Hand aufs Herz: Wie hoch hätten Sie vor einem halben Jahr dagegen gewettet, daß ein Präsident Obama ausgerechnet Hillary Clinton zu seiner Außenministerin machen würde und ausgerechnet Robert Gates zu seinem Verteidigungsminister?
Die Berufung von Robert Gates in dieses Amt wird, so meldet es heute US News and World Report mit Verweis auf zahlreiche Quellen, Anfang kommender Woche bekannt gegeben werden. Die Nominierung von Hillary Clinton steht, so berichtete die New York Times, seit Ende vergangener Woche fest.
Schwer zu sagen, welche der beiden Wahlen von Obama die Erstaunlichere ist: Die der Rivalin, mit der er sich den vermutlich erbittertsten Vorwahlkampf in der neueren Geschichte der USA geliefert hat? Oder die des Verteidigungsministers von George W. Bush?
Ausgerechnet des Mannes, der für die Truppenaufstockung - den Surge - im Irak verantwortlich ist. Der diesen Surge zu einem Zeitpunkt zu verantworten hatte, als Barack Obama zusammen mit vielen seiner Parteifreunde den bedingungslosen Abzug der USA aus dem Irak verlangte. Eines Ministers, der gerade einen Vertrag mit dem Irak ausgehandelt hat, der in krassem Gegensatz zu dem nach wie vor nicht widerrufenen Versprechen Obamas steht, die US-Truppen innerhalb von sechzehn Monaten nach seinem Amtsantritt vollständig aus dem Irak abzuziehen.
Man kann diese Entscheidungen unter das Chamäleonhafte Obamas subsumieren; diese Fähigkeit, die er sein ganzes Leben lang gezeigt hat, sich jeder neuen Lebenslage perfekt anzupassen.
Als im Juni seine Nominierung feststand, verwandelte sich der Erlöser Obama in den nüchternen Sachpolitiker Obama, der freilich linke Positionen vertrat - Abzug aus dem Irak, Treffen mit Ahmadinedschad, Steuererhöhungen für die Reichen. Jetzt, seit er der President Elect ist, scheint schon die nächste Häutung anzustehen: Obama bewegt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit von links aus hinein in die politische Mitte.
Dieser Mann entscheidet ohne Emotionen, ohne Rücksicht auf das, was er zuvor gesagt oder vielleicht auch gedacht hatte; er ändert seine Positionen "ohne eine Spur von Scham", wie es Charles Krauthammer rücksichtslos formuliert hat.
Mutig freilich sind seine Entscheidungen für Gates und für Hillary Clinton. Nicht nur, weil sie viele seiner gutgläubigen Wähler ungläubig gucken lassen dürften. Sondern auch, weil es mit beiden Personen nicht so einfach werden wird. Gehorsame Minister sehen anders aus.
Über die Probleme, die Obama mit seiner Außenministerin Clinton und die diese Außenministerin mit ihrem Amt bekommen könnte, schrieb gestern Shmuel Rosner in Slate:
Der letzte Punkt ist aus meiner Sicht besonders interessant. Anders als in parlamentarischen Systemen wie dem deutschen ist es unter dem amerikanischen Prinzip strikter Gewaltenteilung unüblich, daß jemand zwischen Legislative und Exekutive wechselt.
Schon gar nicht ist es für einen Amerikaner vorstellbar, daß jemand Minister wird und dennoch zugleich Abgeordneter bleibt - also als Mitglied der Legislative sich selbst als Mitglied der Exekutive kontrolliert; daß er sich selbst als Abgeordneter das Geld bewilligt, das er in seiner Eigenschaft als Minister beantragt.
Aber nicht nur eine solche Persönlichkeitsspaltung, sondern allein schon der Wechsel von der einen auf die andere Seite paßt nicht ins amerikanische System. Es handelt sich um sozusagen verschiedene Berufsgruppen mit einem unterschiedlichen Anforderungs- Profil: Als Abgeordneter ist man Politiker. Als Minister ist man das nicht, sondern Civil Servant.
Ich habe das bewußt mit dem etwas altmodischen "Staatsdiener" übersetzt, obwohl man üblicherweise "Beamter" oder "Angehöriger des Öffentlichen Dienstes" sagen würde. Denn nach amerikanischem Verständnis ist der Minister als Civil Servant eben ein Diener und kein Interessenvertreter. Seine Loyalität hat seinem Land zu gelten und nur ihm. Die Tätigkeit für eine Partei ist damit unvereinbar.
Schon das wird es der bisherigen Senatorin Clinton schwer machen, eine gute Außenministerin zu sein, schreibt Rosner, und weist auf die wenigen früheren Außenminister (Byrnes, Muskie) hin, die ebenfalls aus der Parteipolitik kamen. Hinzu kommt ihre geringe außenpolitische Erfahrung, ihre familiäre Bindung an den Geschäftsmann Bill Clinton, kommen die Querschüsse, die gegen sie aus dem Lager Obamas zu erwarten sind.
Warum also hat sich Obama ausgerechnet Clinton ausgesucht? Warum ausgerechnet Gates? Man kann da naturgemäß nur spekulieren.
Seine entstehende Regierung sieht immer mehr aus wie ein "Kabinett der nationalen Einheit". Er will - so scheint es mir - mit der Einbindung Hillary Clintons die Demokratische Partei in ihrer ganzen Breite hinter sich bringen. Er will mit der Übernahme von Bushs Verteidigungsminister seinen Willen zur Kontinuität deutlich machen und die Republikanische Partei, wenigstens in Teilen, hinter sich bringen.
Es würde mich nicht wundern, wenn er auch noch John McCain irgendwie in seine Regierung holen würde; vielleicht als Special Adviser to the President oder dergleichen.
Vielleicht ist das nicht falsch als Vorbereitung auf die Krisenjahre, auf die wir zusteuern. Gut möglich, daß Obama inzwischen zu der Überzeugung gekommen ist, daß er schon dann ein erfolgreicher Präsident gewesen sein wird, wenn es den USA in vier Jahren nicht schlechter geht als gegenwärtig.
Präsident Obama wird, das jedenfalls zeichnet sich schon jetzt ab, kein Neuerer sein, sondern ein Präsident der Kontinuität, vielleicht der Stagnation; der Verteidigung des Bestehenden und nicht des Wandels.
Oder sagen wir es positiv: Er wird zum Glück wenig von dem einhalten, was er im Wahlkampf versprochen hat.
Die Berufung von Robert Gates in dieses Amt wird, so meldet es heute US News and World Report mit Verweis auf zahlreiche Quellen, Anfang kommender Woche bekannt gegeben werden. Die Nominierung von Hillary Clinton steht, so berichtete die New York Times, seit Ende vergangener Woche fest.
Schwer zu sagen, welche der beiden Wahlen von Obama die Erstaunlichere ist: Die der Rivalin, mit der er sich den vermutlich erbittertsten Vorwahlkampf in der neueren Geschichte der USA geliefert hat? Oder die des Verteidigungsministers von George W. Bush?
Ausgerechnet des Mannes, der für die Truppenaufstockung - den Surge - im Irak verantwortlich ist. Der diesen Surge zu einem Zeitpunkt zu verantworten hatte, als Barack Obama zusammen mit vielen seiner Parteifreunde den bedingungslosen Abzug der USA aus dem Irak verlangte. Eines Ministers, der gerade einen Vertrag mit dem Irak ausgehandelt hat, der in krassem Gegensatz zu dem nach wie vor nicht widerrufenen Versprechen Obamas steht, die US-Truppen innerhalb von sechzehn Monaten nach seinem Amtsantritt vollständig aus dem Irak abzuziehen.
Man kann diese Entscheidungen unter das Chamäleonhafte Obamas subsumieren; diese Fähigkeit, die er sein ganzes Leben lang gezeigt hat, sich jeder neuen Lebenslage perfekt anzupassen.
Als im Juni seine Nominierung feststand, verwandelte sich der Erlöser Obama in den nüchternen Sachpolitiker Obama, der freilich linke Positionen vertrat - Abzug aus dem Irak, Treffen mit Ahmadinedschad, Steuererhöhungen für die Reichen. Jetzt, seit er der President Elect ist, scheint schon die nächste Häutung anzustehen: Obama bewegt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit von links aus hinein in die politische Mitte.
Dieser Mann entscheidet ohne Emotionen, ohne Rücksicht auf das, was er zuvor gesagt oder vielleicht auch gedacht hatte; er ändert seine Positionen "ohne eine Spur von Scham", wie es Charles Krauthammer rücksichtslos formuliert hat.
Mutig freilich sind seine Entscheidungen für Gates und für Hillary Clinton. Nicht nur, weil sie viele seiner gutgläubigen Wähler ungläubig gucken lassen dürften. Sondern auch, weil es mit beiden Personen nicht so einfach werden wird. Gehorsame Minister sehen anders aus.
Über die Probleme, die Obama mit seiner Außenministerin Clinton und die diese Außenministerin mit ihrem Amt bekommen könnte, schrieb gestern Shmuel Rosner in Slate:
Only a true believer can envision Obama and Clinton making a good team. You have to believe in Obama's ability to control Clinton's independence, believe in Clinton's capacity to execute someone else's policies, believe in the ability of these two rivals to suddenly become close, believe that knowledge and experience are not crucial for the job, believe that the complicated Clinton family drama will not be a problem, believe that policy differences can always be bridged, and believe that it's possible to be both an ambitious politician and an honest-to-God civil servant.Rosner erläutert in dem lesenswerten Artikel diese Punkte im Detail und stellt sie in ihren historischen Kontext.
Nur ein wahrhaft Gläubiger kann sich vorstellen, daß Obama und Clinton ein gutes Team abgeben. Man muß an Obamas Fähigkeit glauben, Clintons Drang zur Unabhängigkeit zu kontrollieren, an Clintons Bereitschaft glauben, die Politik eines anderen auszuführen, an die Fähigkeit dieser beiden Rivalen glauben, plötzlich eng zusammenzuarbeiten, glauben, daß Wissen und Erfahrung für das Amt nicht kritisch sind, glauben, daß das komplizierte Familiendrama der Clintons kein Problem sein wird, glauben, daß politische Gegensätze immer überwunden werden können, und glauben, daß man zugleich eine ambitionierte Politikerin und eine vor Gott pflichtgetreue Staatsdienerin sein kann.
Der letzte Punkt ist aus meiner Sicht besonders interessant. Anders als in parlamentarischen Systemen wie dem deutschen ist es unter dem amerikanischen Prinzip strikter Gewaltenteilung unüblich, daß jemand zwischen Legislative und Exekutive wechselt.
Schon gar nicht ist es für einen Amerikaner vorstellbar, daß jemand Minister wird und dennoch zugleich Abgeordneter bleibt - also als Mitglied der Legislative sich selbst als Mitglied der Exekutive kontrolliert; daß er sich selbst als Abgeordneter das Geld bewilligt, das er in seiner Eigenschaft als Minister beantragt.
Aber nicht nur eine solche Persönlichkeitsspaltung, sondern allein schon der Wechsel von der einen auf die andere Seite paßt nicht ins amerikanische System. Es handelt sich um sozusagen verschiedene Berufsgruppen mit einem unterschiedlichen Anforderungs- Profil: Als Abgeordneter ist man Politiker. Als Minister ist man das nicht, sondern Civil Servant.
Ich habe das bewußt mit dem etwas altmodischen "Staatsdiener" übersetzt, obwohl man üblicherweise "Beamter" oder "Angehöriger des Öffentlichen Dienstes" sagen würde. Denn nach amerikanischem Verständnis ist der Minister als Civil Servant eben ein Diener und kein Interessenvertreter. Seine Loyalität hat seinem Land zu gelten und nur ihm. Die Tätigkeit für eine Partei ist damit unvereinbar.
Schon das wird es der bisherigen Senatorin Clinton schwer machen, eine gute Außenministerin zu sein, schreibt Rosner, und weist auf die wenigen früheren Außenminister (Byrnes, Muskie) hin, die ebenfalls aus der Parteipolitik kamen. Hinzu kommt ihre geringe außenpolitische Erfahrung, ihre familiäre Bindung an den Geschäftsmann Bill Clinton, kommen die Querschüsse, die gegen sie aus dem Lager Obamas zu erwarten sind.
Warum also hat sich Obama ausgerechnet Clinton ausgesucht? Warum ausgerechnet Gates? Man kann da naturgemäß nur spekulieren.
Seine entstehende Regierung sieht immer mehr aus wie ein "Kabinett der nationalen Einheit". Er will - so scheint es mir - mit der Einbindung Hillary Clintons die Demokratische Partei in ihrer ganzen Breite hinter sich bringen. Er will mit der Übernahme von Bushs Verteidigungsminister seinen Willen zur Kontinuität deutlich machen und die Republikanische Partei, wenigstens in Teilen, hinter sich bringen.
Es würde mich nicht wundern, wenn er auch noch John McCain irgendwie in seine Regierung holen würde; vielleicht als Special Adviser to the President oder dergleichen.
Vielleicht ist das nicht falsch als Vorbereitung auf die Krisenjahre, auf die wir zusteuern. Gut möglich, daß Obama inzwischen zu der Überzeugung gekommen ist, daß er schon dann ein erfolgreicher Präsident gewesen sein wird, wenn es den USA in vier Jahren nicht schlechter geht als gegenwärtig.
Präsident Obama wird, das jedenfalls zeichnet sich schon jetzt ab, kein Neuerer sein, sondern ein Präsident der Kontinuität, vielleicht der Stagnation; der Verteidigung des Bestehenden und nicht des Wandels.
Oder sagen wir es positiv: Er wird zum Glück wenig von dem einhalten, was er im Wahlkampf versprochen hat.
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