Ne serait-ce pas un spectacle capable d’alarmer les esprits faibles et d’éveiller l’attention du clergé que de voir apparaître, sur le disque même de notre satellite, sur la face épanouie de la Lune, cette merveilleuse pointe-sèche que nous avons tous admirée sur les boulevards et qui a pour exergue : À l’Hirsute? (Villiers de l'Isle-Adam, 1873)
Wäre es nicht ein Schauspiel, das so recht geeignet wäre, empfindsame Seelen aufzuregen und den Klerus zu empören, wenn auf unserem himmlischen Begleiter, auf der hellen Mondscheibe, jener wunderbare Lockenbrenner erscheinen würde, dessen Bild wir alle auf unseren Boulevards bewundert haben und der von dem Schriftzug "Für prächtige Mähnen!" umrahmt ist?
Heinlein und Clarke mögen die bekanntesten Vorschläge unterbreitet haben, den Begleiter der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne in eine kugelförmige Litfaßsäule (Litfaß-Kugel?) umzuwidmen - sie waren aber nicht die ersten und sind auch nicht die letzten geblieben. Das Besondere ihrer "bescheidenen Vorschläge" liegt darin, daß hier Luna höchstselbst als Träger der Werbebotschaft dienen sollte, um die nächtlichen Betrachter zum Konsum einer nicht unbekannten Getränkemarke anzuregen. Ein gleicher Fall liegt in Isaac Asimovs Kurzgeschichte "Buy Jupiter!" (zuerst erschienen in Venture Science Fiction im Mai 1958), in dem außerirdische Wesen die aus reiner Energie bestehen, den Erdlingen die Nutzungsrechte für den größten Planeten des Sonnensystems abkaufen - um ihn ebenfalls mit einer Werbebotschaft zu versehen. Asimovs Pointe liegt darin, daß der Unterhändler der Vereinten Nationen den im Geschäft offenkundig nicht sehr versierten Aliens nur die Lizenz für den Jupiter abgetreten hat: die nachfolgende Konkurrenz erhält mit dem Ringplaneten Saturn einen wesentlich markanteren Blickfang.
Die vor und nach Asimov, Heinlein und Clarke (zufälligerweise die drei "großen Namen" des "klassischen Zeitalters der SF" zwischen 1939 und 1960) in Vorschlag gebrachten Methoden setzten hingegen darauf, nicht eine schriftliche Botschaft auf der Erdtrabanten selbst zu hinterlassen, sondern sie auf die Oberfläche zu projizieren - mittels megalomanisch anmutender Laserstrahlen oder - vor der Erfindung des Lasers 1960 - durch Licht, das durch Parabolspiegel gebündelt sein sollte. Der bislang einzig konkrete Ansatz für die Kalkulation der tatsächlichen Realisierbarkeit eines solchen Vorhabens stammt aus dem Jahr 1999. Er kam von Steve Koonin, der, bevor er zu Turner Enterprises wechselte, zu dieser Zeit Leiter der Marketing-Abteilung von, man ahnt es, Coca Cola war und, wohl durch Heinleins und Clarkes Erzählungen angeregt, eine Studie in Auftrag gab, ob es möglich wäre, das Firmenlogo tatsächlich sichtbar auf die Vollmond zu projizieren, um den Anbruch des 21. Jahrhunderts angemessen zu begehen. Die Antwort des Rechenüberschlags der Studie lautete, ganz im Sinne von Radio Eriwan: Im Prinzip ja, ABER... Die dazu nötigen gigantischen Laserbatterien müßten derart energiereiche Strahlenbündelerzeugen, daß ein versehentlich durch den Strahlengang fliegendes Flugzeug verdampft worden wäre. (Endlich ein handfestes Beispiel für die in der Science Fiction einstmals so beliebten Disintegrator-Strahlenkanonen!) Ein Antrag auf Zulassung bei der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA, der Federal Aviation Administration war damit illusorisch.
2008 lancierte dann die Brauerei Rolling Rock eine Werbekampagne, in der sie ankündigte ihr Firmenlogo in giftgrün auf den Vollmond zu projizieren, der am 21. März 2008 - also genau zu Frühlingsbeginn - stattfand. Trotz der geschalteten Anzeigen - und der längst vom Netz genommenen Webseite moonvertising.com - handelte es sich dabei nur um einen Scherz, eine Münchhausiade (der Freiherr im 18. Jahrhundert bediente sich bei seiner Visite auf der
Lewohnebekanntlich einer schneewüchsigen Bohnenranke, als er seine silberne Axt zurückholte, die er etwas zu übermütig in die Höhe geworfen hatte). In der New York Times hieß es aus Anlaß vor 13 Jahren:
"According to Jim Garvin, the chief scientist at NASA’s Goddard Space Flight Center, moonvertising is possible, if impractical for a number of reasons. While scientists have bounced lasers off the moon, they illuminated an area only about the size of a tennis court. “In order for an advertisement to be seen by people on earth,” Garvin says, “the laser light would need to cover an area about half the land size of Africa,” a challenge because the moon’s surface is dark and fairly nonreflective."
"Mondreklame" ist also in der Theorie möglich; der praktischen Umsetzung stehen aber recht handfeste Umstände im Weg. Bei den LLR-Messungen (das Kürzel steht für "Laser Lunar Ranging"), die auch heute noch jährlich stattfinden, erhellen die scharf gebündelten Laserstrahlen eine Fläche von gut 20 mal 10 Metern - was etwa der Größe eines Tennisplatzes entspricht. Die dunkle Lava der Mondmeere wird dabei nicht einmal meßbar erhellt: Ziel sind die hier die Tripelprismen, die auf den drei Retroreflektoren montiert sind, die von den Astronauten der Missionen Apollo 11, 14 und 15 aufgestellt wurden. Das Ergebnis dieser Messungen hat den Wert genau bestimmt, um den die Entfernung Erde - Mond infolge der Gezeitenreibung jährlich wächst: der Mond weicht demzufolge jedes Jahr um 3,8 Zentimeter von uns fort. Eine Fläche, die der halben Landfläche ganz Afrikas entspricht, so stark zu beleuchten, daß es irdischen Betrachtern ins "unbewaffnete" Auge springt, dürfte auch der enthusiastischsten Werbeagentur als wenig zielführender Ressourceneinsatz erscheinen.
Am 7. Juni 2012 wußte France24, der französische Auslands-TV-Kanal (das Pendant zur "Deutschen Welle") zu berichten, daß Tausende Iraner auf ein im Internet verbreitetes Gerücht hereingefallen wären, nachdem Coca Colas ewiger Konkurrent Pepsi den Vollmond am Mittwoch, den 5. Juni dazu nutzen wollte, das eigene Firmenlogo auf die Mondscheibe zu projizieren: "La Lune aux couleurs de Pepsi... un canular qui a piégé des milliers d’Iraniens." Der Bericht erwähnt auch, daß 33 Jahre vorher, nach der Rückkehr des Ayatollah Kohmeini in den Iran, es schon einmal ein solches Gerücht zahllose (Leicht-)Gläubige gefoppt habe, demzufolge Khomeinis Gesicht auf der Mondscheibe erscheinen würde. https://observers.france24.com/fr/20120607-iran-lune-teheran-canular-pepsi-cola-projection-rayon-rumeur-internet
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Um in die Zeit vor Clarke, Heinlein und Asimov zurückzublenden: in diesen Erzählungen spielt die Umsetzung eher eine scherzhafte Rolle; die technischen Aspekte bleiben außen vor; auch bei Clarke dient die Idee zu einer Pointe. Ganz anders bei der Erzählung, die George Allen England im August 1906 in der US-amerikanischen Monatszeitschrift "The Gray Goose" unter den Titel "The Lunar Advertising Co., Ltd" veröffentlichte. (Der Nachdruck in England, der im April 1907 in "Pearson's Magazine" erfolgte, trug den Titel: "A Message from the Moon: The Story of a Great Coup"). Hier steht die fiktionale Umsetzung eines solchen Projekt im Zentrum, mit dem Augenmerk auf technische Details und einer ins Gigantische übersteigerten Technik der damaligen Zeit, wie sie schon die Romane Jules Verne prägten und bei uns ihren Höhepunkt in Bernhard Kellermanns Schildrung eines transatlantischen Tunnels im Roman "Der Tunnel" von 1913 erreichte. (Man könnte einwenden, daß Alfred Döblins "Berge, Meere und Giganten" statt dessen der unüberbietbare Gipfel dieses Untergenres darstellt. Aber Döblins in grellster expressionistischer Manier überdrehte Abschmelzung Grönlands liest sich wie ein Fieberdelir, wie Hans Dominik auf Speed, wie ein futuristischer Wörtertsunami. Kurzum: wie eine Parodie dieeser Art von Büchern.)
(George Allen England)
England, der von 1877 bis 1936 lebte, ist heute einer der völlig vergessenen Vertreter der amerikanischen Unterhaltungsliteratur in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhundert. Die meisten seiner fast 350 Erzählungen und die guten zwei Dutzend der Romane, die er publiziert hat, hat die Enzensberger'sche "Furie des Verschwindens" gnadenlos ereilt. Daß sein Name heute schemenhaft noch Kennern der Frühzeit des Genres, das man heute Science Fiction nennt, bekannt vorkommt, liegt einzig daran, daß ein gutes Dutzend seiner Kurztexte und fünf oder sechs dieser Romane auf dieses Genre entfallen - so vor alllen die drei Romane, die die "Darkness and Dawn"-Trilogie ausmachen: "Darkness and Dawn," "Beyoond the Great Oblivion" und "The Afterglow," die nach Vorabdrucken im Wochenmagazin "The Cavalier" ab 1912 in einem Band 1914 im Verlag Small, Maynard & Co. in Buchform erschienen. Darin beschreibt er die Abenteuer eines Paares seiner Gegenwart, das beim Erkunden eines Höhlensystems durch ein narkotisches Gas in jahrtausendelangen Tiefschlaf versetzt wird und sich nach dem Erwachen in einer verlassenen Welt wiederfinden, in der die letzten Relikte der Menschheit als vertierte Bestien - nicht unähnlich den Morlocks in H. G. Wells' "Zeitmaschine" umherstreifen. Die Helden fliehen aus dem Dschungel der Ruinen New Yorks, finden letzte Überlebende der weißen Rasse, die ebenfalls auf das Niveau von Höhlenbewohnern herabgesunken, vor den Nachstellungen der Unholde haben retten können (England läßt offen, ob es sich dabei um Nachkommen voon Schwarzen oder amerikanischen Ureinwohnern handelt oder um eine Spezies, die sich im Lauf der Jahrtausende selbständig entwickelt hat), und beginnen den Neuaufbau der Zivilisation. Robert W. Lowndes, der Mitte der 1960er Jahre einen Nachdruck in fünf Bänden für den Verlag Avalon besorgte, hat diesen Reprint um die ärgsten rassistischen Passagen des Originals bereinigt.
Die meisten Texte Englands fallen in die üblichen Metiers der Unterhaltungsliteratur jener Zeit: Abenteuer in fernen Ländern, Liebesgeschichten ("Wooed by Wireless," 1908), Detektiverzählungen. "The Lunar Advertising Co., Ltd" trägt dem insofern ebenfalls Rechnung, weil hier nicht die Erkundung neuer, ferner Welten - etwa ein Flug zum Mond - im Zentrum steht, sondern die Entwicklung und der Bau einer Anlage, mit der die im Titel genannte Firma gewaltige Einnahmen aus der verkauften Werbezeit generieren möchte. Das Kapital zur Errichtung ihrer Installation gewinnen sie aus dem Vorverkauf von Anrechten. Das Licht von 12.500 Bogenlampen durch durch einen Parabolspiegel mit einem Durchmesser von 130 Metern auf die Oberfläche des Mondes fokussiert; der Preis für eine Anzeige, die drei Stunden lang sichtbar ist, beträgt zwei Millionen Dollar. Da England dem Umstand, daß die Errichtung eines solchen Komplexes einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte, Rechnung trägt, und seine Erzählung der damaligen Gegenwart zwei Jahrzehnte vorgreift und im Jahr 1928 angesiedelt ist, läßt sich ausrechnen, daß diese zwei Millionen einer heutigen Kaufkraft von gut 30,5 Millionen Dollar entsprechen.
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Aber erfunden hat England die Idee, den Himmel als Werbefläche zu benutzen, nicht. Diese Ehre (wenn es denn eine ist) kommt Villiers de l'Isle-Adam (1838-1889) zu, einer jener seltsamen literarischen Erben Edgar Allen Poes im französisischen Sprachbereich, zu denen auch Jules Verne (in Maßen) zu zählen ist und für deren Schaffen die Übersetzungen Charles Baudelaires eine ebensolche Offenbarung waren, wie es eine Generation später für die Surrealisten "im Wartestand" die Entdeckung der Pittura metafisica Giorgio de Chiricos darstellte. Von Villiers ist heute vielleicht noch die Schilderung eines weiblichen Roboters, der "Eva der Zukunft" (L'Eve future, 1886) bekannt; der berühmte Satz aus seinem der Décadence zuzurechnenden Drama "Axël" (1890) - "Vivre? Les serviteurs feront cela pour nous" - gehörte zu seiner Zeit zu den gängigen Zitaten: Leben? Das erledigt das Personal für uns. In seinem kleinen, frühen Text "La Découverte de M. Grave" (wie nennt man so etwas: Kurzgeschichte? Essay? Humoreske?), am 30. November 1873 in der Zeitschrift "La Renaissance" erschienen und zehn Jahre später als fünftes Stück im Sammelband "Contes cruels" unter dem Titel "L'Affichage c'éleste" neu veröffentlicht, unterbreitet er als erster den Vorschlag, den gestirnten Himmel über uns (der nach Kant "das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt") zu Werbezwecken zu nutzen.
Genaugenommen greift Villiers nicht ins Kosmische aus. Es wirkt für den Betrachter nur so. Seine Projektionen sind ebenso Teil der atmosphärischen Phanomene wie die "künstlichen Sterne," mit denen beim neuen astronomischen Observatorien mit ihren computergesteuerten Segmentspiegeln Moluküle in der obersten Schichten der Stratosphäre zum Leuchten angeregt werden, deren Hin- und Herspringen dann anzeigt, wie sehr die Luftbewegungen der darunterliegenden Schichten das punktfömige, unbewegliche Sternenlicht verzerrt und der Fokus deshalb mehrere hundert Mal pro Sekunde korrigiert werden kann. (Hier zeigt sich übrigens eine hübsche Umkehrung zu der Auffassung, die als erster Aristoteles für die Deutung eines nun genuin kosmischen Phänomen vertreten hat: nach seiner Ansicht waren Kometen Erscheinungen der oberen Erdatmosphäre; da jenseits der Lufthülle des Bereich des Unveränderbaren, Unwandelbaren begann.)
Villiers Idee ist in den nächsten zehn Jahren von einigen seiner Landsleute aufgegriffen worden, so etwa von Felicien Champsaur (1858-1934), Journalist, Dramatiker und literarisches Enfant terrible. In seinem ersten Roman "Dinah Samuel" (1882 bei Ollendorff in Paris erschienen), einem Roman à clef, weil hinter den Figuren des Buchs klar erkennbar Artur Rimbaud und Sarah Bernhardt durchscheinen, wendet sich der Protagonist Patrice Montclair am Ende des Erwerbsleben zu und eben der Werbebranche mit ihrer Künstlichkeit und dem schnellen Gewinn, nachdem der die Künstlichkeit der von ihn angebeteten Schauspielerin, eben jener Dinah Samuel, durchschaut hat. Sein Projekt, " d'exploiter le ciel pour la réclame," den Himmel zu Werbezwecken zu nutzen, führt der Autor in der erweiterten Neuausgabe von 1905 genauer aus.
"Nous avions déjà les annonces lumineuses sur les trottoirs. Vous connaissez, d'autre part, les phénomènes de mirage dans le désert ; on aperçoit des oasis là où ils n'existent pas réellement ; par suite de déviation de rayons lumineux... Un savant a étudié ce fait naturel ; il est parvenu à se rendre maître de la lumière, comme on l'était, déjà, de la vapeur, de l'électricité, du son et de l'air... À quoi servaient les étoiles ? ... Il était temps d'exploiter le ciel pour la réclame... C'était un emplacement perdu."
"Wir haben bereits beleuchtete Reklametafeln, die an den Bürgersteigen stehen. Sie kennen außerdem das Phänomen der Fata Morgana in der Wüste: man erblickt eine Oase, wo sich in Wirklichkeit keine befindet, aufgrund der Brechung er Lichtstrahlen ... Ein Gelhrter hat diese Naturerscheinung untersucht; es ist ihm gelungen, sich zum Herrn und Meister des Lichts zu machen, so wie wir bereits jetzt den Dampf, den elektrischen Strom und die Luft beherrschen ... Zu welchem Zweck dienen die Sterne? ... Es wird Zeit, daß wir den Himmel für Werbung verwenden ... Bislang ist das verschwendeter Platz."
Eine mondförmige, aber handfest auf der Erde verwurzelte optische Präsentationsfläche findet sich in Albert Robidas Schilderung der Verhältnisse des Jahres 1950, "Le Vingtième siècle," im gleichen Jahr, 1883, bei Decaux erschienen, und zu gleichen Teilen Prosatext wie opulente Bebilderung der Gittertragkonstruktionen, um die Ballons und seltsam an mechanische Fledermäuse erinnernde Aeroplane kreisen. Die Laufbahn von Robidas Protagonistin Hélène Colobrys gibt ihm Gelegenheit, die diversen Metiers des Alltags und des Arbeitslebens zu im zuknftigen Paris zu schildern. Die Redaktion des Journals "L'Époque", an den Champs-Elysées gelegen verfügt über eine leicht überdimensioniert anmutende Telekommunikationsaustattung:
(Robida, Le Vingtième siècle," 1883)
"Sur chaque côté du bâtiment principal s'élevait une haute et légère construction qui servait simplement de support à un immense cercle de cristal de vingt-cinq mètres de diamètre, dressé sur une arcature de métal. Ces plaques avaient l'apparence de deux lunes, surtout lorsque, le soir venu, une étincelle électrique les faisait apparaître lumineuses sur le fond obscur du ciel. La lune de gauche était réservée à la publicité - un employé calligraphe dessinait l'annonce sur une simple feuille de papier, et, par le moyen d'un ingénieux appareil électrique, cette annonce se reproduisait aussitôt sur la plaque de cristal en caractères gigantesques.
"Le cercle de droite était un téléphonoscope colossal en communication avec tous les correspondants du journal, aussi bien à Paris même qu'au cœur de l'Océanie."
"Zu beiden Seiten des Hauptgebäudes erhob sich ein hohes, schlankes Gerüst, das nur als Stütze für einen immensen Kristallkreis mit einem Durchmesser von 25 Metern diente, der auf einer Fassung aus Metall ruhte. Diese beiden Scheiben sahen aus wie zwei Monde, vor allem, wenn sich abends die elektrischen Funken, die darüber huschten, vor dem dunklen Himmelshintergrund leuchtend abhoben. Der linke Mond diente zu Werbezwecken - ein angestellter Zeichner zeichnete den Entwurf auf ein Blatt Papier und vermittels eines ausgeklügelten elektrischen Mechanismus erschien die Anzeige unmittelbar darauf in riesigen Buchstaben auf der Kristallscheibe.
"Der rechte Kreis war ein immenses Telephonoskop, der die Verbindung mit allen Korrespondenten des Blattes aufrechterhielt - sowohl in Paris wie auch im Herzen des Pazifiks."
(Ernest d'Hervilly)
Wir bleiben im Jahr 1883. In einem dritten Pariser Verlag, nämlich Marpon-Flammarion, erschien ebenfalls in diesem Jahr der Erzählband "Timbale d'histoires à la parisienne" von Ernest Marie d'Hervilly (1839-1911), auch er ein heute verschollener literarisches Hans Damps in allen Gassen, i seinem Fall aus dem Weichbild der Parnassiens. Der Held der Novelle "Josuah Electricmann," eine grelle Karikatur Thomas Alva Edisons, ist ein fanatischer Parteigänger der neuesten technologischen Innovationen, und sein Entschluß, auf Brautschau zu gehen, trägt dem Rechnung. Die winzigen Zeitungsanzeigen beleidigen seinen Sinn für effektive Kommunikation, und so beschließt er, sein Gesuch durch Mond und Gestirne verbreiten zu lassen: "petites annonces qui sont diffusées dans la lune et dans les étoiles."
La lune ouvrit des yeux !
Elle en ouvrit de plus étonnés encore quand, pendant trois nuits, elle aperçut, dans le ciel, des annonces gigantesques, visibles de tous les points de l'univers, annonces projetées au moyen de pinceaux d'une intense lumière galvanique colorée, inventée par Electricmann.
Ces annonces demandaient une femme pour le fameux inventeur des États-Unis, et se terminaient, uniformément, par cet avis : Pas de dos ronds !
La femme demandée a été trouvée et épousée avant-hier. En trois heures, ç'a été une affaire bâclée.
Der Mond öffnete die Augen!
Er öffnete sie noch erstaunter, als er drei Nächte hintereinander riesige Botschaften am Himmel erblickte, die von jedem Ort im Universum aus zu lesen waren; Botschaften, die Pinseln aus hellen, buntgefärbten galvanischen Licht, das Electricmann erfunden hatte, projiziert wurden.
Die Annoncen forderten eine Ehefrau für den berühmten amerikanischen Erfinder, und alle endete sie mit der gleichen Botschaft: Keine Buckligen!
Die gesuchte Frau fand sich; die Heirat fand vorgestern statt. Nach drei Stunden war die Sache abgemacht.
(Man sehe mir die unstatthafte Genderei des Erdtrabanten nach: der grammatisch männliche Mond der germanischen Sprachen läßt sich seinem in den romanischen Idiomen weiblichen Pendant nur über verkrampfte Neologismen wie "die Mondin" angleichen, was zwar der Duden-Redaktion zupaß kommen würde, die in ihrer neuesten Malträtierung der deutschen Sprache jetzt auch "die Menschin" und "die Gästin" erlaubt, aber die Übersetzin dieser Textin sieht darin eine Affrontin.)
Ob es ein reiner Zufall ist, daß die Buchveröffentlichung aller dreier der französischen Texte in das Jahr 1883 fällt, oder ob hier Viliers' Einfall ein Echo gefunden hat, wird für immer ein ungelöstes Rätsel bleiben - freilich eines, das so banal ist wie die Botschaften, mit denen in ihnen das Firmament verunstaltet wird.
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Auguste Villiers de l'Isle-Adam, "Himmlische Reklame" (1873/1883)
"Eritis sicut deus." - Altes Testament
Es geht hier um eine sonderbare Angelegenheit, eine Sache, die aber geeignet ist, jedem Unternehmer ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Damit wir uns nicht mißverstehen: es geht um den Himmel, aber in ernstgemeinter, wirtschaftlicher Hinsicht.
Gewisse historische Ereignisse, die heute nachgewiesen und durch die Wissenschaft erklärt worden sind, wie etwa das Labarum, das Reichsbanner Kaiser Konstantins, Kreuze, die von Schneefeldern an der Wolkendecke gespiegelt werden, das Brockengespenst, das durch Lichtbrechungen entsteht und Luftspiegelungen in den Polarregionen, haben einen ingeniösen Erfinder aus dem Süden unseres Landes, M. Grave, seit langem faziniert und dazu angeregt, sich schon seit vielen Jahren mit dem Plan zu befassen, die Weiten des Nachthimmels zu nutzen und so, kurz gesagt, den Himmel zu modernisieren.
Einmal ganz nüchtern betrachtet: wozu dienen diese unnützen Weiten, die nur dazu taugen, um die Phantasie einiger altmodischer Tagträumer anzuregen? Hätte jemand, der diese nutzlosen Räume zur Belehrung und Unterhaltung zu nützen wüßte, nicht den Anspruch auf den Dank der Öffentlichkeit, und, seien wir ganz ehrlich, auf die Bewunderung der Nachwelt, wenn es ihm gelänge, damit einen Profit zu erzielen?
Es geht hier nicht um Gefühligkeit. Geschäft ist Geschäft. Es ist an der Zeit, daß sich ernsthafte Geschäftsleute mit den Verdienstmöglichkeiten neuen Idee, von der hier die Rede ist, fassen und sie fortentwickeln.
Auf den ersten Blick scheint das gesamte Vorhaben unmöglich und eine Ausgeburt des Wahnsinns zu sein. Der Himmel zu bestellen, die Sterne einzuspannen, die Dämmerung auszubeuten, den Abend nutzbar zu machen, das Firmament, das bis heute nichts Nützliches hervorbringt: was für ein Traum! Was für ein Plan, voller unüberwindicher Schwierigkeiten! Aber gibt es irgendeine Aufgabe, an der der Mensch, der sich dem Geist des Fortschritts verschreibt, scheitert?
Berauscht von seinem Plan und fest davon überzeugt, daß, wenn es Franklin, Benjamin Franklin, dem Buchdrucker, gelungen war, dem Himmel den Blitz zu entreißen, es für ihn ein Leichtes sein sollte, den Himmel zum Nutzen der Menschheit zu verwenden, widmete sich M Grave seiner Aufgabe, reiste, verglich, investierte, experimentierte. Am Ende verbesserte er die gewaltigen Spiegelteleskope, die die Ingenieure in den Vereinigten Staaten konstruiert haben - insbesondere die Instrumente in Philadelphia und Quebec (die seitdem, weil sie der Unterstützung durch ein solches Genie ermangelten, von der Fachwelt für Bluff und Schwindel erachtet werden). Und jetzt schickt sich M. Grave, nachdem er die nötigen Patente beantragt hat, an, unseren großen Industriebranchen - und selbst Einzelhändlern - ohne weiteren Aufschub eine unübertroffene Werbemethode zur Verfügung zu stellen.
Vor dem Verfahren dieses großen Erfinders verblaßt jede Konkurrenz. Man stelle sich zum Beispiel unsere großen Handelsmetropolen vor, mit ihren wogenden Volksmassen - Bordeaux, Lyon, und so weiter - wenn der Abend anbricht. Man vergegenwärtige sich den Verkehr, das Leben, die Bewegung - die sich samt und sonders nur dem Geschäftsleben und den Geldströmen verdanken. Unverhofft steigen die Strahlen von Bogenlampen oder Glühlampen, hunderttausendfach durch Spiegel verstärkt, von der Spitze eines blumenbestandenen Hügels, dem Ausflugsziel der verliebten Pärchen - etwa unserem geliebten Montmartre - empor. Diese hellen Strahlen, die von gewaltigen Spiegeln in verschiedenen Farben erzeugt werden, erzeugen unverhofft in der Tiefe des Nachthimmels zwischen Aldebaran, dem Auge des Sternbilds des Stiers und Sirius - oder sogar im Sternhaufen der Plejaden - das Bild eines anmutigen Jünglings, der ein Spruchband in den Händen hält, auf dem wir jede Nacht mit Begeisterung die schönen Worte lesen können: "Bei Mißgefallen Geld zurück!" Kann man sich die erstaunten Gesichter der Menge vorstellen, und die anschließende Aufregung und den Beifall? Nach dem ersten - sehr verständlichen - Schreck - werden sich alte Feinde in den Armen liegen, auch der bitterste Ehestreit wird vergessen sein; man wird unter den Laubengängen Platz nehmen, um dieses großartige und instruktive Schauspiel besser geneißen zu können, und der Name M. Grave wird, von Wind des Ruhms beflügelt, in die Unsterblichkeit emporgetragen.
Auch ohne großes Nachdenken sollten einem sofort die Folgen dieser brillianten Erfndung klar werden. Es sollte selbst den Großen Bären erstaunen, wenn zwischen seinen himmlischen Pfoten diese beunruhigende Botschaft erschiene: "Sollten Sie ein Korsett tragen? Ja oder nein?" Oder, noch besser: wäre es nicht ein Schauspiel, das so recht geeignet wäre, empfindsame Seelen aufzuregen und den Klerus zu empören, wenn auf unserem himmlischen Begleiter, auf der hellen Mondscheibe, jener wunderbare Lockenbrenner erscheinen würde, dessen Bild wir alle auf unseren Boulevards bewundert haben und das von dem Schriftzug "Für prächtige Mähnen!" umrahmt ist? Wäre es nicht ein glänzender Einfall, wenn über den Sternen, die im Sternbild der Bildhauerwerkstatt ein V bilden, zu lesen stünde: "Venus - Reproduktion Fa. Kaulla!" - Und wie passend, wenn einer jener Liköre, die uns zur Anregung der Verdauung empfohlen werden, damit beworben würde, daß gleich unter Regulus, dem Hauptstern im Sternbild Löwe, über der Ähre, die die Jungfrau in der Hand hält, ein Engel ein Fläschchen in der Hand hielte, mit einem Spruchband, das seinem Mund entquillte, auf dem die Worte: "Gott, wie gut tut das!" zu lesen sind...
Kurz gesagt: man versteht, daß wir es hier mit einer noch nie dagewesenen Werbemethode zu tun haben, die ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Sogar die Regierung könnte sich ihrer, zum ersten Mal überhaupt, bedienen.
Es erübrigt sich, auf die Nutzanwendungen hinzuweisen, die diese Erfindung für die Gesellschaft im Zeichen des Fortschritts bietet. Es läßt sich vorstellen, daß dies etwa mit der Photographie oder der Magischen Laterne kombiniert wird - und so ein Bild in hunderttausendfacher Vergrößerung projiziert werden kann, um bei der Fahndung nach Betrügern oder anderen Verbrechern eingesetzt zu werden. - Die Gesuchten, die dann leicht erkennbar wären (wie es im Chanson heißt), könnten nicht mehr aus dem Fenster der Kutsche, in der sie fliehen, blicken, ohne ihr Antlitz zu sehen, daß sie aus den Wolken heraus anklagte.
Und was die Politik betrifft: nehmen wir nur etwa die Wahlen! Welch ein Fortschritt! Welch eine unglaubliche Vereinfachung des bislang so aufwendigen, teuren Wahlkampfs! Vergessen wir die gelben, blauen oder in drei Farben gedruckten Wahlplakate, die unsere Mauern verunstalten und auf denen immer nur deselbe Name zu lesen ist, so lästig wie ein hartnäckiges Ohrensausen! Weg mit den teuren Photographien, die die Dargestellten noch nur entstellen und ihren Zweck verfehlen, weil sie die Würde der Gesichter der Kandidaten und ihre Erscheinung nur unzureichend zum Ausdruck bringen. Denn in der Politik kommt es nicht auf den wahren Wert eines Mannes an - der vielmehr gefährlich, schädlich, und völlig unwichtig ist - sondern nur darauf, daß er auf seine Wähler amtswürdig wirkt.
Angenommen, bei den letzten Wahlen wären die Konterfeis der Herren B... und A... allabendlich in all ihrer natürlichen Pracht unterhalb des Sterns β im Sternbild der Leier erschienen. Es wäre, darüber dürfte Einigkeit herrschen, ihr angestammter Platz gewesen, da diese Staatsmänner, ihrem Ruf zufolge, schon oft den Pegasus geritten haben. Beide wären sie dort vor dem Wahlabend zu bewundern gewesen, beide mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, beide mit ernsthaft gefurchter Stirn und trotz dallem zuversichtlichen Ausdruck. Mit Hilfe des Verfahrens der Magischen Laternen wäre es sogar möglich, mit einer winzigen Drehung eines Stellrades, den Gesichtsausdruck in Sekundenschnelle zu ändern. Man könnte sie lächelnd in die Zukunft blicken lassen, Tränen über unser Unglück vergießen, den Mund auftun, die Stirn runzeln, die Nasenflügel im Zorn beben und sie würdig dreinblicken lassen - kurz: all das, was einen Auftritt auf einer Rednerbühne ausmacht und den Gedanken eines großen Redners Ausdruck verleiht. Jeder Wähler hätte seine Entscheidung treffen können, hätte sich im Voraus ein Bild von seinem Kandidaten machen können und nicht, wie es im Sprichwort heißt, die Katze im Sack gekauft. Man kann sogar behaupten, daß ohne die Erfindung von M. Grave das allgemeine Wahlrecht nur eine Verhöhnung des Wählers darstellt.
Warten wir also darauf, daß M. Grave demnächst eines frühen Morgens - oder besser noch: spätabends - von einer fortschrittlichen Regierung unterstützt, mit seinen wichtigen Experimenten beginnt. Bis dahin gönnen wir den Skeptikern ihren Spaß! Wie damals, als M. Lesseps davon sprach, die Weltmeere miteinander zu verbinden (was er, allen Zweiflern zum Trotz, dann auch tat). Auch in dieser Angelegenheit wird die Wissenschaft das letzte Wort behalten. Und M. Excessivement-Grave wird als Letzter lachen. Ihm werden wir es verdanken, daß der Himmel dann endlich zu etwas gut ist und ihn ein Eigenwert zukommt.
Anmerkung:
Die Magische Laterne ist in Villiers' Original ein "Lampascope." Dabei handelt es sich um ein besonderes Modell des frühen Projektionsapparats des Laterna Magica, das seit 1870 hauptsächlich von der Pariser Firma Lapierre Fréres et Cie. hergestellt wurde. Als Lichtquelle für das Projizieren der bemalten und bedruckten Bilder auf den länglichen Glasträgern, die drei oder vier "Dias" nebeneinander trugen, diente eine Öllampe, auf der die optische Vorrrichtung mit ihrem im Winkel von 45° montierten Hauptspiegel aufgesetzt wurde.
(Lampascope der Firma Thierry, ca.1880)
Der offene Sternhaufen der Plejaden/pléiades ist in der Neuauflage von 1893 von Villiers' Text bei Calman Lévy durch den Drukfelhertuefel zu "Eyades" mutiert, eine Schreib-Waise, die sich seitdem hartnäckig hält und es auch in diverse Übertragungen geschafft hat. Ich habe mir erlaubt, hier stillschweigend zu emendieren.
U.E.
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