21. Juli 2013

Zitat des Tages: Trayvon Martin could have been me, 35 years ago.


So der Präsident der USA, Barack Obama, vor wenigen Tagen. Hiermit bezog er Stellung in der gegenwärtigen Rassismusdebatte, die in der Folge des kürzlichen Freispruchs von George Zimmerman entbrannt ist. Zu den Merkwürdigkeiten in dieser Diskussion gibt es einen exzellenten Text von Hansjörg Müller auf der Achse des Guten, dessen Lektüre ich empfehlen darf und der nicht nur die ausgesprochene mediale Schräglage in dieser Debatte zum Gegenstand hat, sondern auch die Absurditäten des vergangenen Prozesses richtigerweise auf seiten der Anklage verortet. Aber was will man erwarten? Schließlich lassen sich anhand dieses Falles gleich zwei Lieblingsthemen insbesondere deutscher Journalisten, nämlich institutioneller Rassismus und Schußwaffen in privater Hand, erschöpfend behandeln. 
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Der Tenor der Debatte, sowohl in den USA als auch hierzulande, lautet, daß rassistische Motive sowohl bei der eigentlichen Tat als auch bei der Urteilsfindung eine zentrale Rolle gespielt hätten. Nun ist es wahrscheinlich, daß es in den multiethnischen USA, gut 50 Jahre nach den großen Bürgerrechtsbewegungen, bis heute Probleme mit Rassismus gibt. Die Debatte in den USA mag richtig und wichtig sein. Allerdings spricht vieles dafür, daß der vorliegende Fall als Aufhänger hierfür ausgesprochen ungeeignet ist.  

Sechs gründlich ausgewählte Geschworene waren zu dem Urteil "Unschuldig" gekommen. "Ausgewählt" heißt, daß sowohl Anklage als auch Verteidigung zu Prozeßbeginn gegen diese Geschworenen keinerlei Einwände hatten. 50 Zeugen und Experten, so die Weltwoche in einem (leider nicht frei verfügbaren) Artikel waren gehört worden. Am Ende waren die Geschworenen von der Unschuld Zimmermans überzeugt; das Gericht schloß sich dem einstimmigen Votum an.
Der einzige Augenzeuge der Szene unmittelbar vor dem tödlichen Schuß, war John Good. Nichts spricht gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen, zumindest solange die Tatsache, daß es sich bei ihm um einen männlichen, weißen Amerikaner handelt, noch nicht per se als glaubwürdigkeitsmindernd gilt. In seiner Aussage beschrieb er, daß Trayvon Martin auf dem am Boden liegenden George Zimmerman gesessen  und immer wieder mit der Faust in das Gesicht von Zimmerman geschlagen habe, der dabei laut um Hilfe gerufen habe. Mehrfach habe er den Kopf von Zimmerman genommen und auf den Asphalt geschlagen. Bilder von Zimmermans Gesicht und Hinterkopf scheinen dies zu bestätigen. Was auch immer zuvor geschehen war: in den letzten Sekunden seines Lebens schlug Trayvon Martin massiv auf den offensichtlich unterlegenen und um Hilfe rufenden George Zimmerman ein.

Wenn man den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in obigem Zitat recht versteht, so soll man sich nun also den jungen Obama an Stelle von Trayvon Martin vorstellen, auf dem Hispanic Zimmerman sitzend, auf ihn einprügelnd und ihn erheblich verletzend, kurz bevor der tödliche Schuß fällt. Nun denn, tempora mutantur nos et mutamur in illis, möchte man sagen. 

Ist umgekehrt mit Trayvon Martin, in Obamas Vorstellungswelt, etwa ein aussichtsreicher Anwärter auf das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten tragisch und allzu früh ums Leben gekommen?


Andreas Döding


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