22. August 2011

Marginalie: Die deutschen Kommunisten preisen das kommunistische Cuba. Was daran bemerkenswert ist, und was nicht. Nebst einem Nachtrag

Die beiden Vorsitzenden der Partei "Die Linke", Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, haben Fidel Castro zum 85. Geburtstag einen hymnischen Brief geschrieben, den jetzt die "Bild"-Zeitung öffentlich gemacht hat. Den Artikel finden Sie hier; das Faksimile des Briefs können Sie lesen, wenn Sie auf die Abbildung links oben klicken.

An diesem Brief ist eines nicht bemerkenswert: Daß die deutschen Kommunisten einem der großen Führer der kommunistischen Weltbewegung ihre Ehrerbietung erweisen.

Die kommunistischen Genossen feiern ihren kommunistischen Genossen; wie denn auch anders? Sie schreiben:
Du kannst voll Stolz auf ein kampferfülltes Leben und erfolgreiches Wirken an der Spitze der kubanischen Revolution zurückblicken. Die Errungenschaften des sozialistischen Kuba mit seiner Beispielwirkung für so viele Völker der Welt werden immer zuerst mit Deinem Namen verbunden sein.
Glücklicherweise ist das mit der Beispielwirkung ein wenig übertrieben; denn trotz aller Bemühungen gelang es Castro ja nicht, seine Revolution zu exportieren. Es gelang weder in Lateinamerika, wo die von Cuba angefachten und unterstützten Bürgerkriege in keinem Land zu einem Sieg der Kommunisten führten. Es gelang nicht in Afrika, wo Cuba massiv militärisch interveniert hatte, beispielsweise in Angola. In Afrika ist heute der greise Robert Mugabe der letzte verbliebene Kommunist an der Macht.

Der Brief der deutschen Kommunisten an ihren Genossen Castro schließt mit einer Ankündigung:
Wir werden auch in Zukunft die Entwicklung in Cuba aufmerksam und voller Sympathie verfolgen und nach Kräften dazu beitragen, dass das kubanische Volk frei und ohne Druck von außen über seine Entwicklung selbst entscheiden kann.
Das allerdings überrascht. Die deutschen Kommunisten treten für freie Wahlen in Cuba ein?

Vielleicht sollten sie sich daran erinnern, wie die ersten und einzigen freien Wahlen in der DDR ausgegangen sind, die von 1990. Die Kommunisten erreichten nach vierzigjähriger Herrschaft 16,4 Prozent. Für Castro, dessen Untertanen ungleich elender leben als diejenigen Ulbrichts und Honeckers, dürfte das noch ein Traumergebnis sein.



Wie berichtet wird, hat das Schreiben der beiden Vorsitzenden der deutschen Kommunisten "für Empörung bei Politikern von CDU, FDP und Grünen gesorgt". Aber warum denn? Wieso sollten die deutschen Kommunisten nicht dem langjährigen Führer ihrer cubanischen Schwesterpartei gratulieren dürfen?

Empört kann doch nur sein, wer immer noch nicht begriffen hat, daß die Partei "Die Linke" dieselbe kommunistische Partei ist, die früher unter den Namen KPD, DKP, SED und PDS auftrat.

Man hielt es eine zeitlang für taktisch geboten, nicht hervorzukehren, daß man eine kommunstische Partei ist. Sogar die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei der EU, der "Europäischen Linken", wurde nicht an die große Glocke gehängt (siehe "Die Linke" und die Kommunisten. Ein paar weniger bekannte Details; ZR vom 18. 2. 2008, sowie Lothar Bisky, Vorsitzender von zwei Parteien; ZR vom 1. 9. 2008).

Diese Tarnung ist inzwischen vorbei. Das zeigen die Personalien Wagenknecht und Lötzsch.

Die Bewunderin Stalins und bekennende Kommunistin Sarah Wagenknecht ist seit Mai 2010 stellvertretende Vorsitzende dieser Partei. Über die Herrschaft Stalins urteilte sie noch nach der Wiedervereinigung so:
Und was immer man - berechtigt oder unberechtigt - gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht während eines weltgeschichtlich einzigartigen Zeitraums; (...)

Wir finden keine wirtschaftliche Stagnation, keine zunehmende Differenz gegenüber dem vom Kapitalismus erreichten technischen Stand, keine produktionshemmenden Leitungsstrukturen, keine Außerkraftsetzung des Leistungsprinzips, keine Vernachlässigung der Wissenschaften und der Kultur; erst recht keine Konzeptions- und Ziellosigkeit des Handelns, kein hilfloses Schwanken und auf allernächste Zwecke beschränktes Lavieren. (...)

Die beeindruckenden Leistungen bei der Industrialisierung des Landes wären ohne Stützung und Bejahung dieser Politik seitens größerer Teile des Volkes nie erreichbar gewesen. (Es ist lächerlich und dumm, diese im Nachhinein als bloße Auswirkungen der Diktatur, der Angst und der Arbeitslager dar stellen zu wollen.)
So, wie Wagenknecht Stalin bewunderte, bewundert auch heute noch die Vorsitzende Gesine Lötzsch die Revolutionärin Rosa Luxemburg.

Ich habe Anfang des Jahres in einem zweiteiligen Artikel beschrieben, welche politischen Ziele Rosa Luxemburg hatte, was es bei ihr mit der "Freiheit der Andersdenkenden" auf sich hat und mit welcher Verachtung sie den demokratischen Rechtsstaat bedachte (Gesine Lötzsch und die Wege zum Kommunismus (1): Die Rosa-Luxemburg-Konferenzen und Lötzschs Strategie der "fortschreitenden Machteroberung"; ZR vom 7. 1. 2011, und Gesine Lötzsch und die Wege zum Kommunismus (2): Rosa Luxemburg, die Dikatur des Proletariats und die Freiheit des Andersdenkenden; ZR vom 7. 1. 2011).

Daß eine Partei, an deren Spitze Lötzsch und Wagenknecht stehen, sich zum kommunistischen Cuba bekennt, ist nachgerade selbstverständlich. Übrigens schließt sich auch Gregor Gysi an und lobt unter anderem, daß Castro "Armut überwunden" habe. (Wie es tatsächlich mit der Armut in Cuba bestellt ist, die selbst für lateinamerikanische Verhältnisse erbärmlich ist, das können Sie zum Beispiel hier nachlesen).

Bemerkenswert ist nicht dieser Brief. Bemerkenswert ist allein, daß er bei den demokratischen Parteien Empörtheit auslöst. Das zeigt, wie sehr man auf die Tarnung der Kommunisten hereingefallen ist. Daß der Fuchs die Gans stiehlt, empört nur denjenigen, der ihn für einen Vegetarier hielt.




Nachtrag am 22. 8.: Das oben verlinkte Faksimile, das "Bild" publiziert hatte, enthält nicht den vollständigen Text des Glückwunschschreibens, das schon eher eine Ergebenheits-adresse ist. Diesen kann man auf der WebSite der cubanischen Botschaft in Berlin lesen. Hier ist die von "Bild" nicht gebrachte Passage:
Heute steht Kuba in Lateinamerika nicht länger allein; inspiriert durch das kubanische Vorbild, haben zahlreiche Völker Lateinamerikas und der Karibik, allen voran in den ALBA-Staaten, ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und gehen einen Weg, der ihren eigenen Interessen und nicht denen des internationalen Kapitals entspricht. Auch auf diese Entwicklung kannst Du – gemeinsam mit dem gesamten kubanischen Volk, stolz sein. Nicht zuletzt durch die Vorbildwirkung seiner eigenen Entwicklung und durch seine internationalistische Solidarität hat Kuba einen enormen Anteil an dieser Entwicklung. Wir wissen jedoch, dass das [sic] Du auch heute weiter nach vorn blickst, aufmerksam die internationale Entwicklung verfolgst und in Form Deiner Veröffentlichungen und der zahlreichen Treffen und Gespräche mit progressiven Politikern aktiv darauf einwirkst. Auf diese Weise stellst Du Deine Erfahrungen und Deine politische Weitsicht auch weiterhin den neuen Generationen politischer Aktivisten zur Verfügung.
Das geht in bemerkenswerter Weise über einen Glückwunsch zum Geburtstag hinaus. Gepriesen wird ja nicht nur das Geburtstagskind, sondern die Politik des kommunistischen Cuba. Und dies in der Sprache der SED-Diktatur: "Interessen des internationalen Kapitals", "internationalistische Solidarität", "progressive Politiker", "politische Aktivisten".

Schriebe so etwas ein kommunistisches Splittergrüppchen, dann könnte man mit den Achseln zucken. Derart schreiben aber die beiden Vorsitzenden einer Regierungspartei im Bundesland Berlin, die vorgibt, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen.

Der wendige Gregor Gysi kommentierte den Brief mit den Worten: "Mein Stil ist das nicht". Nein, sein Stil ist das nicht. Sein Stil ist die Tarnung. Und im Vergleich mit diesem Stil Gysis kann man die brutale Offenheit, mit der sich Lötzsch und Ernst zur kommunistischen Diktatur bekennen, nachgerade erfrischend finden.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die Fassung ohne den Nachtrag wurde am 20. 8., 17.35 Uhr publiziert.