Das Nancy Faeser, ihres Zeichens Innenministerin, ihre Auffassung von Regierung, die nicht nur an der Grenze totalitär geprägt ist, mehr und mehr durchsetzt, umso unpopulärer sie und ihre Regierung wird, ist kein echtes Geheimnis. Beweislastumkehr, offene Grenzen, Impfpflicht, Hassrede und jetzt eben auch ein Verbot der freien Presse: Das ist nicht wirklich überraschend und auch nicht neu.
Das Nancy Faeser 1984 nicht als Warnung sondern als Betriebsanleitung verinnerlicht hat, war schon vor Jahren ein alter Hut und insofern kann der morgendliche Überfall auf Jürgen Elsässer, den Herausgeber des Compact-Magazins, samt zufällig anwesenden Fotografen, nicht wirklich überraschen. Und es ist hoffnungslos zu glauben, dass diese Frau freiwillig zur Einhaltung von Grundrechten zurück kehren wird, ähnlich sinnvoll wäre es von Kim Jong Un zu erwarten, dass er morgen demokratische Wahlen zulassen würde oder von Wladimir Putin, dass er sich für den Überfall auf die Ukraine entschuldigt. Das wird nicht passieren. Leute wie Faeser kann man von nichts überzeugen, man muss ihnen die politische Macht nehmen und in Schimpf und Schande davon jagen. Als man Erich Honnecker und Erich Mielke von der Macht entfernte, hat man von Ihnen auch kein Umdenken erleben können oder sie zur Rechenschaft ziehen können, das höchste ist es tatsächlich, dass diese Leute erleben wie ihre Weltsicht vor ihren Augen zusammen bricht.
Insofern ist dieser Artikel nicht an Nancy Faeser ausgerichtet, deren Berufung zur Ministerin schon ein Skandal war und insofern hier keinen neuen darstellt. Nein, der eigentliche Skandal ist der Umgang mit dem totalitären Auftreten einer Regierung, denn das Ganze ist nicht ohne Präzedenz. Als 1962 der damalige Verteidigungsminister Strauß die Spiegel Redaktion ausheben lies ("Spiegel Affäre"), kam es in der Folge nicht nur zu einer beispiellosen Solidarisierungswelle innehalb der Presse (so konnte der Spiegel weiter erscheinen, weil diverse Redaktionen wie Zeit, Stern oder auch die Springer Presse, ihre Räume und Ressourcen zur Verfügung stellten). Im Folgemonat kam es in direkter Folge zu einer schweren Regierungskrise, als alle fünf FDP-Minister geschlossen ihren Rücktritt aus der Regierung Adenauer erklärten. Das Ganze konnte nur beruhigt werden, indem Adenauer seinen Verteidigungsminister Strauß entliess, dessen bis dahin steile Karriere zwar nicht beendet, aber zumindest schwer beschädigt wurde.
Am Ende musste die Regierung die Spiegel Redaktion vollständig rehabilitieren und war nicht nur öffentlich blamiert, sie war auch klar durch eine Mischung aus Medien und gesellschaftlichem Druck in ihrer Macht reduziert worden. Jahrzehntelang wagte sich keine Regierung mehr an die Presse, die Spiegel Affäre hatte das Ansehen, als auch die Stellung der Presse in der Nachkriegsrepublik deutlich gestärkt.
Heute ist davon nichts mehr übrig. Der morgendliche Überfall auf Elsässer wird stattdessen recht süffisant kommentiert, die Blöd-Zeitung, selbsternannte Stimme des Boulvevards, suhlt sich stolz darin die Bilder von Elsässer im Bademantel zu veröffentlichen, die durch die durchgestochenen Termine an Pressefotografen möglich waren. Persönlichkeitsschutz gilt nicht für Regierungskritiker, wo heute die Gesichter von Attentätern verpixelt werden, sieht die Presse kein Problem damit sich solchen Rollkommandos anzuschliessen und sich zum Voyeur und Büttel einer totalitären Ministerin zu machen.
Es ist ein nicht ganz korrektes Zitat, das Winston Churchill zugeschrieben wird, dass es in einer Demokratie, wenn es morgens um sechs klingelt, meistens der Milchmann ist. Im "besten Deutschland das wir je hatten" gilt das nicht mehr: Hier kommt morgen um sechs ein Rollkommando in Sturmmasken, begleitet von regierungstreuen Fotografen, um einem die Bude auseinander zu nehmen. Das sowas passiert ist eine Sache. Die Polizei ist weisungsgebunden und Paparazzi, ohne jedwedes Gefühl für Persönlichkeitsrechte, hat es auch schon immer gegeben. Was nicht geht ist, dass das einfach so durchgeht.
Dass nach "Pimmelgate" Andy Grote immer noch im Amt ist. Das Nancy Faeser heute abend wieder mit Karl Lauterbach anstossen kann, wie sehr sie doch wieder ihre verquere Vorstellung von Demokratie befohlen hat. Dass der Fotograph, der das Foto geschossen hat, kein Paria in seiner Zunft ist, der keine Arbeit findet, weil niemand etwas mit einem Regierungsfotographen zu tun haben will. Dass die Bild-Redakteure, die die Geschichte um kurz nach sechs veröffentlichen konnten, nicht Rede und Antwort stehen müssen, woher sie das wohl da schon alles wussten. Das sich die Presse eben nicht mit jemandem solidarisiern mag, dessen Meinung sie nicht teilen.
Das ist das Problem und das ist der Skandal. Wir leben in einem zunehmenden Totalitarismus, weil wir uns überhaupt nicht dagegen wehren. Wir leben nicht im Totalitarismus weil Nancy Faeser eine Totalitaristin ist oder Karl Lauterbach ein Lügner. Wir leben im Totalitarismus, weil wir keine Konsequenzen daraus ableiten, weil wir nicht handeln, weil wir es geschehen lassen und so tun als würde uns das alles nichts angehen. Wir sehen weg, weil es uns irgendwie nicht selber betrifft. Dann darf man sich nicht wundern, wo man aufwacht. Wenn als nächstes die Achse verboten wird, dann Julian Reichelt in den Knast geht und am Ende die junge Freiheit nicht mehr erscheinen darf, dann ist das nur folgerichtig.
1962 hat man das noch gewusst.
Llarian
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