25. Januar 2008

Marginalie: Prima Leichen aus China

Eine Show namens "Körperwelten", die dem staunenden Publikum hergerichtete Leichen und Leichenteile zeigt und die vor ein paar Jahren in Deutschland Aufsehen erregte, hat offenbar Nachahmer gefunden. Eine Firma namens Premier Exhibitions Inc. läßt nicht weniger als zehn solche Shows durch die USA tingeln. Daneben ist auch "Körperwelten" in den USA unterwegs.

Das entnehme ich der gestrigen Los Angeles Times. Der Anlaß für den Artikel ist ein Gesetzgebungsverfahren in Kalifornien, das das Abgeordnetenhaus passiert hat und jetzt dem Senat zugeleitet wurde.



Ich habe dieses Ausstellen von Verstorbenen, die in allerlei Weisen präpariert wurden, immer ausgesprochen widerlich gefunden.

Erstens, weil die Erfurcht vor den Toten, auch ihrem Körper, allen menschlichen Kulturen eigen ist. Man könnte sie geradezu als ein Merkmal der menschlichen Kultur bezeichnen. Verstorbene Menschen sind keine Schauobjekte. Sie als solche zu behandeln durchbricht etwas tief Menschliches, die Pietät. Es ist ja nicht eine Beliebigkeit, daß die Störung der Totenruhe ein strafbares Delikt ist.

Zweitens war diese Show, die ein selbsternannter "Plastinator" namens Gunther von Hagens (geborener Gunther Gerhard Liebchen) präsentierte, von einem Dunstkreis der Heuchelei umgeben. Sie appellierte ganz offensichtlich an dieselbe Schaulust, die früher die Kirmesbesucher in die "Monstrositäten- Kabinette" zog, wurde aber als Kunst und gar als wissenschaftliche Aufklärung präsentiert.



Jetzt also ist dieses "Plastinieren" offenbar in den USA groß in Mode gekommen. Nicht nur die zehn Leichen- Shows von Premier Exhibitions Inc. sind unterwegs, sondern als Hauptkonkurrent bietet auch von Hagens' "Körperwelten" seine Leichen an. Man war bereits 2004 in Los Angeles und will dort wieder im kommenden März im Exhibition Park, nun ja, gastieren.

Daß sich jetzt der Kongreß des Bundesstaats Kalifornien mit der Sache befaßt, geht auf eine Gesetzsinitiative der Abgeordneten der Demokratischen Partei Fiona Ma zurück, die darauf hinweist, daß "many entrepreneurs are using plastination to make outrageous profits by dissecting, mutilating and parading unwilled bodies around the world and in our state"; daß "viele Unternehmer die Plastination benutzen, um himmelschreiende Profite zu machen, indem sie ohne Einwilligung Leichen zerlegen und verstümmeln, um sie rund um die Welt und auch in unserem Staat zu präsentieren."

Wohl gesprochen. Die Abgeordnete Ma ist chinesischer Abstammung, und Premier Exhibitions Inc. gibt ganz offen zu, daß seine Leichen aus China stammen. Was Gunther von Hagens angeht, so hat er zwar auch in China plastiniert, erklärt aber, er zeige keine Leichen aus China. Zumindest scheint nicht ganz sicher zu sein, daß das immer so gewesen ist.

Die Abgeordnete Ma, mit der chinesischen Kultur vertraut, weist darauf hin, daß in China die Körper Verstorbener mit außerordentlicher Ehrfurcht behandelt werden und daß man sich mit dem Schicksal des eigenen Körpers nach dem Tod beschäftigt; beispielsweise gibt es nur wenige freiwillige Organspender. Daß ausgerechnet Chinesen ihre Einwilligung gegeben haben sollten, nach íhrem Tod einem gaffenden Publikum zur Schau gestellt zu werden, erscheint ihr sehr unplausibel.

Das Gesetz, das jetzt das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen aller 54 Abgeordneten passiert hat, sieht vor, daß derartige Ausstellungen von den Behörden der jeweiligen County genehmigt werden müssen und daß die Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn die Betreiber der Ausstellung eine schriftliche Erklärung der betroffenen Personen oder ihrer nächsten Angehörigen vorlegen, daß sie mit einer Plastination und Ausstellung ihrer Körper einverstanden waren.



Daß man in Kalifornien in dieser Weise gegen die Geschäftemacherei mit Leichen vorgeht, finde ich ausgezeichnet. Allerdings frage ich mich, wie man denn wohl prüfen will, ob die Person, von der eine solche Einwilligung vorgelegt wird, mit dem Gebilde aus "plastinierten" Knochen, Muskeln, inneren Organen, Blutgefäßen identisch ist, das zur Schau gestellt wird.

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