftlich organisierten Teil (der Komplex der durch das EEG garantierten Einspeisevergütungen) sowie einen marktwirtschaftlich organisierten Teil, dem die Erzeuger konventioneller Energie sowie die Händler unterliegen.

Meine These ist, dass dieser Dualismus ceteris paribus zwangsläufig zu steigenden Strompreisen führt. Jedoch hat diese These starke Konkurrenz von den Energiewendebefürwortern, die die privaten (konventionellen) Stromerzeuger sowie die teilweise von der EEG-Umlage befreite stromintensive Industrie als Strompreistreiber identifiziert.

Die Brutto-Verbraucherpreise für Strom in Deutschland steigen - für Privathaushalte seit der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 um gut die Hälfte (Preisindex von 151 gegenüber 1998; wenn ich das Jahr 2000 ansetzen würde, wäre der Anstieg noch etwas spektakulärer, aber diese Taschenspielertricks überlasse ich lieber den Klimaforschern). Dass dieser Anstieg gerade einkommensschwachen Haushalten zu schaffen macht, ist offensichtlich.

Hand aufs Herz, lieber Leser - könnten Sie ohne einen Blick auf Ihre Stromrechnung sagen, aus welchen Komponenten sich die durchschnittlich 28,73 Cent, die Sie bei Vertragsabschluss im Jahr 2013 für eine kWh Haushaltsstrom zahlen, zusammensetzen? Denn das ist unerlässlich für eine Antwort auf die Frage, warum die Strompreise steigen. 

18. Juli 2013

Kurioses, kurz kommentiert: Friedrichs Supergrundrecht und die Freiheit

Vermutlich wäre es beängstigend, wenn ein Innenminister die Freiheit als wichtigstes Grundrecht hervorheben würde: Tut der Mann etwa seine Arbeit nicht? Hat er den Überblick bei den Gefahren verloren? Hat er gar vor dem Verbrechen kapituliert?

Nein, "Freiheit" ist ein bedenkliches Wort aus dem Mund von Machthabern. Es klingt falsch, selbst dann, wenn diese Machthaber keine Diktatoren, sondern demokratisch auf Zeit gewählte Staatsdiener sind. Die Opposition darf gerne von Freiheit reden, aber im vollen Sinne wahr ist dieses Wort nur im Munde der Untertanen, auch wenn es sich bei diesen um Bürger eines freiheitlichen Rechtsstaats handelt.

Für die Freiheit kann der Staat wenig tun, außer sie zu respektieren. Seine Aufgaben sind andere, und immer, wenn der Staat etwas tut, geht es auf Kosten der Freiheit. Er ordnet an, vollstreckt, reguliert, übt unmittelbaren Zwang aus. Gesetze gelten, ob man sie mag oder nicht. Sie sind keine Verträge, denen man beitreten könnte oder nicht. Was immer sie Wohltuendes bewirken mögen, zuerst sind sie Einschränkungen der Freiheit.

Wenn also der Bundesinnenminister von der Sicherheit als "Supergrundrecht" spricht, dann zeigt er damit nicht nur, dass er seine Amtspflicht verstanden hat. Für die Sicherheit der Bürger zu sorgen, ist der wesentliche Daseinszweck des Staates überhaupt, und daher ist Sicherheit das Grundrecht, um das er sich vor allem zu kümmern hat, sie ist das einzige, welches kein Abwehrrecht gegen den Staat, sondern eine Aufgabe für ihn ist. Wer die Idee der Freiheit hochhält, wird vielleicht sogar sagen, es handele sich bei der Sicherheit um das Einzige, worum der Staat sich überhaupt kümmern sollte, während alles andere von den Bürgern und ihren freiwilligen Vereinigungen selbst geregelt werden könne.

Das heißt nun keineswegs, dass der Staat für die Sicherheit der Bürger unbedingt notwendig ist: auch Sicherheit ist ein Gut, das von privaten Firmen angeboten werden kann. Es heißt nur, dass ein Staat, der sich nicht um die Sicherheit der Bürger kümmert, keine wirkliche Aufgabe mehr hat und genausogut verschwinden könnte. In diesem Sinne ist aus Regierungssicht die Sicherheit das Grundrecht, das über den anderen steht, das Supergrundrecht, weil es sich um jene Aufgabe handelt, deren Erfüllung die Existenz des Staates selbst legitimiert.

Wie angenehm aufrichtig, wenn ein Innenminister nicht so tut, als seien er und sein Staat Garanten der Freiheit!

meint Kallias

© Kallias. Für Kommentare bitte hier klicken.

17. Juli 2013

Das Dilemma des Westens in Syrien


Der seit nunmehr zwei Jahren andauernde Krieg in Syrien berührt die Interessen einer ganzen Reihe von Nationen. Abzulesen ist dies an den Ländern welche den Nachschub an Waffen sicherstellen. 
Aber nicht nur Nationen haben Interessen dort.

Neben der Freien Syrischen Armee und den Truppen Assads gibt es noch eine dritte Partei in diesem Krieg - Al-Qaida.  

16. Juli 2013

Die Hand am Regler (1) - Der Strommarkt


­Die Bundesregierung wird erpresst. Von den mächtigen privatisierten Stromriesen, die mit ihren Dreckschleudern weiter fette Gewinne einkassieren möchten. So jedenfalls der Tenor eines Artikels bei SPON und der dazugehörigen Leserkommentare.

Die nimmermüde Wind- und Sonnentrommlerin Marlies Uken stößt auf "Grüne Geschäfte" ins gleiche Horn:
Zwar haben die Energieriesen die absehbaren Folgen der Energiewende viel zu lange verschlafen und in einige Kraftwerke investiert, die im künftigen Energiemix kaum noch gebraucht werden. Doch angesichts ihrer aufgehäuften Milliardenreserven könnten sie das leicht verschmerzen. Wenn die vier größten Betreiber jetzt mit Stilllegungen drohen, dann geht es ihnen nicht um den Abbau von Überkapazitäten, sondern um Kompensationszahlungen.
Die notwendigen Maßnahmen sind auch klar - die "Stimme des Volkes" ist ja selten kreativ - Energieversorgung verstaatlichen, stromintensive Industrie nicht mehr von der EEG-Umlage befreien usw.

Was war passiert? Seit dem exponentiellen, durch die im EEG garantierte Einspeisevergütung geförderten Ausbau von Wind onshore und Photovoltaik sind gerade Öl- und Gaskraftwerke oft nicht mehr rentabel zu betreiben. Irsching V, eines der modernsten Kraftwerke in Deutschland, ist bei weitem nicht ausgelastet.

Ist auch klar - die Grundlast wird - noch - von den verbliebenen Kern- sowie Kohlekraftwerken geleistet, da kann das Gaskraftwerk aufgrund der Brennstoffkosten nicht mithalten. Dazu drängen die volatilen Erneuerbaren mit Einspeisevorrang ins Netz. Nun werden die Energiewendebefürworter sagen - "super, genau das war doch der Sinn der Sache!" Allerdings wollen die meisten von ihnen auch nachts und bei Windstille Strom haben. Und wenn sie dann auch noch im Süden Deutschlands wohnen, haben sie dabei aufgrund der Beschaffenheit des deutschen Stromnetzes ziemlich schlechte Karten.

Ich werde nun in einer kleinen Serie versuchen, den Hintergrund dieses komplexen Themas zu beleuchten.

15. Juli 2013

Die Vereinten Nationen und Deutschland in der Gruppentherapie


Sie ist ja schon eine etwas abgetakelte alte Diva, die UNO; sie hat ihre besten Tage hinter sich. Und wie das bei Diven oft der Fall ist, gelingt es ihr nicht, in Würde zu altern. Sie schminkt sich grell und läßt sich liften; dennoch fällt es schwer, bei den Nationen noch das Vereinte zu entdecken. Es ist eben nicht eine Welt, sondern eine multipolare mit vielen einzelstaatlichen Partikularinteressen. Die USA haben sich ohnehin längst abgewandt
Was läge für diese alternde Patientin also näher als eine erfahrungsorientierte Gruppentherapie, zur Selbstvergewisserung eigener Bedeutsamkeit und Wichtigkeit vor dem Publikum der Welt? Gesagt, getan.

14. Juli 2013

Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat eine Studie zur Kritik an »Gender Studies« veröffentlicht. Um den Inhalt in einem Satz zusammenzufassen: Glaubt man den Autoren der Studie, hat es noch nie eine seriöse Kritik an den »Gender Studies« gegeben.

Schon in der Einleitung werden die Kritikerinnen und Kritiker der »Gender Studies« unter anderem in die politisch »rechte Ecke« gestellt, den christlichen Fundamentalisten zugeordnet oder als frauenfeindliche Antifeministen eingestuft.

Die Autorin und die Autoren der Studie gestehen keiner Kritikerin und keinem Kritiker an den »Gender Studies« auch nur eine Spur von Legitimität zu. Im besten Fall wird die Kritik aus dem Zusammenhang gerissen, im schlimmsten Fall werden Personen und Aussagen denunziert.

Feu tricolore (4): Die permanente Revolution

Frankreich begeht heute seinen Nationalfeiertag. Wie sattsam bekannt, wird gemeinhin die legendär überhöhte Erstürmung des Staatsgefängnisses Bastille am 14. Juli 1789 als Auftakt der Großen Revolution betrachtet. Frankreich feiert heute also diese von ihm ausgegangene historische Zäsur, die der junge Hegel als einen „herrlichen Sonnenaufgang“ bezeichnete.

Aber nicht nur, was den Nationalfeiertag anbelangt, auch sonst hat die Revolution in der Staatssymbolik unseres Nachbarlandes tiefe Spuren hinterlassen.

13. Juli 2013

Antiamerikanismus


Es ist wohl lange her, daß ein politischer Vorgang diesen Blog so intensiv beschäftigt hat wie der Fall Snowden. Eigentlich, scheint mir, haben die geschätzten Kollegen Erling Plaethe und R. A. das Wesentliche bereits gesagt. Auf einen kleinen Nebenaspekt des Skandals möchte ich aber noch hinweisen. Der Fall scheint mir auch ein Lehrstück über antiamerikanische Affekte zu sein. Und damit meine ich nicht, daß die üblichen Verdächtigen, wie etwa Jakob Augstein, sofort auf diesen Zug aufgesprungen sind. Das war zu erwarten und ist in seiner Vorhersehbarkeit geradezu langweilig. Nein, es ist der schwer zu fassende Tenor der Berichterstattung, der tief sitzende antiamerikanische Ressentiments bedient.

50 Euro

Kunst soll ja Denkanstöße bieten. Was ihr aber recht selten gelingt.

Eine interessante Ausnahme durfte ich unlängst in einer Vorstellung des Kabarettisten Vince Ebert erleben. Wohl einer der besten seines Fachs in Deutschland, sehr intelligente und teilweise sehr hintergründige Texte. Leider ist sein aktuelles Programm gerade am auslaufen, das nächste dürfte aber auch zu empfehlen sein.

Er philosophierte in seinem Programm "Freiheit ist alles" über verschiedene Aspekte von Freiheit, die Chancen, die Risiken.
Der interessanteste Punkt des Programms kommt ab Minute 41: Er nimmt sich die Freiheit, etwas Unsinniges zu tun. Was noch niemand im Publikum getan hat. Er vernichtet Geld. Konkret: Er verbrennt auf offener Bühne einen 50-Euro-Schein.

Er hätte sich davon etwas Schönes kaufen können, er hätte es für edle Zwecke spenden können. Einen Geldschein statt dessen zu verbrennen, das ist nach normalen Maßstäben völlig unsinnig. Aber genau so etwas tun zu dürfen, das ist eben Freiheit - Kollege Llarian hat das erst vor kurzem beschrieben.

Und es war interessant mitzubekommen, wie sehr genau diese eine Sache das Publikum beschäftigt hat. Über keinen anderen Punkt des Programms wurde hinterher so intensiv diskutiert. Das war kein gefälliger Witz mehr, wie man ihn von einem Kabarettisten erwartet. Sondern das war unerwartet, das hat verstört, das war Kunst.

R.A.

© R.A.. Für Kommentare bitte hier klicken.

12. Juli 2013

Desinformation

FAZ-NET schreibt heute in Ihrem Artikel "Snowden unterschreibt angeblich Asylantrag für Russland" folgenden Satz:
Nachdem ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, floh Snowden über Hongkong nach Moskau, wo er sich seit knapp drei Wochen im Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo aufhält.
Wie bitte? Edward Snowden ist nicht mehr Staatsbürger der USA?

Der Unterschied

Nicht erst seit dem Versuch eine "Brüderle-Affäre" zu konstruieren muß man den Verdacht haben, daß man beim STERN nur mit einem IQ knapp oberhalb Gefrierpunkt mitmachen darf. Ein aktuelles Beispiel bestätigt das. Aber dieses Beispiel ist nur die Spitze des bundesweiten Eisbergs ...

10. Juli 2013

Farben der Hilfe

Vor wenigen Wochen noch ein großer Skandal - inzwischen sind neue Säue durchs Mediendorf gejagt worden. Ein kleiner Rückblick:
Ein "Neonazi-Netz" ist aufgedeckt worden, große Aufregung in den Medien. Wegen diverser Delikte einsitzende Neonazis haben versucht, die Kontrollen der jeweiligen Haftanstalten zu unterlaufen und miteinander bzw. mit Unterstützern von außerhalb Kontakt aufzunehmen.

Wobei erst einmal unklar ist, wo eigentlich das Problem ist. Abgesehen natürlich davon, daß das wohl alles sehr widerliche Typen sind. Aber strafbar haben sie sich nicht gemacht (jedenfalls nicht durch ihre Kontaktversuche). Es ist legal, Briefe zu schreiben - auch an Beate Zschäpe. Es ist legal, Gefangene finanziell zu unterstützen. Und es ist legal, daß sich Gleichgesinnte zusammenschließen, auch wenn die Gesinnung verfassungsfeindlich ist.

8. Juli 2013

Meldungen


In der Mangelwirtschaft der DDR fehlte es an so ziemlich allem. Auch an Wohnraum.
Wer in Großstädten wie Berlin (Ost) eine Wohnung suchte, hatte bei Genossenschaften und staatlichen Wohnungsverwaltungen, ohne jahrelange Wartezeiten, keine Chance auf Zuteilung einer solchen.
Es gab zwar leerstehende Wohnungen, aber die waren in einem   derart unbewohnbaren Zustand, dass sie selbst für eine Verwaltung im Sozialismus nicht vermietbar waren. 
Eine Renovierung scheiterte an dem chronischen Geld- und Materialmangel der bürokratisch durchgeplanten Wohnungswirtschaft. Alle Mittel flossen in den Bau der sozialistischen Trabantenstädte, auf deren Errichtung die Einheits-Parteiführung der SED mächtig stolz war.
Die Existenz rudimentärer Reste von Marktwirtschaft ließ sich aber auch in der DDR nicht vollständig unterdrücken. Es gab überall Märkte, auch bei Mietwohnungen. Der Mietzins spielte keine Rolle, sehr wohl aber die Lage und die Größe. „Besaß“ man erstmal eine Wohnung durch den Besitz eines Mietvertrages, stand einem ein Handelsobjekt zur Verfügung, dessen Wert man durch intelligenten Einsatz von Arbeitskraft und Material erheblich steigern konnte, um beim evtl. Auszug sogar einen Gewinn durch eine hohe Abstandsforderung zu erzielen.


6. Juli 2013

Höflichkeit


Heute bin ich im Supermarkt Zeuge einer kleinen Begebenheit geworden. Einem ältereren und dem Anschein nach schon etwas gebrechlichen Mann, der eine "Sechserpackung" mit Literflaschen Mineralwasser angehoben hatte und deren Kunststoffverpackung offenbar defekt war, fielen die Flaschen aus der Hand und verteilten sich auf dem Fußboden. Zwei sich in unmittelbarer Nähe  befindende Menschen, die dies ebenfalls gesehen hatten, wandten sich rasch ab. Einer von ihnen sagte noch "Oh!", bevor er ging. Meine Frau, wie meist, schneller und geistesgegenwärtiger als ich, war bereits hinübergeeilt und half dem Mann beim Aufheben der Plastikflaschen. Als ich beiden zur Hand gehen wollte, war das kleine Malheur bereits behoben. 
Zunächst ärgerte ich mich über die mangelnde Hilfsbereitschaft der anderen Einkäufer. Ich dachte an sozialpsychologische Befunde zur Verantwortungsdiffusion und zum altruistischem Verhalten, die besagen, daß die Bereitschaft, anderen in einer offensichtlichen Notlage zu helfen mit der Anzahl untätiger Zeugen abnimmt. Der konservativ denkende Teil in mir wollte gerade anfangen, innerlich die allgemeine "Verrohung der Sitten" zu beklagen, als ich innehielt: Der Mann hatte nicht um Hilfe gebeten.

4. Juli 2013

Haspinger 2.0

Beim Tiroler Freiheitskampf von 1809 konnte sich Andreas Hofer auf die Motivation seiner Mitkämpfer verlassen. Denn die neue Regierung in München war verhaßt: Sie wollte Steuern erheben, sie wollte Wehrpflichtige rekrutieren - und vor allem war sie neu und von auswärts, das kam nicht gut an bei den Tirolern.
Neben dem Freiheitshelden gab es noch eine andere, weniger vorbildliche Führungsfigur des Aufstands: Pater Joachim Haspinger, der fanatische "Pater Rotbart". Ihn störte vor allem eine andere Maßnahme der neuen bayrischen Regierung: Die Einführung der Impfpflicht gegen Pocken. Denn diese grausame Krankheit forderte zwar jährlich viele Tote, aber das galt dem reaktionären Kleriker als natürlich und gottgewollt und dagegen dürfe man nicht mit Wissenschaft vorgehen.

Diese Diskussion ist eigentlich Geschichte. In allen zivilisierten Ländern hat sich die Impfpflicht gegen die wichtigsten Ansteckungskrankheiten durchgesetzt. Obwohl in seltenen Einzelfällen natürlich immer auch einmal Komplikationen auftreten können - der Erfolg der Impfung ist wohl der größte medizinische Durchbruch überhaupt. Nicht nur die Pocken wurden ausgerottet, auch Dyphterie, Masern, Polio oder Windpocken gibt es fast nicht mehr.

Fast. Denn mit dem Rückgang der direkten Verbreitung und damit sichtbaren Gefährdung glauben zunehmend Menschen, sie könnten auf Impfungen verzichten. Die Wikipedia schreibt dazu: " Impfkritische Haltungen sind in der Regel durch fundamentalistisch-religiöse, alternativmedizinische, anthroposophische oder esoterische Ansichten motiviert."
Wobei es heute nicht mehr die Hinterwäldler in abgelegenen Alpentälern sind, die den modernen Aberglauben hochhalten, sondern meist Großstadtbewohner, oft sogar mit Hochschulbildung.

Mursi weg -alles gut? Der Militärputsch in Ägypen

Nun ist er also endlich weg, und am Ende ist alles ganz schnell gegangen. Das Militär erklärte gestern den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi und seine Regierung, nach fast exakt einem Jahr im Amt, für abgesetzt, suspendierte die Verfassung und versprach Neuwahlen. Als Übergangspräsident wurde der bisherige oberste Richter Adli Mansur eingesetzt. Und in der Tat: die Regierungsbilanz der seinerzeit zu den Wahlen 2011/2012 gern als gemäßigte Islamisten bezeichneten Muslimbrüderfür die der Bundesaußenminister seinerzeit um Vertrauen warb, ist desaströs. Das Land liegt wirtschaftlich am Boden, die klerikalen Kräfte haben die tiefe Spaltung des Landes weiter zementiert. Für den deutschen Beobachter zeigte sich dies zuletzt und erschreckend in dem Aufruf, den ägyptischstämmigen deutschen Publizisten Hamed Abdel-Samad wegen islamkritischer Äußerungen zu ermorden. Es ist gut, daß diese Regierung nicht mehr im Amt ist. Allein das "Wie" läßt mich zögern, in das gegenwärtige Jubilate einzustimmen. Es war ein Militärputsch.

3. Juli 2013

Snowden


Staatsgeheimnisse sind (auch) in demokratischen Rechtsstaaten nur wenigen zugänglich, allein das sorgt für Interesse. Diesem Interesse steht eine Nachfrage nach Informationen gegenüber, die das bestehende Angebot übersteigt.
Vor allem wenn es sich um gesammelte Informationen von Geheimdiensten handelt. Diese, wie auch ihre Herkunft nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich zu machen ist die Arbeitsgrundlage dieser Dienste.
Nicht jede Herkunft ist legaler Natur und auch nicht jede Tätigkeit.
Ob ein Staat nun Diebesgut von einem gesuchten Verbrecher kauft oder staatliche Mitarbeiter Straftaten von V-Leuten decken.

Neben den Geheimdiensten gibt es Nachrichtendienste – die Grenzen sind fließend. So fließend wie die zwischen Nachrichtendiensten und Medienkonzernen.
Deren Informationsbeschaffung ist geschützt. Sie müssen keine Angaben zu ihren Quellen machen auch wenn es immer wieder Versuche von staatlicher Seite gibt, diese zu erzwingen. Auch nicht, wenn gegen die Quellen ermittelt wird oder Haftbefehle vorliegen. Und die Quellen müssen selbstverständlich nicht an die Öffentlichkeit um sich der Strafverfolgung auszusetzen.
Die Pressefreiheit schützt in demokratischen Staaten die Journalisten wie auch ihre Quellen. Wenn etwas von großem öffentlichen Interesse ist, dann vor allem Verstöße des Staates gegen bestehende Gesetze. Diese aufzudecken ist die wichtigste Funktion der Pressefreiheit.  

Öffentliches Geheimnis

Große Aufregung im politischen Hühnerhaufen. Ganz überraschend stellt sich heraus, daß die USA einen Auslandsgeheimdienst unterhalten und daß dieser seiner Aufgabe auch nachkommt: Er sammelt Informationen aus dem Ausland. Und tatsächlich: Europa ist aus Sicht der USA Ausland.

Die Regierung zeigt sich empört, ehemalige Regierungsmitglieder bekommen Amnesie, die alten SED-Kader wollen gar die UNO einschalten. Dabei sind die Aufklärungsaktivitäten der US-Dienste seit Jahrzehnten bekannt, die Ergebnisse werden auch von den Europäern gerne genutzt.
Die Heuchelei ist besonders peinlich bei denjenigen Politikern, die schon bisher diverse Gesetze zur Überwachung der eigenen Bevölkerung durchgewinkt haben und seit Jahren eine Tempora-ähnliche Vorratsdatenspeicherung fordern.

Die entscheidende Frage ist doch eigentlich eine ganz andere.

2. Juli 2013

Diesseits und jenseits des Tellerrandes


Mit Polemik und drastischer Sprache verhält es sich ein bisschen wie mit geschmacksintensiven Gewürzen: Je nachdem, welcher Substanz sie eine besondere Note verleihen sollen, und abhängig von den Vorlieben des Lesenden beziehungsweise Essenden wird die Beimischung einer geringeren oder einer größeren Dosis anzuraten sein.

Aber auch wem der Gusto nicht nach Vergleichen wie „so wertvoll wie ein gebrauchtes Kondom“, der Deutschen liebstem Schimpfwort oder einer Aussage mit der Botschaft „Ernährungsberatung […] ist Gewalt von Frauen gegen Frauen“ steht, findet in dem Interview, das die ZEIT mit dem Sachbuchautor Udo Pollmer geführt hat, einige durchaus beachtliche Gedanken.

1. Juli 2013

Warum die SPD am Wahlprogramm der Union mitschreibt


Am 27. Juni lehnte die schwarz/gelbe Regierungskoalition einen Antrag der Fraktion der Grünen ab. Der beinhaltete, was im Wahlkampfprogramm der Union für 2013 steht:
"Damit Wohnraum insbesondere in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten bezahlbar bleibt, werden wir den Ländern zudem die Möglichkeit einräumen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen Mieterhöhungen auf zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu beschränken."
Die Grünen wollten die Union vorführen und – es ist ihnen gelungen.