Vom Wetter zu reden, das galt einmal als das ideale Thema für einen Small Talk. Beim Plaudern Themen wie Religion, Politik, Sex anzuschneiden, das war schlechter Stil. Aber das Wetter - das ist unverfänglich, da konnte es doch kaum Streit geben.
Das war einmal. Das Wetter im großen geographischen Maßstab und auf längere Sicht - also das Klima - ist zu einem im Wortsinn heißen Thema geworden. Zu einem Thema, das sich zum Small Talk ungefähr so schlecht eignet wie die sexuellen Präferenzen der Plaudernden.
Nein, das ist ein zu milder Vergleich. Über Politik, über Religion, schon ganz und gar über Sexualität kann man heutzutage ja durchaus schon mal im Plauderstil miteinander reden. Aber beim Klima, da hört der Spaß auf.
Da verlieren selbst Wissenschaftler die Contenance. Selbst Meister des eleganten Stils fahren da aus der Haut. Selbst in dem Blatt, hinter dem immer ein kluger Kopf steckt, wird geschimpft und insinuiert, als sei es das Blatt mit der vielen roten Farbe.
Auf das Thema dieses Kommentars hat mich heute ein Beitrag von Rayson in B.L.O.G. aufmerksam gemacht.
Da erschien in der FAZ am 31. August ein Artikel von Stefan Rahmstorf, Ozeanograph an der Universität Potsdam und medienbekannter Klimaforscher; es handelt sich um die gekürzte Version eines Aufsatzes im Septemberheft von "Universitas".
Schon der Titel in "Universitas" läßt nicht unbedingt einen akademischen Stil erkennen: "Alles nur Klimahysterie? - Wie 'Klimaskeptiker' die Öffentlichkeit verschaukeln und wirksame Klimaschutzmaßnahmen verhindern". Die Version in der "FAZ" setzt noch einen drauf: "Klimawandel - Deutsche Medien betreiben Desinformation".
Und dann geht's munter los.
Über Prof. Fred Singer, einen Klimaskeptiker, schreibt Rahmstorf:
Sofern es den Beruf des "Klimaforschers" überhaupt gibt, dürfte Singer also als solcher ausgewiesen sein; Rahmstorf selbst ist ja Ozeanograph, andere sind Metereologen, Glaziologen, dergleichen. Singer ist Physiker und Umweltwissenschaftler.
Und was das SEPP angeht - daß Singer "dafür arbeitet", ist eine etwas eigenwillige Formulierung, denn er ist dessen Gründer. Man muß auch keineswegs auf Erkenntnisse der Union of Concerned Scientists zurückgreifen, um das zu erfahren: Es steht in der Wikipedia. Und der Vorsitzende des Board of Directors des SEPP ist immerhin Frederick Seitz, ehemaliger Präsident der amerikanischen National Academy of Sciences.
"Desinformation"? Hm.
Weitere Kostprobe:
Wie auch das Umwelt-Bundesamt sieht er die Klimatologie offenbar als die einzige aller Wissenschaften an, in der die herrschende Meinung nicht mit guten Gründen, sondern allein zur Irreführung und im Auftrag von Lobbys angezweifelt wird.
Nun haben einige der so Attackierten heute in der FAZ geantwortet; Christian Bartsch, Günter Ederer, Matthias Horx, Wolf Lotter, Dirk Maxeiner, Josef Reichholf und Wolfram Weimer.
Haben sie auf die Polemik von Rahmstorf, auf seine persönlichen Attacken sachlich und faktenbezogen reagiert? Ach nein. Fast möchte man sagen: Im Gegenteil.
Unter der Überschrift "Klimaschutz-Debatte - Der Untergangsterror" liest man Passagen wie diese:
Da schreiben Autoren über eine Frage, die eine so empirische ist wie eine Frage überhaupt nur empirisch sein kann - wie sich das Klima entwickelt, welches die Ursachen für diese Entwicklung sind.
Und sie tun das - und zwar beide Seiten - in einem Stil, als stritten sich Maoisten mit Trotzkisten oder Kreationisten mit Darwinisten.
Mir sind die beiderseitigen nachgerade religiösen Gewißheiten nicht nachvollziehbar.
Ich verstehe nichts von Klimatologie und bin also, wie alle Laien, auf das angewiesen, was die Fachleute wissen, vermuten, prognostizieren.
Wenn ich deren Äußerungen folge, dann scheint der Sachverhalt einer globalen Erwärmung inzwischen wahrscheinlich zu sein, während die Ursachen noch immer weitgehend ungeklärt sind. CO2-Emissionen dürften eine Rolle spielen.
Das ist der momentante Erkenntnisstand. Wie jeder Erkenntnisstand kann er sich ändern. Und wie jede Wissenschaft ist die Klimatologie darauf angewiesen, daß die herrschende Meinung in Frage gestellt, daß alternative Ideen vorgetragen, daß Skepsis geäußert wird.
Das Faktum der globalen Erwärmung schlankweg zu bestreiten scheint mir nicht vertretbar. Jeder Kritik an den herrschenden wissenschaftlichen Auffassungen die Berechtigung abzusprechen, scheint mir erst recht nicht vertretbar zu sein.
Es geht schließlich um empirische Fragen; und es geht darum, welche Theorie jeweils am besten mit den Daten zurechtkommt. Das muß man herausfinden, indem man Daten erhebt, Modelle entwickelt, die Modelle auswählt, die den Daten am besten gerecht werden. So, wie immer, wenn ordentlich geforscht wird.
Warum ist die ordentliche wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich aber umgeben von so viel Emotionen, von so viel Irrationalität und Gereiztheit? Warum wird so viel polemisiert statt diskutiert, warum überwuchern Argumente ad hominem oft die Sachdiskussion?
Weil viel Geld auf dem Spiel steht, auf der einen Seite wie der anderen? Vielleicht. Ich vermute aber, daß noch etwas anderes eine Rolle spielt.
Bei der Diskussion über das geozentrische und das heliozentrische Weltbild im 16. und frühen 17. Jahrhundert ging es nicht nur um die wissenschaftliche Wahrheit, sondern es ging auch um Weltanschauung und letztlich um Macht. Das Papsttum sah seine einzigartige Stellung gefährdet, wenn die einzigartige Stellung der Erde im Weltall geleugnet wurde.
So scheint mir auch hinter der Klima-Diskussion ein Weltanschauungs- Kampf zu stehen.
Was der Kommunist Wolfgang Harich einst erhofft hat, das könnte zur Wirklichkeit werden, wenn unter der Flagge des "Kampfs gegen die globale Erwärmung" immer mehr ins Leben der Bürger eingegriffen wird: Eine Öko-Diktatur. Die Anzeichen für einen solchen Trend sind unübersehbar.
Das hoffen die einen, das wollen die anderen verhindern. Das ist es, vermute ich, was dieser Diskussion ihre Schärfe, ihre Gereiztheit verleiht.
Nur ändert das alles ja nichts an den Fakten.
In der weltanschaulichen Diskussion stehe ich sehr überzeugt auf der Seite der Liberalen, die gegen diese Gefahr der Öko- Diktatur mobil machen. Trotzdem halte ich, soweit meine Kenntnisse reichen, die globale Erwärmung, auch den menschengemachten Anteil, inzwischen für sehr wahrscheinlich.
Das war einmal. Das Wetter im großen geographischen Maßstab und auf längere Sicht - also das Klima - ist zu einem im Wortsinn heißen Thema geworden. Zu einem Thema, das sich zum Small Talk ungefähr so schlecht eignet wie die sexuellen Präferenzen der Plaudernden.
Nein, das ist ein zu milder Vergleich. Über Politik, über Religion, schon ganz und gar über Sexualität kann man heutzutage ja durchaus schon mal im Plauderstil miteinander reden. Aber beim Klima, da hört der Spaß auf.
Da verlieren selbst Wissenschaftler die Contenance. Selbst Meister des eleganten Stils fahren da aus der Haut. Selbst in dem Blatt, hinter dem immer ein kluger Kopf steckt, wird geschimpft und insinuiert, als sei es das Blatt mit der vielen roten Farbe.
Auf das Thema dieses Kommentars hat mich heute ein Beitrag von Rayson in B.L.O.G. aufmerksam gemacht.
Da erschien in der FAZ am 31. August ein Artikel von Stefan Rahmstorf, Ozeanograph an der Universität Potsdam und medienbekannter Klimaforscher; es handelt sich um die gekürzte Version eines Aufsatzes im Septemberheft von "Universitas".
Schon der Titel in "Universitas" läßt nicht unbedingt einen akademischen Stil erkennen: "Alles nur Klimahysterie? - Wie 'Klimaskeptiker' die Öffentlichkeit verschaukeln und wirksame Klimaschutzmaßnahmen verhindern". Die Version in der "FAZ" setzt noch einen drauf: "Klimawandel - Deutsche Medien betreiben Desinformation".
Und dann geht's munter los.
Über Prof. Fred Singer, einen Klimaskeptiker, schreibt Rahmstorf:
Nach einer Studie der Union of Concerned Scientists arbeitet Singer seit vielen Jahren für durch Exxon und andere Industrieunternehmen finanzierte Organisationen wie das Science and Environmental Policy Project (SEPP), deren Geschäft derartige Desinformation ist. Dennoch wird uns Singer von RTL, ntv und von Report München als Klimaexperte präsentiert. Der Zuschauer soll glauben, Singer sei ein Klimaforscher.Was er nun allerdings ist - nämlich ausgewiesen durch wissenschaftliche Arbeiten als u.a. Direktor des Center for Atmospheric and Space Physics der University of Maryland, Dekan der School of Environmental and Planetary Sciences, University of Miami und Professor of Environmental Sciences, University of Virginia.
Sofern es den Beruf des "Klimaforschers" überhaupt gibt, dürfte Singer also als solcher ausgewiesen sein; Rahmstorf selbst ist ja Ozeanograph, andere sind Metereologen, Glaziologen, dergleichen. Singer ist Physiker und Umweltwissenschaftler.
Und was das SEPP angeht - daß Singer "dafür arbeitet", ist eine etwas eigenwillige Formulierung, denn er ist dessen Gründer. Man muß auch keineswegs auf Erkenntnisse der Union of Concerned Scientists zurückgreifen, um das zu erfahren: Es steht in der Wikipedia. Und der Vorsitzende des Board of Directors des SEPP ist immerhin Frederick Seitz, ehemaliger Präsident der amerikanischen National Academy of Sciences.
"Desinformation"? Hm.
Weitere Kostprobe:
Wer einmal versucht hat, sachlich mit Klimaskeptikern zu diskutieren, der weiß, dass sie keineswegs einen gesunden Skeptizismus pflegen, sich also (wie die meisten Wissenschaftler) nur durch gute Belege von etwas überzeugen lassen. Im Gegenteil: Ähnlich wie Kreationisten haben sie eine festgefahrene Meinung zum Thema, die sich durch kein Sachargument erschüttern lässt. Sie klammern sich an jeden argumentativen Strohhalm, mit dem sich das Klimaproblem verleugnen und die Öffentlichkeit verwirren lässt.Kurz, für Rahmstorf sind die Auffassungen der Klima- Skeptiker (wie er über ein Argument von Dirk Maxeiner schreibt) "eine klassische, seit vielen Jahren immer wieder benutzte Irreführung der Laien."
Wie auch das Umwelt-Bundesamt sieht er die Klimatologie offenbar als die einzige aller Wissenschaften an, in der die herrschende Meinung nicht mit guten Gründen, sondern allein zur Irreführung und im Auftrag von Lobbys angezweifelt wird.
Nun haben einige der so Attackierten heute in der FAZ geantwortet; Christian Bartsch, Günter Ederer, Matthias Horx, Wolf Lotter, Dirk Maxeiner, Josef Reichholf und Wolfram Weimer.
Haben sie auf die Polemik von Rahmstorf, auf seine persönlichen Attacken sachlich und faktenbezogen reagiert? Ach nein. Fast möchte man sagen: Im Gegenteil.
Unter der Überschrift "Klimaschutz-Debatte - Der Untergangsterror" liest man Passagen wie diese:
Es ist ein heiliger Krieg, ein Dschihad, den Rahmstorf da führt. Und es werden keine Gefangenen gemacht: Er reißt Zitate aus dem Zusammenhang, streicht, lässt weg - damit seine Weltuntergangsankündigung nicht in Gefahr gerät. (...)Was bitte ist da los?
Mit der fanatischen Verfolgung Andersdenkender tut Rahmstorf weder sich noch der Klimadebatte einen Gefallen. Vielmehr weisen Stil und Inhalt auf eine tiefe Unsicherheit und ein bizarres Geltungsbedürfnis hin.
Da schreiben Autoren über eine Frage, die eine so empirische ist wie eine Frage überhaupt nur empirisch sein kann - wie sich das Klima entwickelt, welches die Ursachen für diese Entwicklung sind.
Und sie tun das - und zwar beide Seiten - in einem Stil, als stritten sich Maoisten mit Trotzkisten oder Kreationisten mit Darwinisten.
Mir sind die beiderseitigen nachgerade religiösen Gewißheiten nicht nachvollziehbar.
Ich verstehe nichts von Klimatologie und bin also, wie alle Laien, auf das angewiesen, was die Fachleute wissen, vermuten, prognostizieren.
Wenn ich deren Äußerungen folge, dann scheint der Sachverhalt einer globalen Erwärmung inzwischen wahrscheinlich zu sein, während die Ursachen noch immer weitgehend ungeklärt sind. CO2-Emissionen dürften eine Rolle spielen.
Das ist der momentante Erkenntnisstand. Wie jeder Erkenntnisstand kann er sich ändern. Und wie jede Wissenschaft ist die Klimatologie darauf angewiesen, daß die herrschende Meinung in Frage gestellt, daß alternative Ideen vorgetragen, daß Skepsis geäußert wird.
Das Faktum der globalen Erwärmung schlankweg zu bestreiten scheint mir nicht vertretbar. Jeder Kritik an den herrschenden wissenschaftlichen Auffassungen die Berechtigung abzusprechen, scheint mir erst recht nicht vertretbar zu sein.
Es geht schließlich um empirische Fragen; und es geht darum, welche Theorie jeweils am besten mit den Daten zurechtkommt. Das muß man herausfinden, indem man Daten erhebt, Modelle entwickelt, die Modelle auswählt, die den Daten am besten gerecht werden. So, wie immer, wenn ordentlich geforscht wird.
Warum ist die ordentliche wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich aber umgeben von so viel Emotionen, von so viel Irrationalität und Gereiztheit? Warum wird so viel polemisiert statt diskutiert, warum überwuchern Argumente ad hominem oft die Sachdiskussion?
Weil viel Geld auf dem Spiel steht, auf der einen Seite wie der anderen? Vielleicht. Ich vermute aber, daß noch etwas anderes eine Rolle spielt.
Bei der Diskussion über das geozentrische und das heliozentrische Weltbild im 16. und frühen 17. Jahrhundert ging es nicht nur um die wissenschaftliche Wahrheit, sondern es ging auch um Weltanschauung und letztlich um Macht. Das Papsttum sah seine einzigartige Stellung gefährdet, wenn die einzigartige Stellung der Erde im Weltall geleugnet wurde.
So scheint mir auch hinter der Klima-Diskussion ein Weltanschauungs- Kampf zu stehen.
Was der Kommunist Wolfgang Harich einst erhofft hat, das könnte zur Wirklichkeit werden, wenn unter der Flagge des "Kampfs gegen die globale Erwärmung" immer mehr ins Leben der Bürger eingegriffen wird: Eine Öko-Diktatur. Die Anzeichen für einen solchen Trend sind unübersehbar.
Das hoffen die einen, das wollen die anderen verhindern. Das ist es, vermute ich, was dieser Diskussion ihre Schärfe, ihre Gereiztheit verleiht.
Nur ändert das alles ja nichts an den Fakten.
In der weltanschaulichen Diskussion stehe ich sehr überzeugt auf der Seite der Liberalen, die gegen diese Gefahr der Öko- Diktatur mobil machen. Trotzdem halte ich, soweit meine Kenntnisse reichen, die globale Erwärmung, auch den menschengemachten Anteil, inzwischen für sehr wahrscheinlich.
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