29. Februar 2020

COVID-19. "The Eyes of Darkness" - eine unheimliche literarische Voraussage aus dem Jahr 1981?



Ja - und nein. Aber der Reihe nach.

*          *          *
I.
Zunächst ist es - ja: wie soll man das Gefühl beschreiben? - unheimlich, beklemmend, auf jeden Fall überraschend, wenn man erfährt, daß der gegenwärtige Ausbruch des neuartigen Corona-Virus, 2019-nCoV (gönnen wir uns schon zum Auftakt die kleine Detailpusseligkeit: das Kürzel steht für new Corona Virus, während die vom Erreger ausgelöste Erkrankung nach den vor drei Wochen geänderten Regularien der Weltgesundheitsbehörde WHO als CoViD-19 bezeichnet wird, als Corona Virus Disease 19), der zum gegenwärtigen Zeitpunkt beinahe 86000 Erkrankte und 2941 Todesopfer gefordert hat und momentan auch bei uns Anzeichen zeigt, in den kommenden Wochen zur Pandemie zu werden, anscheinend in einem lange vergessenen Thriller auf dem Jahr 1981 in gespenstischer Weise vorweggenommen wurde. In Dean R. Koontz' Roman "The Eyes of Darkness," im Mai 1981 zuerst im amerikanischen Verlag Pocket Books als Taschenbuchoriginal unter dem Pseudonym "Leigh Nichols" erschienen, geht es um die Bedrohung durch einen Erreger, durch ein im Labor erzeugtes Killervirus, die ultimative biologische Waffe, der seine tödliche Wirkung entfaltet, indem er die Lungen der von ihm Befallenen zerstört und der - dies ist der Clou - nach dem Ort benannt ist, an dem sich das geheime Labor befindet: "Wuhan-400". 

Darauf ein Corona.

Das Stakato der Medienöffentlichkeit der letzten Woche ist inzwischen derart konfus und durcheinander, dass sich dieser Autor nicht der Chance berauben möchte, mindestens ebenso konfus und halbgebildet seinen Senf zur anstehenden Zombie-Apokalypse abzugeben. Daher an dieser Stelle eine Reihe von Thesen, Halbwahrheiten und vielleicht auch Erkenntnissen zu den letzten Entwicklungen oder Nichtentwicklungen in Sachen Corona.

25. Februar 2020

Durchgemerkelt: Die neue FDP

Nach dem Aufstieg der AfD in Folge 2015 hieß es, Merkel habe zwar die Integrationsfunktion der Volkspartei CDU nach Rechts aufgegeben, ihr Stimmenanteil ist auch gesunken, aber (und das zeige, was für eine geniale Strategin Merkel sei) sie habe eine CDU-Kanzlerschaft auf absehbare Zeit Alternativlos gemacht. An der CDU vorbei (als Seniorpartner!) gebe es nun keinen Weg mehr, auch wenn die CDU mehr Stimmen Rechts dauerhaft verloren hat, als sie in "der Mitte" gewinnt. 

Die reale Entwicklung geht aber in eine andere Richtung: Die CDU ist die neue FDP. Im Verbund mit der Volksfront wohlgesonnen Medien wird die CDU von der sogenannten "Zivilgesellschaft" getrieben werden, sich für ihren mangelnden Enthusiasmus für den gesellschaftlichen Fortschritt und die sozialökologische Transformation zu schämen. Sie hat genügend williges Bückpersonal, welches bereit ist sich zu erniedrigen und diejenigen mit Eifer innerparteilich zu bekämpfen, die sich nicht schämen und in Selbstkritik ergießen wollen. Dies muss nicht auf jeden Funktionär der CDU zutreffen. Genügend Medienanerkennungsabhängige in den in jeder Partei für ausreichenden Rückhalt notwendigen Netzwerken reichen und die CDU hat bewiesen: Sie ist voll davon.

Sie wird entweder nicht benötigt, nicht einmal im Bund, da auch hier R2G unter Führung der Grünen eine absolute Mehrheit erreichen könnte. Falls es hierzu doch nicht reicht, darf sich die CDU als Juniorpartner den Grünen anbieten. Meint: Als umkippender Steigbügelhalter und Mehrheitsbeschaffer von Bundeskanzler Habeck im Gegenzug für ein paar Pöstchen. FDP halt. Wenn sie sich nicht gar alternativlos dazu treiben lässt, eine fiktionale Mehrheit für R2G zu stützen, aus Sorge ihr Status und ihre Anerkennung als anständige Demokraten könnten ihnen entzogen werden, wenn sie nicht das gleiche Endergebnis ermöglichen, das bei Ungültigkeit alle AfD-Stimmen zustande gekommen wäre (wie in Thüringen).

Bleibt die Frage: Ist daneben noch Platz, für die bisherige FDP?

Techniknörgler

© Techniknörgler. Für Kommentare bitte hier klicken.

24. Februar 2020

Heute sind wir wieder frech oder "Heute ist Regierungskarneval"

Vor drei Jahren erschien schon einmal ein Artikel in Zettels Raum, der sich mit dem so ungeheuer "frechen" Rosenmontagszug beschäftigte. Und seitdem eigentlich nichts an seinem Inhalt eingebüßt hat. Der Karnevalist kommt sich immer noch ungeheuer "frech" vor und realisiert nicht einmal am Rande, dass er inzwischen zu nahezu 100% auf Linie von Regierung und Establishment liegt.

23. Februar 2020

Marginalie: Gnabry, Olsbu, Fury oder: Noricus’ Sportwochenende

Was war dies doch für ein begeisterndes Sportwochenende. Nicht nur die Fußball-Bundesliga geht langsam in die Phase, in der liegengelassene Punkte beim Kampf um die Meisterschale richtig wehtun. Nein, es standen auch die letzten Bewerbe bei der Biathlon-Weltmeisterschaft an und heute in der Früh (mitteleuropäischer Zeit) wurde zwischen Deontay Wilder und Tyson Fury um den Schwergewichtsthron nach der Version der WBC geboxt.

Ende. Finito. Fin du globe.

Es wäre noch so viel zu sagen gewesen. Aber da das Schicksal es anders gemeint hat und der Weltlauf am heutigen Tag sein Ende finden wird...




(BILD, Titelseite vom 23. Februar 2007)

"Und das ist alles ausgerechnet!" - Annalena Baerbock (2018)


22. Februar 2020

Erfurt: ein kleiner Zwischenruf



Oder Neudeutsch: ein OT (im Protokoll von Plenarsitzungen folgt nach solchen Intermezzi der Vermerk: "leichte Unruhe im Plenum").

Als Frau Merkel, vor nun vier Jahren, beim Zusammenkommen der CDU im Kielwasser der mecklenburg-vorpommerischen (vorpommeranischen? vorpommeresken? Pommes schwarz-rot?) Landtagswahlen im Oktober 2016 auf Weihnachtslieder und Blockflötenspiel als Quintessenz deutscher Kulturpflege abhob, sorgte das für nicht geringem Spott in den sozialen Medien. Um pars pro toto Die Welt zu zitieren:

Sie schlug vor, Liederzettel zu kopieren und jemanden aufzutreiben, der Blockflöte spielen kann. „Ich meine das ganz ehrlich. Sonst geht uns ein Stück Heimat verloren.“
Jetzt, im Zuge der Erfurter Zäsur, da sich das politische Establishment dieses Landes endlich daranmacht, das Risiko des unberechenbaren Wählervotums auf ein angemessenes Maß zurückzustutzen, auf das es nicht mehr an der Bildung zielführender Seilschaften und vorher festgelegter Deals hinderlich sein möge,  in dessen Verfahrenskorrektur jetzt der originelle Vorschlag auf dem Tisch liegt, doch bitte das Stimmverhalten von Abgeordneten der parlamentarischen Opposition im Vorab per Losverfahren (*) verpflichtend festzulegen, bekommt die damalige kryptische Einlassung auf einmal, um es mit der Wendung des unvergessenen Karl Kraus zu sagen, "einen Beigeschmack von Wahrheit":

Zugleich versichert der Landtagsabgeordnete Volker Emde, einer der vier CDU-Unterhändler, bei den Gesprächen: „Wir stellen das Wahlergebnis sicher.“ ... Es sei auch ein Losverfahren der CDU-Fraktion über das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten denkbar, sagte Emde. (Tagesspiegel)



Wir sollten nicht vergessen, daß Frau Merkels politische Sozialisation sich im weiland besten deutschen Staatswesen vollzogen hatte und "Blockflöten," als politische Vokabel verwendet, sich in diesem Soziotop nicht nur auf erzgebirgische Schnitzereien und Jahresendflügelfiguren bezog.

*PS: Der Protokollant kann dem Vorschlag des Losverfahrens in politicis durchaus einiges abgewinnen. Freilich nur, wenn als stringent in allen Bereichen des politischen Lebens Anwendung findet: von der Ersetzung der Wahlergebnisse, etwa bei der Ausfüllung des Wahlzettels (hier darf man angesichts der großen Zahl der einfließenden Zufallszahlen darauf vertrauen, daß das statistische Mitteln im Sinn der Gauss'schen Normalverteilung greift), bis hin zu den Entscheidungen bei Parlamentsvoten. Ein besseres Resultat als bei der gegenwärtigen Devolution und Dysfunktionalität unsere Politik, die wir seit Jahren präsentiert bekommen und für deren Steigerung keine Obergrenze auszumachen ist, wäre jedenfalls garantiert. 

PPS: Für alle, die sich fragen, warum die Neuwahl in Thüringen unter der Interimsregierung Ramelow erst in 14 Monaten, für den April 2021, angesetzt ist, könnte der folgende Hinweis zur Klärung beitragen:


PPPS, 23:11. Noch zum vorigen. Der kleine Zyniker erlaubt sich, solches mit Ja ne, iss klar zu kommentieren.

Die Union dagegen rauscht in den Umfragen Richtung zehn Prozent ab, seit sie gemeinsam mit AfD und FDP den Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich gegen alle politische Vernunft ins Amt gehievt hat. Bei raschen Neuwahlen drohten Thüringens einstiger Staatspartei herbe Verluste. Abgeordnete müssten dann um ihre Mandate bangen - und manche gar um ihre Pensionsansprüche.
Altersentschädigungen erhalten Thüringer Abgeordnete erst nach sechs Jahren. Sechs CDU-Parlamentarier erreichen diese Frist erst in einigen Monaten. Ob das in den Überlegungen der Christdemokraten eine Rolle spielt, bleibt Spekulation. (SPON)
(Zur allfälligen Erinnerung: Das Angebot von Herrn Ramelow an die Adresse der CDU war: Frau Lieberknecht, frühere Ministerpräsidentin des Landes und Mitglied der CDU, als Interimspräsidentin für 70 Tage zur Vorbereitung von Neuwahlen zu akzeptieren. Die CDU hat sich hingegen dafür entschieden, einen Ministerpräsidenten der mehrfach umbenannten SED auf 14 Monate im Amt zu sehen. Man kann dies machen. Nur sollte man nicht erstaunt sein, wenn die Wähler, die bislang ihr Kreuzchen bei den nominell Christdemokratischen gesetzt haben, dergleichen bei der nächsten anstehenden Gelegenheit angemessen honorieren.)


­
U.E.

© U.E. Für Kommentare bitte hier klicken.

19. Februar 2020

Ein Wald von Fragezeichen

Alle politischen, philosophischen und religiösen Gewissheiten, wie die Natur zu retten wäre und damit auch die Menschheit, scheinen verloren zu sein. Das Denken nur mit Bedenken ist in einen Abgrund geschlingert, in dem es nun zweifelnd liegt und zu den Kondensstreifen hochschaut: Ist alles vergeblich? Die Wissenschaftler tun so, als ob sie damit zufrieden wären, dass wir nichts Sicheres wissen, ja überhaupt nicht wissen können in der Art, in der die früheren Philosophen und Theologen eine „Wahrheitsfrage“ stellten und zu beantworten vermeinten. Das Denken hat durch diesen Sturz vielleicht sogar eine erste neue Wahrheit gefunden, die lautet: Wir wissen eben nichts sicher und das muss uns genügen?

14. Februar 2020

Zehn Jahre Kulturkampf. Ein Vogelflug über bundesrepublikanische Dekaden. Eine Liebeserklärung an die alte CDU. Ein gerüttelt Maß an Merkel-Kritik. Eine Schelte des dichotomischen Zeitgeists

Von Spengler habe ich gelernt, dass große Geister – wenn ich mich erinnere, erwähnt der Autor des Untergangs des Abendlandes in diesem Zusammenhang Dante und den von ihm verehrten Goethe – Ereignisse und Zustände aus der Vogelperspektive betrachten, während der Normalsterbliche (und insbesondere natürlich der Zeitgenosse einer erstarrten Zivilisation) die Warte des Froschs zu verlassen nicht imstande ist. Bei aller Selbstüberschätzung würde sogar der Urheber der vorliegenden Zeilen eingestehen, dass er, auch wenn er sich noch so sehr streckte, den Schöpfer der Commedia und den Verfasser des Faust bei weitem nicht erreichte. Doch die Idee, die Dinge unter möglichster Ausschaltung der eigenen Alltagsbefangenheit zu befunden und zu begutachten, hat auch für den intellektuellen Fußsoldaten Noricus ihren Reiz.

10. Februar 2020

Erfurt: quousque tandem?

Unirdisch klingt Getöse von Berlin.

Und es regieren grausige Magien.

- Ernst Blass (1890-1939), "Regen" (1912)

Mit Voraussagen soll man vorsichtig sein, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen, lautet ein bekanntes Bonmot, das zumeist Mark Twain zugeschrieben wird. In diesem Belang sehe ich mich als angelegentlicher Kommentator der politischen Zeitläufe in einer Zwickmühle, denn ich pflege mich hinsichtlich des Ausgangs von Kabalen, Krisen und Entwicklungen nur dann "aus dem Fenster zu lehnen," wenn ich anhand gewisser Anzeichen, Symptome oder Tendenzen, und sei es nur aus einem vagen Bauchgefühl heraus, vermeine sagen zu können, "wohin die Reise geht". Das mag nun nicht zutreffen, aber ich für meinen Teil mag das Prophetengeschäft ungern in der Manier ahnungsfreier Kaffeesatzleserei zu betreiben. Un coup de dés jamais n'abolira le hasard, ein Würfelwurf schafft den Zufall nicht aus der Welt, befand Stephane Mallarmé vor gut 130 Jahren, aber ein leichtes "Fühlt-sich-SO-an" hat sich als hilfreich erwiesen, um die Faktoren zu wägen und zu gewichten, aus denen sich diese Erwartung zusammensetzt. Und für die eine des Entwicklungen, um die es in dieser kleinen Note gehen soll, zeigt sich meine Kristallkugel in absoluter Schwärze, vernebelt, opak. Die andere Entwicklung läßt sich hingegen eindeutig umreißen: Nicht in den Details ihres Weges, aber doch in ihrem Endresultat.

Zitat des Tages: Äpfel mit Birnen

"Wir werden das so nicht durchhalten", sagte Prien. Sie sei überzeugte Antikommunistin, aber "einen respektablen Ministerpräsidenten wie Bodo Ramelow mit einem Herrn Höcke (Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, Anm. d. Red.) gleichzusetzen, ist eine politische und historische Verzerrung", sagte Prien. "Diese Realität hätten wir viel früher zur Kenntnis nehmen müssen."

Aus dem Zeit-Online Artikel "CDU-Landesministerin will Linke nicht wie AfD behandeln"

Kommentar:

Eine manipulative Meisterleistung. Es wurde schließlich nicht Höcke gewählt, sondern Kemmerich.  Es werden also Äpfel mit Birnen verglichen: Der Kandidat auf Seiten der SED mit einem der vielen Wähler Kemmerichs. 

Bei Ramelow kommt es nicht darauf an, ob er von Linksextremen mitgewählt wird, denen er Einfluss auf die Regierungspolitik verschafft, denn es komme ja auf den "integeren" Kandidaten an, nicht wer ihn wählt. Verglichen wird der SED-Kandidat dann aber nicht mit Kemmerich, sondern mit Höcke. Weil sich Kemmerich alles anrechnen lassen muss, was ein Wähler in einer geheimen Wahl für rechtsextreme Fantasien hat. Das er denen nicht auch nur den kleinen Finger gereicht hat, lässt man nicht gelten. Dies sei schon "Kooperation". 

Das der Zeit-Artikel den manipulativen Vergleich nicht kritisch hinterfragt und akzeptiert ist genauso wenig überraschend, wie es deren gutes Recht ist mit gnadenlosen Doppelmaßstäben parteiisch für den Demokratischen Block unter Führung der Partei der Arbeiterklasse einzutreten. Das aber scheinbar "bürgerliche", "konservative" oder "ausgewogene" Medien wie Welt und FAZ die Botschaft nur durchreichen, ohne einen kritischen Kommentar, in dem die Absurdität des ganzen hervorgehoben und den Heuchlern um die Ohren gehauen wird, ist zwar auch deren gutes Recht in einer Demokratie mit Pressefreiheit, aber 

1. eine Bankrotterklärung des bürgerlichen Lagers
und
2. mit diesem Mangel an Rückrad im bürgerlichen Lager wird es diese Demokratie mit Pressefreiheit, als echte pluralistisch-liberale Demokratie anstatt als halb-autoritäre, gelenkte Demokratie eventuell bald nicht mehr geben.

Oder glaubt hier jemand ernsthaft, die SED zusammen mit Grünen und SPD werden jeden Einfluss, den sie jetzt gewinnen können, nicht nutzen, um Strukturen zu schaffen, die eine Wiederholung eines solchen "Tabubruchs" mit "subtilen" Methoden in Zukunft zu verhindern gedenken?

Wenn solche Kommentare schon aus der CDU kommen?


Techniknörgler

© Techniknörgler. Für Kommentare bitte hier klicken.

Zitat des Jahrhunderts: Kommunisten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Cyril Ramaphosa, und liebe Gäste dieses Businessforums, ich darf vielleicht hinzufügen: Kommunisten unter freiheitlichen Bedingungen sind auch nicht mehr die Kommunisten, die sie einmal waren.­

Bundeskanzlerin Angela Merkel, "Eingangsstatement von Bundeskanzlerin Merkel beim Wirtschafts-Round-Table in Pretoria", zitiert nach der Mitschrift Pressekonferenz Donnerstag, 6. Februar 2020, abrufbar auf der Webseite der Bundesregierung.

Kommentar:

Plötzlich gibt alles seinen tiefen Sinn.

Techniknörgler

© Techniknörgler. Für Kommentare bitte hier klicken.

9. Februar 2020

Der Fall Kemmerich(s) oder: Von der grenzenlosen Torheit des politisch-medialen Mainstreams

Wenn Wahlen etwas veränderten, dann wären sie längst abgeschafft, lautet ein Bonmot, das dereinst eher in linken Kreisen die Runde machte. Wenn Wahlen etwas verändern, dann werden sie abgeschafft, könnte man die Posse nach der Kür des FDP-Mannes Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten in Anlehnung an diesen Sponti-Spruch trefflich kommentieren.

Zur Causa Kemmerich wurde vielleicht schon von jedem alles gesagt. Auch in diesem Blog war der Vorgang bereits Gegenstand mehrerer Beiträge. Ich möchte hier nicht die Argumente wiederholen, weshalb die von der Bundeskanzlerin geforderte und vom Gros des politisch-medialen Mainstreams herbeigetwitterte Rückgängigmachung der in Rede stehenden Wahl eine Todsünde wider elementare demokratische Prinzipien darstellt, von denen man dachte, dass sie zumindest bei der Union, der FDP, der SPD und den Realo-Grünen außer Streit stehen. Nein, ich möchte im Folgenden näher darlegen, weshalb sich die letztendlich auf kurze Sicht erfolgreichen Hysterie-Ausbrüche des Meinungshegemons mittel- bis langfristig (aus der Perspektive der entsprechenden Akteure) als kontraproduktiv erweisen werden.

8. Februar 2020

Republik der Feiglinge oder Republik der Angst?

Die Wahl von Thüringen ist wahrlich nicht nur eine Zäsur in Deutschlands politischem Betrieb, sie ist auch ebenso ein Augenöffner, den diese Autor in dieser Form nicht für möglich gehalten hätte. Diese Moment der außerordentlichen Klarheit eines Zustandes, noch dazu eines ganzes Landes, sind selten, selbst Wahlen verschleiern gerne den wahren Character ihres Hintergrundes, von mehr oder minder manipulierten Meinungsumfragen gar nicht erst angefangen.

Was sich in den vergangenen drei Tagen deutlich gezeigt hat ist die alles beherrschende Eigenschaft der deutschen Politik: Angst. Selten war Angst so deutlich zu spüren, zu sehen, wahrzunehmen, ja zu atmen.

7. Februar 2020

Die strukturelle Schwäche der Bürgerlichen - Vorwort

Das bürgerliche Lager ist in einer Krise. Diese Krise ist zum Teil selbstverschuldet, zum Teil strukturell bedingt. Aber auch die eigenen Fehler sind meines Erachtens ein Ausdruck einer strukturellen Schwäche, die zu diesen Fehlern verleitet. Eine strukturelle Schwäche, die dem bürgerlichen Lager inhärent ist und es von anderen politischen Strömungen  rechts wie links  unterscheidet. Weder Linke, Progressive, Grüne, Sozialisten und Kommunisten noch (nicht-bürgerliche) Rechtspopulisten, Rechtsaußen, Rechtsradikale oder Rechtsextremisten teilen diese Schwäche.

Diese Schwäche  so meine Hypothese, die ich in folgenden Beiträgen näher ausführen werde  ist im Kern der Wunsch (und für einen nicht geringen Teil die Notwendigkeit zum Aufrechterhalten des eigenen Selbstbildes und Selbstbewusstseins) von gesellschaftlichen Institutionen, die von sich behaupten die öffentliche Moral zu vertreten und zu verteidigen, als anständiger Mitbürger anerkannt zu werden und damit auch die ständige Sorge, diesen gesellschaftlichen Status aberkannt zu bekommen – und zwar auch dann, wenn sie diese Institutionen gar nicht mehr dominieren, wie sie es noch bis in die 60er gewohnt waren, ja sogar wenn sie von ihren ausgemachten Feinden übernommen wurden. Das war für Bürgerliche kein Problem, solange sie selber die gesellschaftlichen Institutionen dominierten oder zumindest zusammen mit moderat-mittigen Progressiven und Linken hälftig teilten, die einen Grundrespekt für den politischen Gegner aufbrachten und gemeinsam die explizit anti-bürgerlichen Revolutionäre klein hielten. Sobald diese Institutionen jedoch von links-progressiven Aktivisten (in Deutschland insbesondere in Gestalt der Grünen) dominiert werden, lässt sich das bürgerliche Lager hacken.

Ich gehe sogar so weit zu sagen: Diese Schwäche ist so zentral, dass nahezu alle anderen Probleme und Schwächen der Bürgerlichen entweder aus ihr entspringen oder erst durch diese direkt oder indirekt zu einem relevanten Problem verstärkt werden.

Diese Schwäche näher auszuleuchten, mögliche Einwände gegen diese Hypothese zu entkräften sowie die Konsequenzen und Folgeschwächen für das bürgerliche Lager zu beleuchten ist das Anliegen dieser Serie. 

­
Techniknörgler

© Techniknörgler. Für Kommentare bitte hier klicken.

Die strukturelle Schwäche der Bürgerlichen - Vorwort für Zimmerleute

In dieser kleinen Serie möchte ich die Lage des bürgerlichen Lagers beschreiben und Überlegungen zu den Mechanismen und Gründen hinter seinem derzeitigen Zustand anstellen. Die Lagebeschreibung wird zu einem großen Teil den geneigten Lesern vermutlich nichts offenbaren, was nicht viele Zimmerleute zumindest schon gefühlt haben, aber bisher nicht systematisch strukturiert und in Worte gefasst wurde. Letzteres nachzuholen ist mein Ziel, denn wenn man jemandem, insbesondere eine größere Menschenmenge, ein Problem erläutern oder von einer Kurskorrektur überzeugen will, gibt es keine Alternative. Diese kleine Serie ist also alternativlos.

Aus diesem Grund ist es aber auch keine rein akademische Abhandlung. Die Serie wird nicht wie ein akademisches Paper strukturiert sein, auch wenn ich um das Erläutern und Dozieren nicht vollständig herum kommen werde. Stattdessen wird es eine Erzählung sein, die auch darauf ausgelegt ist, Nicht-Zimmerleute zu überzeugen. Zu diesem Zwecke ist auch gerne jederzeit konstruktive Kritik  (inhaltlich wie auch zur Struktur) angebracht, die für eine eventuelle Überarbeitung nach Abschluss der Serie herangezogen wird, bevor die (überarbeitete) Serie noch an anderer Stelle veröffentlicht wird.
Techniknörgler

© Techniknörgler. Für Kommentare bitte hier klicken.

6. Februar 2020

Thüringen: ein Husarenstück


(Titelillustration von Roger Letsch. Mit freundlicher Genehmigung des Erstellers von dieser Stelle zweitverwendet.)

Der geschätzte Netztagebuchmitautor Larian hat ja in seinem vorausgehenden Blogbeitrag die wichtigsten Aspekte des heutigen Geschehens im Thüringer Landtag prägnant umrissen - inklusive der Benennung als "Husarenstück" (was über die geläufige Metaphorik eines solchen parlamentarischen Kabinettstücks auch als ein Nicken über die Jahrhunderte zurück empfinden darf, da man bei "Thüringen" fast so stark wie beim benachbarten Brandenburg an Preußen, Fontane und nicht zuletzt den "alten Fritz" denken mag - eine solche Erweiterung des Assoziationsraums würde unserem öffentlichen medialen Diskurs - sit venia verbo - in seiner Engführung auf die "fatalen zwölf Jahre" durchaus guttun). Ich möchte mich deswegen hier zuvörderst auf eine kleine Blütenlese der Reaktionen der dort angesprochenen "üblichen Verdächtigen" beschränken, um den Ton dieser das gewohnte Maß sprengenden Schaumproduktion griffig vor Augen zu stellen - und zu dokumentieren, falls es einigen dieser Fingerfertigen in den Sinn kommen sollte, ihre Torheiten der Lethe anzuvertrauen, jenem Fluß der antiken Mythologie, der denen, die aus ihm tranken, alles Vorgefallene aus dem Gedächtnis löschte. (Fun fact: zu den Grenzflüssen des Hades zählten die "ollen Griechen" auch die Mnemosyne, die das Gegenteil bewirkte: alles Geschehene wieder ins Gedächtnis zu rufen und den daraus Trinkenden mit der Gabe der Allwissenheit auszustatten: ein Fluch jener besonderen mythologischen Spielart in der Manier des Sisyphus und Tantalus, wir wir seit Jorge Luis Borges' Funes el memorioso wissen.)  

5. Februar 2020

Empörung und Verzweifelung. Eine Wahlnachlese.

Es war schon ein lustiges Husarenstück, das die Thüringer AfD (ja, die Höcke-AfD) da zusammengebracht hat. Statt sich mit der ihr zugedachten Rolle am Katzentisch zufrieden zu geben, wählte man, scheinbar recht unerwartet, halt geschlossen den Kandidaten der FDP und -schwupps- war dieser dann Ministerpräsident von Thüringen. Der Coup war von A-Z gut geplant, er war unerwartet, er war angetäuscht (man stellte ja einen eigenen Kandidaten auf) und er war richtig zeitlich durchgeführt in genau dem Wahlgang, wo er Sinn machte. 

4. Februar 2020

Kai aus der Kiste

Nicht "Kai." Tom. Tom Radtke. Aber es hätte auch Hans oder Franz oder in diesem Falle sogar "Achmed Schachbrett" sein können. Warum es völlig belanglos ist, dazu nach einem ausholenden Schlenker weiter unten.

Als Andy Warhol vor über einem halben Jahrhundert, im Jahr des grassierenden Irrsinns 1968, sein bekanntestes Bonmot prägte, daß "in Zukunft jeder für 15 Minuten Berühmtheit erlangen könnte" ("In the future, everybody will be world famous for 15 minutes"; der Satz fiel bei der Eröffnung einer Austellung von Photos von Warhol in Stockholm, als sich bei der Vernissage haufenweise Besucher um ihn scharten, um mit dem damaligen Superstar der Pop Art abgelichtet zu werden) könnte es durchaus der Fall gewesen sein, daß "Andy" an das Phänomen gedacht hat, daß wir - nicht erst seit den letzten 20 Jahren, aber im Zeitalter des ubiquitären Weltnetzes mehr und mehr sehen.