3. Mai 2014

Von roten und blauen Pillen. Ein Gedankensplitter zu Zukunft, Realität und anderen seltsamen Dingen. (II)


Am Ende des ersten Teiles wurde der Begriff der Immersion genannt.  Immmersion beschreibt die Überführung in einen Bewusstseinszustand (Eindruck), bei dem sich die Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt vermindert und die Identifikation mit dem "Ich" (dem Avatar) in der virtuellen Welt vergrößert (Zitat Wikipedia). Man kann auch einfach sagen, Immersion beschreibt das Eintauchen in eine virtuelle Welt.
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Die Möglichkeiten der Immersion haben in den letzten Jahrzehnten, gerade in den letzten Jahren, massiv zugenommen. Haben Computerspiele vor 30 Jahren noch darin bestanden, dass sich ein großer gelber Punkt durch eine virtuelle Welt gefuttert hat, so stehen heute Techniken der Projektion zur Verfügung die bald fotorealistische Abbildungen einer virtuellen Welt vor die Augen des Nutzers stellt. Ebenso stehen Tontechniken zur Verfügung die das Bewegen in realer Welt täuschend echt nachahmen können. Dem Autor dieser Zeilen ist manches Erlebnis in der virtuellen Realität vertraut, wo er in einem virtuellen Gefechts-Szenario hinter feindlichen Linien gelegen hat und bei massivem Pulsschlag Angst gehabt hat sich auch nur Zentimeter zu bewegen. Ebenso ist dem Autor ein anderes Szenario bekannt, wo er eine bestimmte moralisch fragwürdige Handlung nicht ausführen konnte, weil sie massiv gegen seine ethischen Grundwerte verstoßen hätte. Auch wenn es sich um eine rein virtuelle Handlung drehte, war der Autor nicht in der Lage dem virtuellen Opfer etwas anzutun. Die Immersion ist in diesem Falle mit vergleichsweise einfacher Technik sehr erfolgreich gewesen. Es besteht auch hier wenig Zweifel, dass die Technik sich an dieser Stelle in den nächsten Jahren deutlich verbessern wird. Selbst wenn ein direkter Einfluss auf die sensorische Nerven noch weit in der Zukunft steht, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass es demnächst Anzüge und Apparaturen geben wird, die ein tatsächliches körperliches Eintauchen in die virtuelle Welt erlauben.
Diese Technik wird jedem Mitglied unserer Gesellschaft irgendwann (in gar nicht so ferner Zukunft) zur Verfügung stehen. Und hier stellt sich die interessante Frage welche Welt die interessantere oder vorzuziehende ist: Die virtuelle oder die real existierende. Für die meisten Menschen, die in der real existierenden Welt eine befriedigende Existenz leben, wird sich die Frage vermutlich derzeit noch so darstellen, dass sie die real existierende der virtuellen Welt vorziehen. Wenn man dagegen die real existierende Welt als frustrierend, einschränkend oder einfach nur langweilig empfindet, dann steigt die Attraktion der virtuellen Welt deutlich an. In der virtuellen Welt kann man Dinge tun, die die Realität nicht hergibt: Man kann nicht nur ein „erfolgreicher Held“ sein, man kann auch in einer simulierten Welt von Harry Potters Gnaden mit einem Zauberstab die Welt verändern. Einer der ältesten Träume des Autors dieser Zeilen ist der Traum vom Fliegen, leider ist ihm dies auch nur in ebenjener genannten Traumwelt möglich. Die virtuelle Welt dagegen erlaubt das Fliegen. Und zwar ohne Flugzeug, ohne Fallschirm, ohne Risiko. Die virtuelle Welt kann all das sein, wovon der Mensch träumt, sei es mit Harry Potter zur Schule zu gehen, mit Captain Kirk zu den Sternen zu fliegen oder ein Verhältnis mit Claudia Schiffer und Cameron Diaz zu führen (nein, das ist nicht sexistisch gedacht, ersatzweise betrachte man Brad Pitt oder George Clooney).
Unabhängig von der etwas abstrusen Rahmenhandlung ist der Unterschied zwischen Realität und Simulation in der Matrix aufgegriffen worden. Dort gibt es einen Antagonisten (Cypher), der seine eigenen Leute verrät, weil er es bereut die rote Pille genommen zu haben. Die rote Pille ist gleichbedeutend mit dem Wunsch nach Realität, die blaue Pille ist der Wunsch nach Unwissenheit darüber, dass der Mensch sich eben nicht in der Realität befindet, sondern in einer Simulation (der Matrix eben). Für Cypher ist die Realität die deutlich schlechtere Wahl, er wünscht sich nicht nur eine Simulation, er wünscht sich Unkenntnis darüber in einer Simulation zu sein.
Auch wenn es sich hier um einen Antagonisten dreht, so sind seine Motive durchaus interessant: Wer kann sagen, dass die eine Welt wertvoller ist als die andere? Es gibt den (eher romantischen) Satz: Wenn das ein Traum ist, lass mich nicht aufwachen. Von diesem Satz ist man erst einmal nicht abgestoßen. Dinge können so schön sein, dass man sie erleben will, auch wenn sie eigentlich ein Traum sind. Die virtuelle Welt ist nichts anderes, nur das das Bewusstsein sich in einem wachen Zustand befindet. Ist dem Bewusstsein dagegen nicht einmal bekannt, dass es sich in einer Simulation befindet, so ist die erlebte Realität von der tatsächlichen nicht mehr zu unterscheiden.

Ich glaube nicht, dass wir in der Matrix leben (genauso wie der eigentliche Film sehr unterhaltsam, aber ziemlich absurd ist). Aber ich glaube, dass die Matrix sehr attraktiv ist, wenn auch nicht als normale Welt, die dem Menschen vorgespielt wird, sondern als kontrollierte Welt mit beliebigen Möglichkeiten. Und ich glaube, dass viele Menschen das der realen Welt vorziehen. Sollte dies so kommen wird das die Gesellschaft stärker verändern als die Erfindung des Buchdrucks, des Mikrochips oder des Internets. 
Llarian


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