6. April 2023

Berlin hat die Chance verpasst. Mehr Glück beim nächsten mal.

Schon vor sechs Wochen habe ich hier deutlich beschrieben, dass ich es für eine ausgesprochen gute Idee halte, wenn Berlin mehr Berlin wagen würde. Die progressiven Ideen, die gerne aus Berlin stammen, sollten auch unbedingt und möglichst gnadenlos in Berlin umgesetzt werden.

Mit der Scheitern der Volksabstimmung "Berlin 2030 klimaneutral" ist eine große Chance verpasst worden, diesem Ansinnen entscheidend näher zu kommen. Die Initiatoren hatten Großes vor: Bis 2025 (also in zwei(!) Jahren) sollten die Emissionen auf einen Wert von 30% der Emissionen von 1990, bis 2030 dann auf 5% gesenkt werden. Bevor das übrigens zu kritisch aussieht: Berlin ist derzeit bei etwa 50%, ob das mit dem Zusammenbruch der lokalen Industrie zusammenhängt (und nicht zuletzt dem Schliessen von Tegel) sei dahin gestellt.
Wie dem auch sei:  Wäre die Initiative durchgekommen, hätte Berlin in zwei Jahren ungefähr 40% der heutigen Emissionen, innerhalb von sieben Jahren 90% einsparen müssen. 


Das Lustiges ist: Wo die Energie herkommen soll, weiß in Berlin keiner. Jedenfalls nicht aus AKWs oder Wasserkraftwerken. Derzeit erzeugt Berlin 44 Prozent seiner Primärenergie aus Erdgas. Diese 44 Prozent müssten fast komplett ersetzt werden und das in gerade mal sieben Jahren. 

Das Ganze ist aberwitzig. Aber extrem lustig (so lange man nicht selber in Berlin wohnt). Es hätte aus einer ohnehin weithin gescheiterten Stadt ein gigantisch frierendes Slum allererster Kajüte gemacht. Mit Bahnen die aufgrund des nicht vorhandenen Stroms nicht mehr fahren können, mit Bussen, die keinen Sprit haben, mit Gebäudeheizungen, die kein Gas mehr bekommen. Mit Stromrationierungen, Verbrennerverboten, Heizungsverboten, mit Industrieabwanderung und Massenarbeitslosigkeit. Berlin wäre das Synonym geworden was die Energiewende am Ende bedeutet.

Und ich finde es wirklich, wirklich schade, dass die Initiative gescheitert ist. Zumal sie eigentlich sehr unglücklich gescheitert ist, denn, man glaubt es kaum, eine einfache Mehrheit war vorhanden. Der einzige Grund, warum die ganze Geschichte am Ende gescheitert ist, war, dass das notwendige Quorum nicht erreicht wurde. Aber rein demokratisch betrachtet hat sich eine Mehrheit der Berliner, die sich geäußert haben, den Irrsinn gewünscht. 

Man kann natürlich den Berliner Senat verstehen, der, als die echte Gefahr bestand, dass das Ganze durchgehen könnte, geschlossen(!) dagegen gewesen ist (interessanterweise war es den Grünen an der Stelle egal, dass sie mit der AfD zusammen standen). Erst als das Scheitern klar wurde und sich abzeichnete, dass die Grünen aus der Regierung fliegen würden, waren sie plötzlich wieder dafür (ein Schelm, wer sich......). Aber eigentlich sollte der Senat doch gar nicht dagegen sein. Rein demokratisch ist der Willen der Mehrheit doch klar. Warum also nicht? Es hat sich doch nichts geändert. Frau Kemfert hat doch erklärt, dass das alles möglich ist und sie dafür ist. Die Grünen sind auch dafür. Warum zögert die SPD? Und als Bonbon leben die ganze Energiewendebefürworter der Bundesregierung ja auch zu guten Teilen in Berlin (oder sollten da leben). Besser geht doch gar nicht. 

Und jetzt mal ab vom Flax: Ich finde wirklich und auch aus neutraler Perspektive, dass das Ganze umgesetzt werden sollte. Nicht nur weil ich glaube, dass es großflächig und blamabelst scheitert. Sondern auch deshalb, weil uns die Energiewende Vorbeeter permanent erzählen, dass es geht und die Technologie ja längst da sei. Dann mal Butter bei de Fische. Die Berliner wollen ja. Dann sollen sie doch. Sollen sie uns allen doch zeigen, dass es möglich ist. Deutschland will doch der ganzen Welt erklären, wie toll die Energiewende ist, welche bessere Chance könnte bestehen, als es in einem gar nicht so kleinen Mikrokosmos auszuprobieren? Und mal ehrlich: Berlin ist doch optimal dafür. Keine großen Distanzen, wenig Zersiedlung, zentrale Strukturen, deutlich weniger Anforderung an Verkehr und Logistik als in einem Flächenland. Eigentlich doch optimal. Warum nicht ausprobieren? Wenn man sich nicht einigen kann, dann ist ein Experiment doch für beide Seiten nur fair. 

Ich bin dafür das sofort wieder auszupacken. Und wieder abzustimmen. Auch ohne Quorum, einfache Mehrheit reicht. Der Senat kann sich ja von sich aus verpflichten sich an das Quorum zu halten. Wer die Energiewende wirklich ernst meint und daran glaubt, der sollte doch dafür sein. 

Gebt Berlin die Chance zu dem zu werden, was es sein will!
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Llarian

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