Die
Diskussion um das Phänomen der AfD lässt mich oftmals ratlos zurück. Dies liegt
vor allem daran, dass im Zusammenhang mit ihr monokausale Erklärungen samt
monokausaler Schlüsse präferiert zu werden scheinen. Selbst wenn man versucht
sie differenziert zu sehen, werden Argumente gerne monokausal missverstanden.
Von Befürwortern, wie Gegnern der AfD. Woran liegt das? Ich vermute, dass dies
mit einem Symmetriebruch der politischen Landschaft zu tun hat, durch welchen
sehr starke Rückstellkräfte wirken und möchte im Folgenden versuchen, meine diesbezüglichen
Gedanken zu erläutern.
Persönlich
halte ich Symmetrie für eine sehr starke Struktur in allen Dingen und habe daher
versucht, mich dem Phänomen der AfD aus diesem
Aspekt heraus zu nähern. Ganz sicher ist auch dieser Ansatz keine monokausale,
einfache Erklärung der politischen Situation in Deutschland, aber er beleuchtet
einen Aspekt, der meiner Meinung nach viel zu wenig gewürdigt wird.
Ausgehen
möchte ich von der Bonner Republik. Die beiden Volksparteien der alten
Bundesrepublik hatten im Kern, so meine ich, eine ganz wesentliche Aufgabe: Die
politischen Ränder zur Mitte hin, in das bürgerliche Lager zu integrieren, ihnen
ein politisches Angebot zu machen. Der Satz von Strauß, dass es keine demokratische
Partei, rechts der Union geben dürfe, streicht die Wesentlichkeit dieser
Aufgabe heraus, die er augenscheinlich klar erkannte. Und sein Diktum galt
natürlich – wenn auch nie formuliert - (spiegelverkehrt, bzw. symmetrisch)
ebenfalls für die SPD.
Die SPD
gab diese Aufgabe in der Folge von 1989 immer mehr auf. Die Gründe mögen hier
vielfältig sein und sowohl von parteiinternem, wie auch externem Druck
getrieben. Sie reichen wohl von der gemeinsamen Sozialisierung ihrer
Funktionärsschicht mit den Grünen bis zum Auftreten der PDS nach der
Wiedervereinigung. Durch die Aufgabe der Integrationsarbeit am linken
politischen Rand durch die SPD, bildeten bzw. etablierten sich Parteien am
linken Rand, welche in Teilen auch Affinität zu Gewalt hatten oder sich zumindest
nicht klar gegen diese abgrenzten. Dazu zähle ich persönlich die Grünen wie
auch die Linke.
Damit
ist nicht gemeint, dass ich in den Grünen oder Linken extremistische Parteien
sehe, sondern dass ich – ganz analog zur AfD - problematische Teile in diesen
Parteien ausmache, die mindestens mit Abgrenzung zur Gewalt Probleme haben oder
gerne auch einmal mit totalitären Phantasien schwanger gehen.
Im
Gegensatz zur SPD auf der linken Seite, hielt die Union ihre Aufgabe von rechts zur Mitte hin, ins bürgerliche
Lager zu integrieren, länger durch. In der Folge Merkels asymmetrischer
Mobilisierungspolitik wurde sie dieser Aufgabe aber immer weniger gerecht. Die
Gründung der AfD durch Lucke war in meinen Augen zunächst der Versuch, diesen
Trend zu stoppen indem er mit einer rein parlamentarisch und bürgerlich
orientierten Partei die immer weniger wahrgenommene Aufgabe der Union
übernehmen wollte. Dieser Plan ging nicht auf. Ich vermute das war
zwangsläufig, inhärent in der Parteigründung angelegt, weil hier die
Symmetriekräfte der politisch entstandenen Landschaft wirkten. Durch den
Katalysator von Merkels Migrationspolitik ging dann alles unglaublich schnell
und mit der AfD erwuchs ein starker Gegenpol zum äußeren linken,
parlamentarischen Spektrum: Als dessen Spiegelbild, mit all seinen Problemen.
In
dieser Sicht ist die AfD der (gesellschaftspolitische) Gegenpol zu Grünen und
Linkspartei und lässt sich möglicherweise in Teilen aus diesen Symmetrieüberlegungen
erklären. Sowohl betreffend die Agenda, wie auch die Parteistruktur und
Zusammensetzung, inklusive der problematischen Teile. Ob man das jetzt gut
findet oder nicht, ist keine Kategorie. In meinen Augen hat sich hier ein
Gleichgewicht eingestellt, dass mit der Neuformierung des linken politischen
Flügels der Republik nach 1989 gestört war.
Ich
persönlich fand die Situation mit den beiden integrierenden Volksparteien und
einem liberalen Mehrheitsbeschaffer sehr viel ansprechender. Das ändert aber
nichts daran, dass die Situation nun eine andere ist. Solange es Grüne und
Linke in ihrer jetzigen Form gibt, wird es meines Ermessens auch die AfD so geben,
wie sie ist - als Spiegelbild der beiden. Zwei politische Flügel, die sich
jeweils als Projektionsfläche für komplementäre Angstphantasien nutzen, bei
Menschen, die der bürgerlichen Mitte den Rücken gekehrt haben.
Wenn man
die AfD marginalisieren möchte, muss man daher wohl auch Grüne und Linke marginalisieren,
in dem Sinne, dass die beiden Volksparteien wieder zur bürgerlichen Mitte hin
integrierende Parteien werden, die linke wie rechte Parteien neben ihnen
überflüssig machen. Unterstützt wird diese These in meinen Augen dadurch, dass
in aktuellen Wahlumfragen die beiden Antipoden AfD und Grüne vom
Vertrauensverlust in die beiden Volksparteien gleichermaßen profitieren.
Diese
Aufgabe, der Befriedung der politischen Ränder ist schwierig. Das zeigt sich nicht
zuletzt in dem eingangs erwähnten Hang zur Monokausalität bei diesem Thema.
Dieser Hang scheint mir Ausdruck dafür zu sein, dass die gesellschaftlichen
Kräfte umso stärker wirken, je weiter ihre Pole auseinanderrücken. Im Spiegelpunkt
der beiden Pole, der politischen Mitte, ist ein Agieren unter Einfluss dieser
starken Kraftwirkungen kaum mehr möglich. Dies könnte auch ein Umstand sein,
der dafür verantwortlich zeichnet, dass diese Mitte kaum mehr besetzt ist.
Wenn man
diese Mitte wiederbesetzen, zur Akzeptanz verhelfen möchte, müssten die
Vertreter der Volksparteien (zurück) zu einer integrierenden und nicht
spaltenden Sprache und Ansprache eines Großteils der Bürger finden. Dazu gehört
allem voran, mit einem überzeugenden Vorleben der eigenen, eingeforderten Maßstäbe
in Vorleistung zu treten. Das ist eine ganz einfache Regel, welche dem
Verfasser dieser Zeilen aus der Kindererziehung bestens vertraut ist: Vorbild
durch vorleben. Alles andere ist zweck- und wirkungslos.
Die
Ereignisse um Chemnitz haben gezeigt, dass sich viele Vertreter der Volksparteien
mit diesem „Vorleben“ noch sehr schwer tun. Als Beispiele dafür kann man einen
Bundespräsidenten nennen, der Auftritte linksextremistisch grundierter Musiker
bewirbt oder auch eine Bundeskanzlerin, die sehr schnell und eigenwillig aus einer
mehr als spärlichen Faktenlage fertige Schlüsse zieht.
Es erscheint
mir derzeit nur die CSU zu sein, die mit Seehofer die Aufgabe der Befriedung
der politischen Ränder - im Staußschen Sinne - angehen möchte. – Dass Wahltaktik
ebenfalls dazu gehört: Geschenkt. Zu einer Adjustierung der Symmetrie gehört dabei
auch, dass sich die Mitte des Systems verschiebt und neu findet. In meinen Augen
versucht die CSU, die zwischen den entstandenen Kraftpolen neu justierte,
politischen Mitte zu besetzen. Sie ist dabei eingekeilt zwischen der AfD, den
Merkel-affinen Unionsteilen und dem linken parlamentarischen Flügel, welche
sich allesamt schwer mit der Neuadjustierung tun. Auch die FDP fremdelt in
großen Teilen damit.
Der
Kampf der CSU, stellvertretend für die Union, um diese neue, aus politischer Symmetrie entstandene Mitte mag
richtungsweisend werden, für die Gestalt der politischen Landschaft in unserer
Republik. Findet sie zurück zu integrierenden Volksparteien oder verschiebt sie
sich zu einer politischen Landschaft mit starken Polen? Die erste Variante scheint mir für Deutschland
ein Maßanzug zu sein, die zweite eine eher den persönlichen Präferenzen
angepasste, ausgebeulte Wohlfühlkleidung. Mein Daumendrücken hat die CSU
sicher. Meine Stimme - in der außerbayrischen Diaspora beheimatet - leider nicht.
nachdenken_schmerzt_nicht
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