In zehn Tagen findet in Frankreich die Wahl des Präsidenten statt; der erste Wahlgang. Es ist gewiß, daß danach aber der Sieger noch nicht feststeht, denn die erforderliche absolute Mehrheit wird keiner der Kandidaten erreichen. Es kommt dann zu einer Stichwahl am 6. Mai; und sie wird sehr wahrscheinlich zwischen Nicolas Sarkozy und François Hollande stattfinden.
So außerordentlich sicher wie der Umstand, daß es einen zweiten Wahlgang (deuxième tour) geben wird, ist diese Kandidatenpaarung allerdings nicht. Es hat da schon Überraschungen gegeben. Vor zehn Jahren, am 21. April 2002, verfehlte der damalige sozialistische Premierminister Lionel Jospin knapp den als sicher angesehenen minestens zweiten Platz; in die Stichwahl gegen Jacques Chirac ging der extreme Rechte Jean-Marie Le Pen. Die letzten Umfragen hatten Jospin mit ungefähr 18 Prozent noch deutlich vor Le Pen mit rund 13 Prozent gesehen. Es war eine der großen Niederlagen der Demoskopie.
Daß sich so etwas jetzt wiederholt, ist allerdings kaum zu erwarten. Denn vor zehn Jahren traten zahlreiche linke Kandidaten an, die Jospins Stimmenanteil schmälerten. Für die Wähler der Linken schien es damals ja sicher zu sein, daß Jospin in den zweiten Wahlgang kommen würde; also konnte man im ersten - so dachte man - aus Protest, als Ausdruck revolutionärer Träume, einen Linksextremen wählen; zum Beispiel Arlette Laguiller oder Olivier Besancenot (diese beiden Trotzkisten brachten es zusammen auf fast zehn Prozent). Im zweiten Wahlgang würde man dann "nützlich wählen" (voter utile) und zähneknirschend dem vergleichsweise gemäßigten Jospin seine Stimme geben. Aber da war dann kein Jospin mehr.
Aus diesem Debakel hat die Linke gelernt. Eine Zersplitterung linker Kandidaturen hat es 2007 nicht gegeben und gibt es auch jetzt nicht wieder. Allerdings zeichnet sich seit einigen Wochen doch wieder ein Problem linker Kandidaturen ab; dazu später mehr.
Anders als vor fünf Jahren habe ich diesmal nur wenige Artikel dieser Serie "Gedanken zu Frankreich" der Wahl des Präsidenten gewidmet. (Die damaligen Artikel finden Sie als die Folgen 5 bis 10 der Serie). Der Grund ist, daß das Ergebnis schon vor Monaten festzustehen schien.
Ich habe das Anfang des Jahres beschrieben: In allen Umfragen lag der Sozialist François Hollande weit vor Präsident Sarkozy; mit einem Vorsprung für den zweiten Wahlgang von bis zu zwanzig Prozentpunkten - einem Abstand, wie es ihn kaum je bei der Wahl eines französischen Staatspräsidenten gegeben hat (Sarkozy am Ende? Frankreich steht vor einem beispiellosen Linksrutsch; ZR vom 2. 1. 2012).
In den dreieinhalb Monaten, die seither vergangen sind, hat sich daran substantiell nichts geändert, wenngleich Hollandes Vorsprung geschrumpft ist. Die aktuellen Umfragen umfassen Werte von zwischen 55 zu 45 Prozent und 53 zu 47 Prozent für ihn. Es gibt keine einzige Umfrage zu irgendeinem Zeitpunkt, die für den zweiten Wahlgang einen Vorsprung Sarkozys gemessen hätte.
Also ist alles gelaufen? Inzwischen zeichnen sich zwei Entwicklungen ab, die das Rennen möglicherweise doch noch spannend machen könnten. Hollande bleibt der haushohe Favorit; aber ein Überraschungssieg Sarkozys ist jetzt nicht mehr vollständig ausgeschlossen.
Diese Entwicklungen betreffen zwei der Kandidaten im Mittelfeld. Ähnlich wie die Tabelle der Bundesliga läßt sich das Feld der Kandidaten für den ersten Wahlgang gut in drei Gruppen aufteilen:
Mit ihrer Partei, dem rechtsextremen Front National, haben die Demoskopen traditionell Probleme, weil manche Wähler dieser Partei sich bei Umfragen nicht zu ihr bekennen mögen. Bei Marine Le Pen kommt hinzu, daß sie ein liberaleres und auch sympathischeres Image hat als ihr Vater. Die Demoskopen können die Erfahrungswerte, die sie inzwischen für die Gewichtung der Umfragedaten des FN gewonnen haben, nur schwer auf ihre Kandidatur übertragen.
Es kann deshalb durchaus sein, daß Marine Le Pen im ersten Wahlgang näher bei zwanzig als bei fünfzehn Prozent liegen wird. Daß sie den Coup ihres Vaters wiederholt, gar in die zweite Runde einzuziehen, erschien vor einem Vierteljahr denkbar. Inzwischen müßte schon ein GAU der Demoskopie eintreten, wenn sie noch Hollande oder Sarkozy überflügeln sollte.
François Bayrou, der sich jetzt zum dritten Mal nacheinander um die Präsidentschaft bewirbt, lag lange Zeit knapp hinter Marine Le Pen auf dem vierten Platz. Falls Sie sich an meine Berichterstattung zu den Wahlen 2007 erinnern oder die betreffenden Artikel der Serie jetzt nachgelesen haben, dann ist ihnen Bayrou vertraut: Dieser Mann der Mitte war damals der Kandidat, den ich favorisiert habe (Die Rechte, die Linke - und François Bayrou; ZR vom 21. 2. 2007, sowie Zu François Bayrou (1): Halb de Gaulle, halb Kennedy und (2): Kein Liberalkonservativer, aber ein Ordoliberaler; ZR vom 14. und 21. März 2007). .
Bayrou schnitt 2007 im ersten Wahlgang mit knapp 19 Prozent ausgezeichnet ab, spielte aber zwischen den beiden Wahlgängen eine unglückliche Rolle, als er sich weigerte, zur Wahl von Sarkozy oder Ségolène Royal im zweiten Wahlgang aufzurufen, zugleich aber eine Präferenz für Royal erkennen ließ. Auch danach agierte er wenig geschickt. Seine Partei, die UDF, spaltete sich, und er gründete eine neue Partei, das Mouvement Démocrate (MoDem), die nie recht auf die Beine kam.
Dennoch lag Bayrou, der ein hohes persönliches Ansehen weit über seine Partei hinaus genießt, auch jetzt wieder gut im Rennen, mußte in den letzten Wochen aber seinen vierten Platz an Jean-Luc Mélenchon abgeben, den Kandidaten der Linksfront (Front de Gauche), einem Bündnis der Kommunistischen Partei mit weiteren kommunistischen Parteien und Organisationen, vor allem der unter Geburtshilfe von Oskar Lafontaine 2008 gegründete Partei Parti de Gauche (siehe Am deutschen Wesen soll jetzt Frankreich genesen. "Die Linke" bekommt einen französischen Franchise-Partner; ZR vom 30. 11. 2008). Derzeit liegt Mélenchon bei dreizehn bis fünfzehn Prozent, während Bayrou auf zehn bis zwölf Prozent abgerutscht ist.
Was bedeutet das für den zweiten Wahlgang? Man muß sich klarmachen, daß die Frage der Demoskopen für diese zweite Runde jedenfalls für alle diejenigen Wähler eine hypothetische ist, die weder Sarkozy noch Hollande wollen; das sind zusammen fast die Hälfte. Sie tendieren mehr oder weniger stark zu Hollande oder zu Sarkozy, falls ihr eigener Kandidat es nicht in die zweite Runde schafft. Aber ihre Präferenz kann sich möglicherweise ändern.
Das gilt vor allem für die Wähler Bayrous und Le Pens. Ungefähr jeweils ein Drittel von ihnen will sich überhaupt nicht festlegen und geht möglicherweise am 6. Mai gar nicht zur Wahl. Die übrigen Wähler Bayrous favorisieren zu ungefähr gleichen Teilen Sarkozy und Hollande (eher etwas mehr Hollande); bei denen Le Pens würde sich eine Mehrheit für Sarkozy entscheiden, aber immerhin ungefähr ein Drittel für Hollande.
Diese Wähler könnten ihre Entscheidung zwischen den beiden Wahlgängen überdenken. Vor allem könnten die Wähler Bayrous in größerem Umfang zu Wählern Sarkozys werden, falls Bayrou zwischen den beiden Wahlgängen eine entsprechende Empfehlung abgeben würde.
Diese Möglichkeit wird gegenwärtig in Frankreich lebhaft diskutiert. Es könnte zum Beispiel zu einer Vereinbarung zwischen Sarkozy und Bayrou kommen, die diesem im Fall eines Wahlsiegs von Sarkozy ein wichtiges Ministerium oder gar das Amt des Premierministers zusichern würde. Im Gegenzug würde er seinen Wählern empfehlen, für Sarkozy zu stimmen; so, wie Mélenchon zur Wahl Hollandes aufrufen wird.
Das könnte Sarkozy im zweiten Wahlgang entscheidende Stimmenprozente bringen. Zusätzlich könnten sich weniger Wähler für Hollande entscheiden, als sie das jetzt in den Umfragen angeben. Denn der Aufstieg Mélenchons bedeutet, daß ein Präsident Hollande nur mit einem wahrscheinlich starken kommunistischen Partner seiner Sozialistischen Partei regieren könnte.
Das könnte manchen Wähler des sozialdemokratischen Flügels der Sozialisten davon abhalten, Hollande im zweiten Wahlgang seine Stimme zu geben. Addiert man einfach die Prozentwerte aller linker Kandidaten für den ersten Wahlgang aus den Umfragen, dann hat die Linke durch den Aufstieg Mélenchons nicht verloren; eher gewonnen. Aber paradoxerweise könnte das im zweiten Durchgang Hollande dennoch schaden.
Das alles macht Sarkozy noch lange nicht zum Favoriten; dieser bleibt eindeutig Hollande. Aber ganz so sicher, wie es Anfang des Jahres aussah, ist Hollandes Sieg jetzt nicht mehr.
So außerordentlich sicher wie der Umstand, daß es einen zweiten Wahlgang (deuxième tour) geben wird, ist diese Kandidatenpaarung allerdings nicht. Es hat da schon Überraschungen gegeben. Vor zehn Jahren, am 21. April 2002, verfehlte der damalige sozialistische Premierminister Lionel Jospin knapp den als sicher angesehenen minestens zweiten Platz; in die Stichwahl gegen Jacques Chirac ging der extreme Rechte Jean-Marie Le Pen. Die letzten Umfragen hatten Jospin mit ungefähr 18 Prozent noch deutlich vor Le Pen mit rund 13 Prozent gesehen. Es war eine der großen Niederlagen der Demoskopie.
Daß sich so etwas jetzt wiederholt, ist allerdings kaum zu erwarten. Denn vor zehn Jahren traten zahlreiche linke Kandidaten an, die Jospins Stimmenanteil schmälerten. Für die Wähler der Linken schien es damals ja sicher zu sein, daß Jospin in den zweiten Wahlgang kommen würde; also konnte man im ersten - so dachte man - aus Protest, als Ausdruck revolutionärer Träume, einen Linksextremen wählen; zum Beispiel Arlette Laguiller oder Olivier Besancenot (diese beiden Trotzkisten brachten es zusammen auf fast zehn Prozent). Im zweiten Wahlgang würde man dann "nützlich wählen" (voter utile) und zähneknirschend dem vergleichsweise gemäßigten Jospin seine Stimme geben. Aber da war dann kein Jospin mehr.
Aus diesem Debakel hat die Linke gelernt. Eine Zersplitterung linker Kandidaturen hat es 2007 nicht gegeben und gibt es auch jetzt nicht wieder. Allerdings zeichnet sich seit einigen Wochen doch wieder ein Problem linker Kandidaturen ab; dazu später mehr.
Anders als vor fünf Jahren habe ich diesmal nur wenige Artikel dieser Serie "Gedanken zu Frankreich" der Wahl des Präsidenten gewidmet. (Die damaligen Artikel finden Sie als die Folgen 5 bis 10 der Serie). Der Grund ist, daß das Ergebnis schon vor Monaten festzustehen schien.
Ich habe das Anfang des Jahres beschrieben: In allen Umfragen lag der Sozialist François Hollande weit vor Präsident Sarkozy; mit einem Vorsprung für den zweiten Wahlgang von bis zu zwanzig Prozentpunkten - einem Abstand, wie es ihn kaum je bei der Wahl eines französischen Staatspräsidenten gegeben hat (Sarkozy am Ende? Frankreich steht vor einem beispiellosen Linksrutsch; ZR vom 2. 1. 2012).
In den dreieinhalb Monaten, die seither vergangen sind, hat sich daran substantiell nichts geändert, wenngleich Hollandes Vorsprung geschrumpft ist. Die aktuellen Umfragen umfassen Werte von zwischen 55 zu 45 Prozent und 53 zu 47 Prozent für ihn. Es gibt keine einzige Umfrage zu irgendeinem Zeitpunkt, die für den zweiten Wahlgang einen Vorsprung Sarkozys gemessen hätte.
Also ist alles gelaufen? Inzwischen zeichnen sich zwei Entwicklungen ab, die das Rennen möglicherweise doch noch spannend machen könnten. Hollande bleibt der haushohe Favorit; aber ein Überraschungssieg Sarkozys ist jetzt nicht mehr vollständig ausgeschlossen.
Diese Entwicklungen betreffen zwei der Kandidaten im Mittelfeld. Ähnlich wie die Tabelle der Bundesliga läßt sich das Feld der Kandidaten für den ersten Wahlgang gut in drei Gruppen aufteilen:
Wie ihr Vater vor zehn Jahren ist Marine Le Pen auch jetzt für eine Überraschung gut. Ich habe das vor drei Monaten erläutert (Marine Le Pen - die große Unbekannte. Schon stärker als Sarkozy? Oder darf sie am Ende gar nicht antreten?; ZR vom 17. 1. 2012):Die beiden unangefochtenen Spitzenreiter Hollande und Sarkozy, die derzeit Kopf an Kopf bei ungefähr je 28 Prozent liegen (Sarkozy hatte in den letzten Wochen zeitweise einen kleinen Vorsprung gehabt - aber eben nur im ersten Wahlgang); die untere Tabellenzone von Kandidaten, die bei wenigen Prozent liegen und deren Namen außerhalb von Frankreich größtenteils unbekannt sind. Zu ihnen gehören der Linksextremist Philippe Poutou (zwischen einem halben und einem Prozent), der euroskeptische gaullistische Dissident Nicolas Dupont-Aignan (ungefähr ein Prozent) und auch - nach deutschen Maßstäben kaum glaublich - die Kandidatin der Grünen, Eva Joly, die bei ungefähr zwei Prozent liegt; das Mittelfeld der drei Kandidaten François Bayrou, Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon, die Umfragewerte zwischen zehn und fünfzehn Prozent haben; Marine Le Pen in einigen Umfragen noch etwas mehr.
Mit ihrer Partei, dem rechtsextremen Front National, haben die Demoskopen traditionell Probleme, weil manche Wähler dieser Partei sich bei Umfragen nicht zu ihr bekennen mögen. Bei Marine Le Pen kommt hinzu, daß sie ein liberaleres und auch sympathischeres Image hat als ihr Vater. Die Demoskopen können die Erfahrungswerte, die sie inzwischen für die Gewichtung der Umfragedaten des FN gewonnen haben, nur schwer auf ihre Kandidatur übertragen.
Es kann deshalb durchaus sein, daß Marine Le Pen im ersten Wahlgang näher bei zwanzig als bei fünfzehn Prozent liegen wird. Daß sie den Coup ihres Vaters wiederholt, gar in die zweite Runde einzuziehen, erschien vor einem Vierteljahr denkbar. Inzwischen müßte schon ein GAU der Demoskopie eintreten, wenn sie noch Hollande oder Sarkozy überflügeln sollte.
François Bayrou, der sich jetzt zum dritten Mal nacheinander um die Präsidentschaft bewirbt, lag lange Zeit knapp hinter Marine Le Pen auf dem vierten Platz. Falls Sie sich an meine Berichterstattung zu den Wahlen 2007 erinnern oder die betreffenden Artikel der Serie jetzt nachgelesen haben, dann ist ihnen Bayrou vertraut: Dieser Mann der Mitte war damals der Kandidat, den ich favorisiert habe (Die Rechte, die Linke - und François Bayrou; ZR vom 21. 2. 2007, sowie Zu François Bayrou (1): Halb de Gaulle, halb Kennedy und (2): Kein Liberalkonservativer, aber ein Ordoliberaler; ZR vom 14. und 21. März 2007). .
Bayrou schnitt 2007 im ersten Wahlgang mit knapp 19 Prozent ausgezeichnet ab, spielte aber zwischen den beiden Wahlgängen eine unglückliche Rolle, als er sich weigerte, zur Wahl von Sarkozy oder Ségolène Royal im zweiten Wahlgang aufzurufen, zugleich aber eine Präferenz für Royal erkennen ließ. Auch danach agierte er wenig geschickt. Seine Partei, die UDF, spaltete sich, und er gründete eine neue Partei, das Mouvement Démocrate (MoDem), die nie recht auf die Beine kam.
Dennoch lag Bayrou, der ein hohes persönliches Ansehen weit über seine Partei hinaus genießt, auch jetzt wieder gut im Rennen, mußte in den letzten Wochen aber seinen vierten Platz an Jean-Luc Mélenchon abgeben, den Kandidaten der Linksfront (Front de Gauche), einem Bündnis der Kommunistischen Partei mit weiteren kommunistischen Parteien und Organisationen, vor allem der unter Geburtshilfe von Oskar Lafontaine 2008 gegründete Partei Parti de Gauche (siehe Am deutschen Wesen soll jetzt Frankreich genesen. "Die Linke" bekommt einen französischen Franchise-Partner; ZR vom 30. 11. 2008). Derzeit liegt Mélenchon bei dreizehn bis fünfzehn Prozent, während Bayrou auf zehn bis zwölf Prozent abgerutscht ist.
Was bedeutet das für den zweiten Wahlgang? Man muß sich klarmachen, daß die Frage der Demoskopen für diese zweite Runde jedenfalls für alle diejenigen Wähler eine hypothetische ist, die weder Sarkozy noch Hollande wollen; das sind zusammen fast die Hälfte. Sie tendieren mehr oder weniger stark zu Hollande oder zu Sarkozy, falls ihr eigener Kandidat es nicht in die zweite Runde schafft. Aber ihre Präferenz kann sich möglicherweise ändern.
Das gilt vor allem für die Wähler Bayrous und Le Pens. Ungefähr jeweils ein Drittel von ihnen will sich überhaupt nicht festlegen und geht möglicherweise am 6. Mai gar nicht zur Wahl. Die übrigen Wähler Bayrous favorisieren zu ungefähr gleichen Teilen Sarkozy und Hollande (eher etwas mehr Hollande); bei denen Le Pens würde sich eine Mehrheit für Sarkozy entscheiden, aber immerhin ungefähr ein Drittel für Hollande.
Diese Wähler könnten ihre Entscheidung zwischen den beiden Wahlgängen überdenken. Vor allem könnten die Wähler Bayrous in größerem Umfang zu Wählern Sarkozys werden, falls Bayrou zwischen den beiden Wahlgängen eine entsprechende Empfehlung abgeben würde.
Diese Möglichkeit wird gegenwärtig in Frankreich lebhaft diskutiert. Es könnte zum Beispiel zu einer Vereinbarung zwischen Sarkozy und Bayrou kommen, die diesem im Fall eines Wahlsiegs von Sarkozy ein wichtiges Ministerium oder gar das Amt des Premierministers zusichern würde. Im Gegenzug würde er seinen Wählern empfehlen, für Sarkozy zu stimmen; so, wie Mélenchon zur Wahl Hollandes aufrufen wird.
Das könnte Sarkozy im zweiten Wahlgang entscheidende Stimmenprozente bringen. Zusätzlich könnten sich weniger Wähler für Hollande entscheiden, als sie das jetzt in den Umfragen angeben. Denn der Aufstieg Mélenchons bedeutet, daß ein Präsident Hollande nur mit einem wahrscheinlich starken kommunistischen Partner seiner Sozialistischen Partei regieren könnte.
Das könnte manchen Wähler des sozialdemokratischen Flügels der Sozialisten davon abhalten, Hollande im zweiten Wahlgang seine Stimme zu geben. Addiert man einfach die Prozentwerte aller linker Kandidaten für den ersten Wahlgang aus den Umfragen, dann hat die Linke durch den Aufstieg Mélenchons nicht verloren; eher gewonnen. Aber paradoxerweise könnte das im zweiten Durchgang Hollande dennoch schaden.
Das alles macht Sarkozy noch lange nicht zum Favoriten; dieser bleibt eindeutig Hollande. Aber ganz so sicher, wie es Anfang des Jahres aussah, ist Hollandes Sieg jetzt nicht mehr.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie findet man hier. Titelvignette: Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple (1830); Ausschnitt.