14. Juli 2013

Feu tricolore (4): Die permanente Revolution

Frankreich begeht heute seinen Nationalfeiertag. Wie sattsam bekannt, wird gemeinhin die legendär überhöhte Erstürmung des Staatsgefängnisses Bastille am 14. Juli 1789 als Auftakt der Großen Revolution betrachtet. Frankreich feiert heute also diese von ihm ausgegangene historische Zäsur, die der junge Hegel als einen „herrlichen Sonnenaufgang“ bezeichnete.

Aber nicht nur, was den Nationalfeiertag anbelangt, auch sonst hat die Revolution in der Staatssymbolik unseres Nachbarlandes tiefe Spuren hinterlassen.
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Das beginnt schon bei der Fahne. Dass die blau-weiß-rote Flagge mit den Aufständischen assoziiert war, ist dank eines berühmten Gemäldes von Eugène Delacroix eine Binsenweisheit. Selbiges gilt für die mit der phrygischen Mütze der Jakobiner behaubte Freiheitsheldinnenfigur Marianne, die etwa auch auf Cent-Münzen und Briefmarken abgebildet ist.

Der Wahlspruch Frankreichs „Liberté, égalité, fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) war schon im politischen Diskurs der Revolutionszeit gebräuchlich. Zu staatstragenden Ehren kam er allerdings erst durch seine anno 1848 erfolgte Verankerung in der Verfassung der Zweiten Republik.

Die französische Nationalhymne wird auch derjenige, der ihre Worte nicht versteht, aufgrund der Melodie sofort als ein Stück Militärmusik identifizieren. Wer der Feind ist, den dieses Schlachtlied besiegen helfen soll, lässt der Text nicht lange offen: „Contre nous de la tyrannie, L'étendard sanglant est levé !“ („Gegen uns ist die blutige Standarte der Tyrannei erhoben!“)

Geschrieben wurde der martialische Gesang von Hauptmann Claude Joseph Rouget de Lisle kurz nach der Kriegserklärung des revolutionären Frankreich an Österreich. Der feindliche Tyrann war also nicht der zu dieser Zeit keineswegs mehr absolutistische, aber noch lebendige Ludwig XVI., sondern der Neffe von dessen Gattin. Anders als der Name Marseillaise denken lässt, wurde das Werk nicht am Mittelmeer, sondern am Rhein uraufgeführt: nämlich in Straßburg. In die Landeshauptstadt gelangte das martialische Opus allerdings mit Soldaten aus Marseille, womit das Namensschicksal seinen Lauf nahm. Bei all diesen geographischen Wirrnissen dürfte es den Franzosen aus der Provinz jedenfalls eine Genugtuung sein, dass wenigstens die Nationalhymne nicht aus Paris stammt.

Der Titel dieses Blogbeitrags spielt übrigens auf ein von François Mitterrand 1964 veröffentlichtes Pamphlet namens "Der permanente Staatsstreich" ("Le Coup d'État permanent") an. Darin kritisiert der sozialistische Politiker nicht nur das politische System der Fünften Republik, sondern auch speziell die Amtsführung des damaligen Präsidenten Charles de Gaulle. Wie die für ironische Wendungen bisweilen aufgeschlossene Geschichte es wollte, zog Mitterrand siebzehn Jahre später selbst in den Élysée-Palast ein und legte als Staatsoberhaupt ein Verhalten an den Tag, das zumindest Anlass zu wenig angenehmen Fragen gab.

Auch das ist ein Stück Revolution: der Marsch durch die Institutionen und seine mit dem System versöhnende Wirkung.
Noricus


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