Jakob Augstein
Kommentar:
Man kann Jakob Augstein vieles vorwerfen. Aber zwei Qualitäten sollte man ihm nicht absprechen.
Die erste ist die sprachliche Qualität seiner Texte.
Das zweite ist seine politische und historische Bildung.
Wenn also Augstein in einem Text über die anstehende Regierungsbildung in Thüringen nicht von Kooperation, Koalition, Schulterschluss oder einem vergleichbaren Begriff, sondern explizit von "Einheit von Sozialdemokraten und Sozialisten" spricht, passiert das nicht aus Versehen.
Es zeigt vielmehr, wie er sich eine künftige Parteienlandschaft vorstellt. Nicht wie die Mehrzahl der politischen Journalisten, die zwar fast geschlossen für Rot-Grün-Dunkelrot trommeln, dabei jedoch die Linke als einen notwendigen Mehrheitsbeschaffer sehen, vor dem man sich - wenigstens außenpolitisch - schon ein bischen in Acht nehmen muss.
Augstein dagegen schimpft bei jedem sich bietenden Anlass auf SPD und Grüne, wenn die sich gegen eine Koalition mit der Linken entscheiden.
Ich lese aus diesen Äußerungen, dass Augstein sich einen geschlossenen linken Block unter der ideolgischen wie politischen Führung der SED-Nachfolgepartei wünscht, aus dem niemand in Richtung Schwarz-Grün oder GroKo mehr ausschert.
Denn dann wäre endlich Schluss mit allem, was er nicht leiden kann: Westbindung, NATO-Mitgliedschaft, Auslandseinsätzen, dem privaten Bankensektor und natürlich vor allem der Partnerschaft mit den USA und Israel.
Augsteins Kolumnentitel "im Zweifel links" ist reine Koketterie. Hoffentlich ist er wenigstens im Zweifel Demokrat.
Meister Petz
© Meister Petz. Titelvignette: Berlin, SED-SPD-Vereinigungsparteitag im April 1946. Foto von Abraham Pisarek, Bundesarchiv Bild 183-W0910-305. Für Kommentare bitte hier klicken.