Anders als in früheren Kampagnen für die US-Präsidentschaft fallen heuer schon nach den ersten Vorwahlen und Caucuses die Kandidaten wie die Kegel beim Bowling. Der Januar ist noch nicht zu Ende, und es sind auf jeder Seite nur noch zwei - Obama und Clinton bei den Demokraten, und bei den Republikanern Mitt Romney und John McCain.
Formal gibt es noch ein paar mehr Kandidaten. Bei den Republikanern sind da noch zwei wackere Zählkandidaten, Mike Huckabee und der unverdrossene Ron Paul. Sie trafen sich vergangene Nacht mit Romney und McCain zu einer
Diskussion; zu einer für diesen Wahlkampf sehr typischen Diskussion. Aus meiner Sicht war es eine enttäuschende Diskussion, vor allem, was John McCain angeht.
Das Ereignis war unter anderem von
CNN und der
Los Angeles Times organisiert und fand vor einer eindrucksvollen Kulisse statt: Im
Air Force One Pavilion der
Ronald Reagan Library in Los Angeles, einer Halle, in der leibhaftig eben jenes Flugzeug
Air Force One steht, das Reagan und anderen Präsidenten für ihre Reisen gedient hatte.
Die etwas skurrile Idee, dieses Flugzeug in der Bibliothek aufzustellen, geht auf eine Bemerkung Reagans zurück, daß er es schön fände, das Flugzeug dem amerikanischen Volk zur Verfügung zu stellen. In Amerika, zumal in Californien, reagiert man auf solche Einfälle gern mit einem "Why not?"; und tut's.
Da saßen sie also, die zwei und die zwei. Die zwei wirklichen Kandidaten, Mitt Romney und John McCain, rechts am Tisch nebeneinander. Und links neben ihnen der sympathische Don Quijote Ron Paul, Kämpfer für die Freiheit und gegen den Staat, und der fröhliche Christenmensch Huckabee.
Die beiden fügten sich in ihr Schicksal, nicht mehr als die Staffage für die Diskussion zwischen Romney und McCain abzugeben. Paul mit der betrübten Mine desjenigen, der das gewohnt ist, Huckabee mit bissigem Humor.
Was sagten sie nun, McCain und Romney? Wie kamen sie rüber? Was sie sagten, hat
CNN als
Transskript ins Netz gestellt; man kann es sich dort auch, wenn man Zeit hat, als Video ansehen.
Mein Eindruck war, daß die beiden Kandidaten in erstaunlichem Maß das waren, was man im Fußball als nickelig bezeichnet. Mit versteckten Anspielungen, die den Gegner herabsetzen sollten, mit dem Herumgehacke darauf, was wer wann gesagt hätte und was ihn wozu qualifiziere oder nicht qualifiziere.
Die beiden schenkten sich nichts bei diesen ständigen Tacklings und versteckten Fouls. Je mehr sie sich ineinander verbissen, umso mehr ließen sie Huckabee und Ron Paul als zwei ehrlichere und sachlichere Diskutanten aussehen.
Wer machte die bessere Figur bei dem Hickhack? Für die Zuschauer eindeutig Romney. Das war nicht nur am Applaus zu erkennen, sondern ein
Panel von Zuschauern hatte auch Eingabegeräte, in die sie fortlaufend ihre Bewertung der Kandidaten tippten. An den kritischen Stellen der Debatte näherte sich Romney oft dem maximalen Wert hundert, während McCain auf unter fünfzig absackte.
Dabei hatte McCain Recht.Jedenfalls an der wichtigsten Stelle, als es um den Irak- Krieg ging. (Anderson Cooper von CNN meinte nach der Debatte, die größte Überraschung für ihn sei gewesen, wie hartnäckig die beiden bei diesem Thema blieben).
McCain wirft schon seit Tagen Romney vor, in der kritischen Phase im Frühling 2007, als viele Demokraten den sofortigen Abzug forderten und Bush den
Surge erwog, herumgeeiert zu haben. Er habe erst eine Stellungnahme mit dem Hinweis darauf verweigert, daß er ja Gouverneur von Massachusetts sei und kein Bundespolitiker, und dann habe er einen Zeitplan für den Abzug befürwortet, wie ihn die Demokraten verlangten.
Romney wies das entrüstet von sich, schwor Stein und Bein, es nie gesagt zu haben und gebrauchte das Wort "Lüge", wenn auch nicht direkt auf McCain bezogen. Wer als er selbst sei eigentlich der Experte dafür, wie er zum Irak-Krieg stehe? Und warum McCain nicht das ganze Zitat vorlese? Was McCain ihm da vorwerfe, das sei eines dieser typischen Manöver, wie sie in Washington an der Tagesordnung seien (Subtext: Er, Romney, dagegen, ist die ehrliche Haut aus Massachusetts).
Das kam bei den Zuschauern gut an, und McCain sah alt aus. Liest man freilich nach, was Romney
an jenem 3. April 2007 wirklich gesagt hatte, dann sieht man, daß McCain im Kern Recht hatte: Romney eierte herum. Er sprach sich gegen einen
öffentlichen Zeitplan aus, weil dies dem Feind nützen würde. Aber er deutete zumindest an, daß er für einen
internen, mit den Irakern auszuhandelnden Zeitplan für einen Abzug der US-Truppen sei.
Nur hatten die Zuschauer, die da in der
Ronald Reagan Library saßen und vor der Kulisse der
Air Force One den Kandidaten zuhörten, ja nicht die Gelegenheit, das nachzulesen (auch wenn der Moderator Anderson Cooper ein Zitat aus dem Interview beisteuerte).
Sie hatten den Eindruck, die Zuschauer vor Ort (und ich hatte, nur den Auftritt der beiden Kandidaten betrachtet, auch diesen Eindruck), daß McCain seinem Gegner Romney das Wort im Mund herumzudrehen versuchte.
So, wie überhaupt McCain seltsam schwammig und stereotyp debattierte.Fast formelhaft wiederholte er immer wieder die Versatzstücke, die man wieder und wieder bei seinen Auftritten hört: Daß er ein "Fußsoldat" in der Truppe Ronald Reagans gewesen sei, daß er das "größte Geschwader" der Marineflieger geführt habe, daß er "für diesen
Surge gekämpft" habe, als es in Bezug auf den Irak- Krieg Spitz auf Knopf gestanden habe. Man meinte förmlich das Gähnen im Publikum wahrzunehmen.
Auf konkrete Fragen gab er selten konkrete Antworten, sondern er sprach seinen Text in monotoner Wiederholung. Oft lächelnd, mit seiner seltsam sanft schwingenden Stimme wie ein müder Schauspieler, der zum tausendsten Mal dasselbe Stück spielen muß.
Romney wirkte, braungebrannt und elegant wie immer, erheblich dynamischer und auch präziser. Man könnte auch sagen: Er wirkte glatt und geschniegelt.
Wenn es nur um die Art ging, wie jeder der Kandidaten herüberkam, dann war Huckabee der Sieger Er nutzte seine Rolle als Nebendarsteller mit Witz, einer fröhlichen Menschlichkeit, auch mit präzisen Aussagen. Man freute sich geradezu, wenn zwischen den Hinterhältigkeiten, die Romney und McCain austauschten, einmal wieder er oder Ron Paul mit einer Frage bedacht wurde.
Aber es geht ja bei den Wahlentscheidungen der Amerikaner nicht nur um solche Auftritte. Zum Glück nicht.
Weitere Informationen zu der Sendung, auch zum Medienecho darauf, im Blog
Pennsylvania Ave, den ich bei dieser Gelegenheit allen empfehlen möchte, die eine ebenso schnelle wie präzise Berichterstattung zum US-Wahlkampf in deutscher Sprache suchen.