23. Februar 2009

Zitat des Tages: Die "Voraussetzungen für eine staatlich kontrollierte Bewußtseinsindustrie". Frank Schirrmacher macht sich Sorgen um den Rundfunk

In Zeiten, da alle Verbände und Parteien sich per Internet manifestieren können, ist ihr Mittun in den öffentlich- rechtlichen Gremien zumindest fragwürdig. Wer ihnen durchgehen lässt, dass sie eine Personalpolitik nach Parteibuch wie in der alten Republik durchziehen, schafft angesichts der Vergesellschaftungstendenzen in der Gesamtgesellschaft und der Krise traditioneller Medien die Voraussetzungen für eine staatlich kontrollierte Bewusstseinsindustrie.

Der Mitherausgeber der FAZ Frank Schirrmacher zu Bestrebungen, den Vertrag von Nikolaus Brender als Chefredakteur des ZDF nicht zu verlängern.


Kommentar: Fragwürdig war das "Mittun" von Parteien und Verbänden (vulgo: ihre Herrschaft über die Rundfunk- Räte) nun freilich schon immer.

Diese Fragwürdigkeit beruht nicht darauf, daß die Parteien und die mit ihnen jeweils verbündeten "gesellschaftlich relevanten Gruppen" (von den Gewerkschaften über die Kirchen bis hin zu - beispielsweise im Rundfunkrat des NDR - dem Landesmusikrat Schleswig- Holstein e. V.) eine Macht okkupieren würden, die ihnen nicht zusteht.

Sondern diese Macht ist ihnen ausdrücklich durch die Rundfunk- Verträge verliehen. Auch wenn die aus den Parlamenten entsandten Vertreter der Parteien in den Rundfunk- Räten nicht die Mehrheit haben, sind sie doch fast durchweg der Kristallationspunkt für die übrigen Mitglieder. Irgendwie muß man ja Mehrheiten bilden, und diese werden in der Regel von den Profis aus der Politik organisiert; mittels ihrer jeweiligen Sympathisanten aus den Verbänden.

Wie stellt sich Frank Schirrmacher denn Rundfunkräte vor, die anders funktionieren? Träumt er von Politikern, die keine Politik machen, sondern die in edler Selbstbescheidung nur über die Freiheit der Journalisten wachen?

Das hat es nie gegeben, und ich sehe nicht, wie es das geben kann. Wenn man die Herrschaft der Parteien über den öffentlich- rechtlichen Rundfunk abschaffen will, dann muß man den öffentlich- rechtlichen Rundfunk abschaffen.



Das allerdings wäre längst fällig. Dafür, daß der Rundfunk heute immer noch diesen Status hat - den man mit ebenso viel oder wenig Berechtigung dem Zeitungswesen oktroyieren könnte -, gibt es nicht mehr die geringste vernünftige Begründung.

Der öffentlich- rechtliche Rundfunk ist ein alter Zopf. Er geht zurück auf das Jahr 1919, als die frisch ins Amt gekommene Reichsregierung sich die Hoheit über den Rundfunk aneignete, um diesen nicht in die Hand von Revolutionären fallen zu lassen. Daß von den Benutzern Gebühren erhoben wurden, war sinnvoll, als 1923 der Sendebetrieb begann. Da gab es am Jahresende genau 467 Teilnehmer im ganzen Reichsgebiet. Daß diese für ihr exklusives Vergnügen zahlen sollten - und nicht der Steuerzahler -, war vernünftig.

Heute gibt es keinen Grund, warum beispielsweise Gottschalk oder Harald Schmidt uns nicht werbefinanziert zum Lachen bringen sollten. Wohl aber gibt es ein massives Argument dagegen, daß sie es öffentlich- rechtlich tun: Dann könnte es keine albernen Vorstöße aus den Rundfunk- Räten heraus mehr geben, wie jüngst den von Therese Wieland, frühere Ordinariatsrätin und jetzt Mitglied des Rundfunkrats des Süddeutschen Rundfunks, gegen "Schmidt & Pocher" und den von Angelika Niebler, Europa- Kandidatin der CSU, gegen Gottschalks "Wetten, daß ...?".



Daß jemand es hinbekommt, dieses Monstergebilde des öffentlich- rechtlichen Rundfunks abzuschaffen oder wenigstens (wofür ich bin) auf aus Steuern finanzierte Bildungs-, Kultur- und Wissenschafts- Programme zu reduzieren; ist freilich unwahrscheinlich. Dafür dient dieses System zu vielen mächtigen Interessen.

Nur: Daß dann, wenn die Mächtigen ein solches Instrument haben, sie es auch nutzen - wer kann ihnen das verdenken? Es ist ihr gutes Recht. Ihr gutes öffentliches Recht, sozusagen.

Mag sein, daß Vorstöße wie jetzt der von Frank Schirrmacher dem Chefredakteur Brender seinen Sessel erhalten. Daran, daß ein von Parteien kontrollierter Rundfunk nun mal ein Parteien- Rundfunk ist, ändert das nichts.



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