Wenn von der kulturellen
Hegemonie der Linken die Rede ist, wird eigentlich etwas Altbekanntes zur
Sprache gebracht: Die Medien sind nicht erst seit gestern überwiegend links,
die Universitäten (dem Klischee nach jedenfalls die geisteswissenschaftlichen
Fakultäten) ebenso und in den Reihen der sonstigen Intellektuellen gehört es
spätestens seit 1945 zum guten Ton, sich ideologisch im Spektrum der Antipoden
der Rechten zu verorten. Die an Jahren etwas reiferen Leser dieses Blogs werden
sich zum Beispiel noch an die Aufregung um Botho Strauß‘ Essay „Anschwellender
Bocksgesang“ erinnern – der wurde vor fast 25 Jahren im SPIEGEL (Ausgabe 6/1993)
gedruckt, in der im Rückblick so golden erscheinenden Kohl-Ära, also noch lange
vor der Regentschaft Angela Merkels.
Mit dem Namen der Bundeskanzlerin ist freilich eine andere Entwicklung verbunden, nämlich das Überschlagen der kulturellen Hegemonie der Linken auf die politische Landschaft der Bundesrepublik. Merkel hat die CDU in eine kulturlinke Partei transformiert, die rein synchron betrachtet den Grünen nähersteht als ihrer doch noch deutlich stärker der Tradition verhafteten bayerischen Schwester. Eine bundesweite kulturkonservative Volkspartei gibt es in Deutschland nicht mehr – und das ist für eine freiheitliche Demokratie ein durchaus besorgniserregender Befund.
Die Kulturlinke macht den
gleichen Fehler – und jetzt schlagen wir einen Bogen zur Gedenktagesaktualität
-, den die katholische Kirche in der Auseinandersetzung mit Martin Luther
begangen hat. Die Reformation war eben nicht nur eine Reform, sondern das wahrhaftige
abendländische Schisma, weil der damalige Kultur-Hegemon nicht willens war, im
Rahmen seiner unangefochtenen Vorherrschaft eine inhaltliche Diskussion
zuzulassen, indem er jede publizierte Abweichung von der offiziellen Linie mit
der Exkommunikation bestrafte.
Die Kirchenspaltung führte zu einem beispiellosen Machtverlust des Heiligen Stuhls: Denn dessen Diskurskontrolle war dahin, als die evangelische Lehre Erfolge in Form von landesfürstlicher Zuwendung feierte und den Anspruch erheben konnte, nicht weniger zur Verkündung ewiger Wahrheiten legitimiert zu sein als der Pontifex Maximus. Es ist vielleicht ein Treppenwitz der Geschichte, dass die Kulturlinke in all ihrem „intellektuellen Protestantismus“ (Botho Strauß, loc. cit.) mit ihren Methoden an die Tradition der Verteidigung der katholischen Suprematie anknüpft.
Mit dem Namen der Bundeskanzlerin ist freilich eine andere Entwicklung verbunden, nämlich das Überschlagen der kulturellen Hegemonie der Linken auf die politische Landschaft der Bundesrepublik. Merkel hat die CDU in eine kulturlinke Partei transformiert, die rein synchron betrachtet den Grünen nähersteht als ihrer doch noch deutlich stärker der Tradition verhafteten bayerischen Schwester. Eine bundesweite kulturkonservative Volkspartei gibt es in Deutschland nicht mehr – und das ist für eine freiheitliche Demokratie ein durchaus besorgniserregender Befund.
Im Rest der westlichen
Welt scheint freilich eine gegenläufige Tendenz Platz zu greifen. Die
Kulturkonservativen sind allenthalben auf dem Vormarsch. Ob Trump oder der
Brexit, ob der sogenannte Rechtsruck bei der österreichischen Nationalratswahl –
alle diese Personalien und Ereignisse lassen sich als ein Votum gegen die
Ideologie der Multiplikatoren-Elite begreifen, und zwar gegen die Obamanie,
gegen die Ever-closer-Union-Tümelei und gegen die Willkommenskultur, somit
gegen zentrale Elemente der kulturlinken Gesinnung. Nach dem Motto, dass man
den Sack schlägt, aber den Esel meint, sind diese Pfeile auch und vielleicht
sogar in erster Linie nicht gegen Inhalte, sondern wider das Bobo-Establishment
gerichtet, das derlei Ansichten vertritt.
Was hat die kulturlinke
Elite falsch gemacht, dass ihr in jüngerer Zeit so viel Ablehnung
entgegenschlägt? Nach Ansicht des Verfassers gibt es dafür die folgenden
Gründe:
1. Das manichäische
Weltbild: Wer Obama nicht für den Messias, die Europäische Union in ihrer
derzeitigen Form nicht für den besten aller möglichen Staatenverbünde und
unkontrollierte Grenzen nicht für ein Gebot der Humanität hielt beziehungsweise
hält, wurde und wird schlechterdings zum Feind erklärt, dem man nur finsterste
Absichten, insbesondere die Beseitigung der offenen Gesellschaft, unterstellt.
Mit diesem dichotomischen Denken ist
2. eine Diskreditierung
des politischen Gegners verbunden, die zwischen Hass und Verachtung changiert:
Wer der kulturlinken Ideologie kritisch gegenübersteht, ist entweder ein Nazi
oder ein sozial beziehungsweise geschichtlich Herausgeforderter, stereotypisch
repräsentiert durch den alten weißen Prekarier, dessen Rolle in einer
globalisierten Welt ins Wanken geraten sein soll.
3. Die Schließung von
Diskursräumen: Die einst so debattenfreudige Linke ist an einer
Auseinandersetzung in der Sache nicht mehr interessiert. Missliebige Positionen
werden aus formalen Gründen verworfen: Wer etwas als rechte Hetze abstempeln
kann, braucht sich Gegenargumente nicht mehr zu überlegen.
4. Die selbstgewählte
Isolation in der Filterblase: Ironischerweise werfen die Kulturlinken ihren
Antagonisten vor, ihre Weltanschauung nur noch aus den Echokammern der sozialen
Netzwerke zu beziehen. Dabei ist es gerade das Bobo-Milieu, das sich unter
wohliger Ausblendung alles Inkompatiblen den Rücken krault und ein Hohelied auf
die Mainstream-Medien, insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, singt,
das sich dieser aufgrund seines offenkundigen bias nicht verdient hat.
Dass die Kulturlinken
nach Ansicht des Verfassers auch die falschen Rezepte propagieren, steht auf
einem anderen Blatt. Für die zunehmende Reaktanz weiter Teile der Bevölkerung
gegen die kulturlinke Vorherrschaft sind wohl eher die aufgezeigten eristischen
Unzulänglichkeiten verantwortlich. Es ist natürlich legitim, Trump für einen
schlechten Präsidenten zu erachten, eine Vertiefung der Europäischen Union in
Richtung Schulden- und Transfergemeinschaft zu befürworten und ein
unbeschränktes Migrationsrecht für jedermann zu fordern. Aber es ist ebenso
nicht zu beanstanden, um die Meinungen des Autors dieser Zeilen wiederzugeben,
Trumps Leistungen im Vergleich zu seinem auf ganzer Linie versagenden Vorgänger
zu bewerten, sich eine Europäische Union (übrigens im Sinne ihrer Erfinder) als
Raum der Freiheit für Menschen vorzustellen, die ihr Geld nicht vom Staat,
sondern durch ihrer Hände oder ihres Kopfes Arbeit verdienen, und sich beim
Thema Zuwanderung eine konsequente, im Zweifel eher strenge Anwendung geltenden
Rechts zu wünschen. Und es ist auch – um einem häufig missbrauchten Wort hier
noch einmal Gewalt anzutun – zulässig, Trump für eine Skulptur am Mount
Rushmore vorzuschlagen, die Auflösung der Europäischen Union zu propagieren und
für eine hermetische Schließung der deutschen Grenzen einzutreten.
Die Kirchenspaltung führte zu einem beispiellosen Machtverlust des Heiligen Stuhls: Denn dessen Diskurskontrolle war dahin, als die evangelische Lehre Erfolge in Form von landesfürstlicher Zuwendung feierte und den Anspruch erheben konnte, nicht weniger zur Verkündung ewiger Wahrheiten legitimiert zu sein als der Pontifex Maximus. Es ist vielleicht ein Treppenwitz der Geschichte, dass die Kulturlinke in all ihrem „intellektuellen Protestantismus“ (Botho Strauß, loc. cit.) mit ihren Methoden an die Tradition der Verteidigung der katholischen Suprematie anknüpft.
Noricus
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