5. April 2016

Kurioses kurz kommentiert: Der Feminismus der blauen Rasierapparate

Dass der Staat respektive dessen Diener eine unerschöpfliche Phantasie besitzen, wenn es um die Schaffung neuer Abgabentatbestände geht, ist ein Kernelement des liberalen Lamentos, und natürlich ist diese Klage nur allzu berechtigt. So hat es zu verschiedenen Zeiten in Ländern deutscher Zunge einmal eine Jungfern- und dann eine Prostitutionssteuer gegeben, was reichlich inkohärent erscheint und den Leviathan durchaus als Gargantua der klingenden Münze erscheinen lässt.



Kein menschliches Bedürfnis ist vor der aufgehaltenen öffentlichen Hand sicher: „Pecunia non olet“ – „Geld stinkt nicht“ – antwortete der römische Kaiser Vespasian bekanntlich seinem Sohn Titus, als dieser ihm die Anrüchigkeit des von seinem Vater eingeführten Toiletten-Zwangsobolus vorwarf. Solcher Staatssäckelzynismus reizte die Franzosen, bei denen laut André Siegfried „eine geheime Missbilligung […] denjenigen umgibt, der die Steuer bezahlt“ („Une secrète réprobation entoure en France celui qui paie l’impôt“), zu der urinsauren Rache, das Pissoir nach dem Imperator des stillen Örtchens als vespasienne zu benennen, auf dass sein Name, solange das galloromanische Führungsidiom lebendig ist, gleichsam in die Kanalisation gespült werde.


Von einer „Pink Tax“ war im Zusammenhang mit den dem Fiskus zu zollenden Tributen jedoch noch nie die Rede, was freilich allein daran liegt, dass bislang noch kein Schatzkanzler auf die Idee gekommen ist, eine solche Steuer zu erheben. Vielmehr belegt der Zeitgeist Preisunterschiede zwischen dem nach den Anpreisungen der Reklame jeweils für Frauen und für Männer bestimmten, äquivalenten Produkt, wie er zum Beispiel im Falle von Kosmetika häufig vorzukommen scheint, mit diesem Ausdruck. Zum Sinnbild für diese vermeintliche Ungerechtigkeit sind offenbar die unterschiedlich gefärbten, ansonsten aber (fast) identischen Rasierapparate geworden.



Der Autor dieser Zeilen kann die Lektüre der verlinkten Beiträge, insbesondere auch des auf Spiegel-Online veröffentlichten Artikels, nur dringend empfehlen, zumal der Internet-Ableger des Hamburger Nachrichtenmagazins durchaus ausgewogen einräumt, dass bei rosa Rasierapparaten auch die geringere Produktionsstückzahl für den höheren Preis verantwortlich sein könnte, und dass – was auch ein Ministeriumssprecher in nicht zu kritisierender reiner Vernunft zu bedenken gibt – Frauen nicht daran gehindert sind, die als männlich beworbene, günstigere, schwarze oder blaue Version des Haarentferners in ihr Eigentum zu überführen.



Eine solche Kaufentscheidung wäre nach Ansicht des Autors dieser Zeilen nicht nur kapitalistisch, sondern auch feministisch korrekt: Wie emanzipatorisch ist es, den Frauen die – im diachronen Vergleich äußerst schwankende – Farbklischee-Erfüllung zuschlagsfrei zu ermöglichen, anstatt ihnen die bewusste Marktteilnehmerinnenentscheidung zwischen einem vielleicht ästhetisch und sicher preislich höherwertigen pinken Rasierapparat einerseits sowie einem wohlfeileren Schermesser in den Bürofarben Blau oder Schwarz zuzumuten?

Aufklärung ist bekanntlich der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit (Immanuel Kant). Was ist dann der etatistische Feminismus?


Noricus

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