3. April 2023

Ein Witz am Rande: Community Guidelines und die seltsame Mischung aus Puritanismus und Progressivität

Der heutige Beitrag beginnt mit einem Witz. Einem unfreiwilligen Witz. Nach mehr als 10 Jahren Autorenschaft in Zettels Raum, in dem ich hunderte von Beiträgen geschrieben habe, ist endlich mal einer zensiert worden. Oder zumindest halb zensiert worden. Und das geschah nicht an einem vielleicht wirklich kritischen Beitrag, wo ich mich mit der Corona-"Impfung" beschäftigt habe oder dem zusammen brechenden Rechtsstaat in Deutschland. Es geschah an einem Beitrag, bei dem ich in 100 Jahren nicht gedacht hätte, dass er irgendwie kritisch sein könnte. Der Beitrag ist noch da, allerdings jetzt mit einer Inhaltswarnung versehen und nur noch für Erwachsene einsehbar. Es handelt sich um den inzwischen mehr als neun Jahre(!) alten Beitrag "Warum ich nichts von DE-Mail halte", in dem ich mich damit beschäftige, dass rechtssichere Unterschriften ein gewaltiges Risiko sind, angesichts der Unsicherheit aktueller Rechnergenerationen.  Als kleine Bauchpinselei sei mir am Rande gestattet zu bemerken, dass ich inhaltlich als auch prophetisch vollkommen richtig lag und DE-Mail inzwischen den Tod gestorben ist, den es verdient hat.

Dennoch schrieb uns (dem Autorenteam) Google vor zwei Wochen, dass jemand meinen Artikel gemeldet habe und Google diesen überprüft hätte, wobei sich heraus gestellt hätte, dass er gegen die Community Guidelines verstoße und entsprechend jetzt eine Warnung vorgeschaltet werden müsse. 

Zunächst mal waren ich (und wohl auch meine Kollegen) etwas baff, warum jemand den Beitrag gemeldet haben soll, noch baffer (gibt es diese Steigerung?) war ich allerdings nachdem ich den inkriminierten Artikel noch einmal durchgelesen habe, denn er ist nun wirklich alles andere als irgendwo kritisch und mit Sicherheit niemandem eine Meldung wert. Ich weiß zwar, dass ich mir in den letzten droelf Jahren hier nicht nur Freunde gemacht habe und kann mit vorstellen, dass sicher der eine oder andere Artikel dem ebenso einen oder anderen Denunzianten eine Meldung wert gewesen sein wird, aber dieser? Really? Und das nach neun Jahren? 

Wenn man dann den Artikel dreimal liest, bleibt am Ende nur eine völlig absurde Begründung übrig: Als Randbeispiel um etwas zur Rechtssicherheit von Datenübertragung zu zeigen, habe ich eine der bekanntesten und weltweit einschlägigsten Webseiten erwähnt, die sich mit erwachsenen Inhalten beschäftigt. Ich kann sie hier nicht wieder geben, weil ich dann vermutlich wieder gegen die Community Guidelines verstoße. Aber der Hohn ist, dass diese Webseite an keiner Stelle inhaltlich diskutiert wird oder auch nur verlinkt wäre, sie wird lediglich als Beispiel verwendet für einen legendären Webseitendiebstahl vor 20 Jahren. Hätte Google den Inhalt meines Beitrages auch nur gelesen, so wäre ihnen das mit Sicherheit aufgefallen. Oder anders gesagt: Google hat hier mit Sicherheit gelogen. Und ich vermute die Aussage über die Meldung wird der selben Lüge entspringen.

Ich gehe davon aus, womit ich es hier zu tun habe, ist eine automatisch generierte Mail, die durch eine simple Volltextsuche von Blogspot gefüttert worden ist und alleine das verbotene Wort, bzw. die verbotene Url hat am Ende zu der ebenso automatisierten Bewertung geführt (nicht gerade eine Auszeichnung für die Firma die weltweit der größte Anbieter für künstliche Intelligenz sein möchte). 

In gewissem Sinne ist das Ganze einfach nur zum Lachen (oder ersatzweise zum Fremdschämen). Und ich nehme es Google auch nicht wirklich krumm (im Unterschied zu den diversen Youtube Zensuren aus den letzten drei Jahren, wo fleissigst im Namen der Regierung zensiert wurde). Aber ich finde die wirklich immer extremer werdende kognitive Dissonanz zwischen dem amerikanischen Puritanismus auf der einen Seite und der progressiven Politik der Linken (zu denen Google mit Sicherheit gehört) so frappierend seltsam: Einerseits werden einfache Begriffe gelöscht, bzw. für so kritisch erklärt, dass man sie nur hinter Schranken setzen darf, andererseits ist man bemüht die Kinder bereits im Kindergarten zu sexualisieren, ihnen eine neues Geschlecht anzudichten und sie auf Drag-Performances zu schleppen. Wenn es um Literatur oder Filme geht, die auch nur irgendwie randweise mit dem hippen LBGT+ (oder wieviel Buchstaben gerade in dem Salat sind) Thema zu tun haben, dann gilt kein Jugendschutz, dann wird mit allen Rohren auf Grundschulkinder gefeuert, dass es nur so seine Freude hat, ist das Thema aber außen vor, dann ist schon der Gossen Begriff für eine weibliche Brust ein Grund für eine Altersprüfung.

Es gab mal früher den Witz(?), dass man im amerikanischen Fernsehen eine weibliche Brust nur dann zeigen darf, wenn sie gleichzeitig von einer Kettensäge abgetrennt wird. Und so absurd ist das gar nicht: Sieht man sich die Pixelgewalt in gängigen Computerspielen an, dann ist das gang und gäbe, aber vielleicht mal ab von CD-Projekt Red wagt sich kein großes Studio an sexuelle Inhalte. 

Wie groß muß der Knoten im Kopf mancher Leute sein, die einerseits gesehen Angst vor einfachen Wörtern haben, es aber vollkommen normal finden, wenn man Kindern aufzwingt in der Schule Glaubenssätze einer bis vor fünf Minuten vollkommen unbekannten sexuellen Deviation nachzubeten. Ernsthafte Frage: Wer hat eigentlich das Copyright auf solche Grotesken? Orwell oder Kafka?

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Llarian

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