20. Juli 2020

Streiflicht: Haste ma ne Mark?

Die Älteren werden sich an den Satz noch erinnern: "Haste ma ne Mark?" Da der Euro immer noch gefühlsweise viel wert ist (obschon deutlich weniger als "die Mark") hört man heute eher die Version: "Haste ma n bischen Kleingeld?". Inhalt der selbe, es ist das klassische Anbetteln. Nahezu jeder der nicht gerade auf dem Dorf wohnt hört diesen Satz in dieser oder ähnlicher Form mehrmals im Jahr, diejenigen, die in Bahnhofsnähe leben und arbeiten vermutlich mehrmals die Woche. Alter Hut. 

Neu wäre dagegen der Satz: Gib ma Kleingeld, sonst rede ich nicht mehr mit Dir. Zumindest dieser Autor kann sagen, dass nie gehört zu haben, ja auch nie gehört zu haben, dass jemand anders diesen Satz in diesem Kontext je gehört hätte. Es ist zur Vermutung zu neigen, dass das wohl auch nicht allzu erfolgreich ausgehen würde. 

Nun, spätestens seit dieser Woche ist dem wohl anders, denn nichts anderes als diesen Inhalt gibt derzeit der französische Präsident Macron von sich, wenn er auf dem EU Gipfel mit Abbruch droht, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden. 

Die "Südländer" (obschon nicht alle im Süden liegen, aber mit diesem assoziiert sind, weil Italien ein Teil davon ist) wollen gerne Geld von den "Nordländern" haben, weil sie im Rahmen der Corona-Krise massive Einbrüche in ihrer Wirtschaft erleben. Die die Nordländern genau so erleben, aber eben doch vorher etwas besser gewirtschaftet haben. Das wäre eigentlich nicht neu und ist auch schon in der Vergangenheit in Form von Abermilliarden fragwürdige "Kredite" geschehen: Der Transfer von Nord nach Süd innerhalb der EU (die bis heute darauf besteht keine Transferunion zu sein) liegt inzwischen im Billionenbereich. 

Neu ist dagegen, dass man nicht einmal mehr das Feigenblättchen "Kredit" drauf kleben will, sondern das Geld geschenkt haben möchte. Und nicht wenig: 500 Milliarden Euro möchte man geschenkt haben. Mindestens. Zuzüglich etwa einer Billion an "Krediten" (die dann vermutlich ähnlich  gehandhabt werden dürften wie die Target-Salden (man gabs und sahs nie wieder)). Und um die Größenordnung zu vergegenwärtigen, die Nordländer zählen so um die 150 Millionen Bürger (give or take), damit kommen auf jeden dieser Bürger so etwas über 3000 Euro zu, die dieser mal eben so bezahlen soll, zuzüglich der doppelten Summe als Kredit, der nie zurückgezahlt wird.
(Im wesentlichen übrigens aus Ländern, deren durchschnittlicher Haushaltsbesitz deutlich über dem der "Geber" liegt.)

Jetzt wäre das schon eigentlich ein Witz sondergleichen. Die passende Reaktion wäre sicher mit dem deutschen Autofahrergruß noch sehr harmlos beschrieben.  Aber die EU wäre nicht die EU, wenn sie nicht noch einen drauf setzen könnte. Macron droht ernsthaft mit dem "Abbruch der Verhandlungen", wenn er seinen Willen nicht bekommt. Ja, super. Soll er bitte tun! Dann bekommt er schlicht gar nichts. Und genau das wäre sicher das beste, was den Nordländern passieren könnte. Man muss sich wirklich den Obdachlosen am Bahnhof vorstellen, der damit droht einen in Ruhe zu lassen, wenn er nicht sofort Geld geschenkt bekommt. 

Aber keine Sorge. Er wird sich durchsetzen. Und diese Absurdität sagt verdammt viel über die EU und den Zustand des Landes und seiner Regierung aus. 

Llarian

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