4. April 2016

Die Rückkehr der Inquisition


Von Kant heißt es, er hätte die Frage danach, ob er in einem aufgeklärten Zeitalter lebte, verneint mit dem Hinweis: „Besonders in „Religionsdingen“ seien die meisten Menschen noch sehr weit davon entfernt, sich selbst ihres Verstandes ohne fremde Leitung zu bedienen. Allerdings gebe es doch auch deutliche Anzeichen dafür, dass die allgemeine Aufklärung voranschreite.“

Dieser Tage, etwa 250 Jahre nach Kants Überlegungen, läßt Loretta Lynch, ihres Zeichens Justizministerin der Vereinigten Staaten von Amerika, prüfen, in wie weit es möglich ist, die Leugnung des „menschengemachten Klimawandels“ unter Strafe zu stellen.
Da die Meinungs- und Redefreiheit in den USA durch die Bill of Rights garantiert ist, versucht die Justizministerin diese Einschränkung der Meinung über den Umweg des sogenannten „Rico Acts“ herbeizuführen. Es handelt sich dabei um ein 1970 zur Bekämpfung der Mafia erlassenes Gesetz, welches bereits der Clinton-Administration als Grundlage einer zivilen Klage gegen die Tabakindustrie diente. Diese endete damit, dass es US Amerikanischen Tabakkonzernen seit 2007 verboten ist, mit „irreführenden Bezeichnungen“ Werbung für ihre Produkte zu machen. Die Meinungsfreiheit ist also weiterhin gewährleistet. Es gilt lediglich unter bestimmten Voraussetzungen eine Einschränkung für Meinungen, welche die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika für falsch und gefährlich hält.

Als der Grazer Musikprofessor Richard Parncutt im Jahr 2012 die Todesstrafe für die Leugnung des „menschgemachten Klimawandels“ andachte, mag man noch einen vermeintlichen Narren belächelt haben. Wenn die Justizministerin der mächtigsten Demokratie dieser Erde allerdings das Denken unter Strafe stellen möchte, fällt es deutlich schwerer, von einer Narretei zu sprechen.

In den Gesellschaften der großen Industrienationen befinden sich Kirche und traditionelle Religion immer mehr auf dem Rückzug. Ungeachtet dessen ist Spiritualität dem Menschen jedoch weiterhin immanent, ebenso wie der Wunsch seine Ohnmacht gegenüber dem eigenen Schicksal überwinden zu können. In einem alten Beitrag in Zettels Raum versuchte ich in diesem Sinne einmal den Glauben als Wunsch nach der Überwindung dieser Ohnmacht zu verstehen.

Nun geht es mir überhaupt nicht darum, den Glauben an sich in ein schlechtes Licht zu rücken. Als Mensch, der oftmals selbst schwer mit seinem eigenen Glauben ringt, kann und möchte ich das nicht. Ich will jedoch feststellen, dass in der Menschheitsgeschichte von unerschütterlichem und besonders eifrigem Glauben immer wieder gefährliche Angriffe auf bürgerliche Freiheit und Selbstbestimmung ausgingen, und nicht selten endeten die Auswüchse solcher Angriffe dann in Folter und Tod. Die Inquisition in der europäischen Geschichte gibt davon ein ebenso beredtes Zeugnis, wie der aktuell in der arabischen Welt an vielen Stellen aufbrechende Konflikt zwischen Religion und bürgerlicher Freiheit.

Wenn die Justizministerin einer liberalen Demokratie nun Gedanken, wissenschaftlichen Meinungsstreit und Weltanschauung unter Strafe stellen möchte, kann ich das nur in diesem Zusammenhang verstehen: Als den Versuch eines unerbittlichen Kampfes gegen diejenigen Häretiker, welche die Erlösung der Menschheit durch den eigenen Glauben bedrohen. Da stehen wir nun, 250 Jahre nachdem Kant feststellte, dass es deutliche Anzeichen für ein Fortschreiten der Aufklärung gäbe.

Ein Gutes hat diese Sache aber auch: Bisher war ich der Ansicht, Justizminister Heiko Maas wäre nicht gerade ein Ruhmesblatt für die Bundesrepublik. Im internationalen Vergleich relativiert sich diese Ansicht allerdings, wie ich seit kurzem weiß, deutlich.

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