4. Januar 2020

Merkels Kanzlerschaft. Ein Gastbeitrag.

Ein Gastbeitrag von Frank2000.

Merkel ist noch Kanzler und schon der erste Nachruf?
Als Zyniker könnte man antworten, dass Merkels Nachruf geschrieben werden sollte, so lange es noch Menschen in Deutschland gibt, die der deutschen Sprache mächtig sind.
Als Satiriker könnte man antworten, dass man schnell sein müsse mit einem Merkel-Nachruf, bevor die NetzDG-basierten Filter nicht hilfreiche Beiträge erfolgreich entöffentlichen.
Als Mitglied des öffentlich-rechtlichen Fernsehens würde man antworten, dass ein Nachruf weder jetzt noch in Zukunft sinnvoll sei, weil Merkel ihren Nachruf selbst schreiben wird.
Wie auch immer: Erster! ;-)


Was immer man auch sonst von Merkel halten mag: aber ihre Zeit hat Spuren hinterlassen in Deutschland. In Europa gab es seit 2005 viele Regierungschefs. Von wievielen kennt man noch den Namen? Selbst in den jeweiligen Staaten werden viele Regierungschefs bereits kurz nach Abgang im Erinnerungsnirwana verschwunden sein. Aber Merkel? Seien wir ehrlich: von Merkel wird man in 40 Jahren noch sprechen. In ganz Europa.
Auch in Zettels Raum hat Merkel massiv (Schreib)wut ausgelöst:

21. Oktober 2018: Ein Brief an Angela Merkel
https://zettelsraum.blogspot.com/2018/10...ela-merkel.html

23. September 2018: Merkels schwerste Sünde
https://zettelsraum.blogspot.com/2018/09...rste-sunde.html

1. Juli 2018: Auf, auf, liebe Bettvorleger
https://zettelsraum.blogspot.com/2018/07...ttvorleger.html

27. Juni 2017: Moments bloguicaux: Angela Merkel und die Ehe für alle
https://zettelsraum.blogspot.com/2017/06...merkel-und.html

12. Mai 2016: Marginalie: Die Merkel-Matrix
https://zettelsraum.blogspot.com/2016/05...kel-matrix.html

9. Februar 2016: Imbeziles, fast unkommentiert. Zu einem Satz von Angela Merkel
https://zettelsraum.blogspot.com/2016/02...t-zu-einem.html

1. November 2015: Angela Merkel: Problem oder Symptom des Problems?
https://zettelsraum.blogspot.com/2015/11...er-symptom.html

28. November 2013: Angela Merkel hat auf voller Linie gesiegt
https://zettelsraum.blogspot.com/2013/11...ller-linie.html

Und das sind nur die Beiträge, die sich direkt mit Merkel befassen. Indirekt ist Merkel seit über 10 Jahren in der Mehrheit der überhaupt geschriebenen Artikel von ZR präsent. Und Gründe dafür gibt es genug.
An folgenden Entscheidungen hat Merkel massiv mitgewirkt:

- Atomausstieg ("Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg")
- Energiewende (zu nennen ist hier auch die extreme Kapitelvernichtung durch den erzwungenen Abstieg von RWE und ähnlichen Branchenriesen)
- Umdefinition der klassischen Familie/ Änderung des Eherechts & der Adoptionspraxis
- Verhinderung des Grenzschutzes/ Zulassung massenhafter ungesteuerter Migration
- Demontage der Bundeswehr & Abschaffung der Wehrpflicht
- Hyperventilierende Gender-Diskussion
- Demütigung von Bürgerinitiativen und breiten Bevölkerungsteilen in den neuen Bundesländern/ Starker Konflikt zwischen alten und neuen Bundesländern
- Vergemeinschaftung von Schulden in der EU
- Antiliberale Gesetze wie das NetzDG
- Demontage des bürgerlichen Flügels in der CDU
- Zunehmende Konfrontation mit den USA
- Abnahme der deutschen Souveränität zugunsten von EU-Institutionen und EU-Instanzen

Dazu kommt Entwicklungen, die Merkel zwar nicht direkt ausgelöst hat, aber die sie zugelassen oder gar gefördert hat:
- Brexit
- Verschlechterung der Infrastruktur, vor allem der Verkehrsinfrastruktur/ Scheitern von Großprojekten wie dem Berliner Flughafen
- Kampf gegen den Individualverkehr im allgemeinen und Autos im speziellen
- Demontage der Auto-Industrie (NOX-Fake, künstliche Feinstaubpanik)
- Demontage der Chemie-Industrie
- Demontage der Rüstungsindustrie
- Demontage der deutschen Banken& Versicherungen
- Demontage der Kompetenz und Konkurrenzfähigkeit in allen (!) Segmenten der Kraftwerksindustrie (Gas, Kohle, Atom)
- In dem Zusammenhang auch: Demontage der eigenen Rohstoffindustrie Kohle & Gas
- Abstieg der Gymnasien/ des Bildungsniveaus. Abitur ist inzwischen der häufigste Abschluss, aber zugleich -laut PISA- nur noch begrenzt konkurrenzfähig
- Starke Polarisierung / Spaltung der deutschen Gesellschaft ("Dann ist das nicht mein Land...")
- Demontage der inneren staatlichen Autorität (Polizei, Rettungsdienste, ...)
- Einschränkung der wissenschaftlichen "Denkfreiheit" an den Universitäten
- Umbau der ÖR-Medien in einen unkritischen "linken Regierungsfunk" & Zementierung der Finanzierung der ÖR-Medien mittels Abgabe
- Ungelöste Probleme mit den Stadtstaaten
- Ausweitung des Sozialstaats
- Politisierung der Geldpolitik bis hin zu negativen Zinsen für private Einlagen
- Allgemeine Verunglimpfung von Aktienbesitz, Großunternehmen, Spitzenmanagern
- "Populismus" in jeder Ausprägung als Stilmittel in der Politik - und die Kanzlerin ganz vorn dabei mit populistischen Phrasen (auch der Aufstieg der AfD geht auf Merkels Konto)

Und was lernen wir, wenn wir obige Liste anschauen? Viele davon sind Lieblingsthemen, die schon seit Jahrzehnten auf der Liste der linken Aktivisten stehen. Was die einen als "geschichtlichen Irrtum" bezeichnen, ist für die anderen ein "geschichtlicher Erfolg".
Bei allem, was man kritisieren mag: Merkel wurde gewählt. Und wiedergewählt. Merkel ist der absolute Liebling, der Superstar der deutschen Medien& Künstler. FAZ, Süddeutsche, SPON, ARD&ZDF, 90% der Künstler und Musiker sowie so ziemlich alle NGOs in Deutschland betrachten Merkel als GOTT.
Merkel war nie allein in ihren Entscheidungen; sie hatte immer massive Unterstützung. Wenn ich es mir genau überlege: Merkel scheint mir das Paradebeispiel eines populistischen Politikers zu sein. Zu keinem Zeitpunkt habe ich eine Entscheidung erlebt, in der Merkel sich gegen den "Zeitgeist" gestellt hätte.

Auf der Haben-Seite von Merkels Kanzlerschaft steht ohne Frage ein Arbeitsmarkt, der trotz obiger Liste erstaunlich entspannt ist. Wie kommt das? Die Vermutung liegt nahe, dass hier ein Löcher-Schaufeln-Effekt sichtbar ist. Der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft wird ganz wesentlich von den Bereichen "innerdeutscher Konsum", "Bauwesen" und "staatliche Dienstleistung" getrieben. Diese Bereiche wiederum werden massiv durch die Migration von Millionen Menschen befeuert. Zur Finanzierung dieser Millionen Einwanderer wurden vor allem stille Rücklagen aufgelöst und in den Wirtschaftskreislauf gepumpt. Symptomatisch hier die zunehmende Verschuldung der Krankenversicherungen. Auch die Zinspolitik spielt der Politik in die Hände.

Von ihren Befürwortern wird Merkel gern als "Innovationstreiber und Modernisierer Deutschlands" hingestellt. Ich lasse jetzt mal außen vor, ob eine Veränderung eigentlich schon aus Prinzip auch eine sachliche Verbesserung ist. Betrachten wir nur mal ein Grundprinzip eines modernen Staates: "Aktive Veränderung ist gut". Aus meiner Sicht ist das ein Pfeiler jedes modernen Staates. Egal, ob jeder die Veränderung als "richtig" oder "falsch" empfindet: ein moderner Staat muss sich verändern, mit jeder Generation. Ein moderner Staat darf nicht zu einer "Glaubenslehre" mutieren, in der jede Veränderung als "Abweichung von der reinen Lehre" bekämpft wird.

Merkels Kanzlerschaft hat nun für mich zwei Hauptmerkmale:

- Praktisch jede Veränderung fand am Parlament bzw. dem Wähler vorbei statt. Das heisst nicht, dass Merkel nicht sehr viele Unterstützer gehabt hätte oder möglicherweise auch eine Mehrheit beim Wähler erreichbar gewesen wäre. Aber als Fakt an sich finde ich es schon auffällig: alle großen Themen, die Merkel aktiv ausgelöst oder unterstützt hat, wurde einer aktiven Debatte entzogen. Die "passierten einfach" - und der Bürger konnte hinterher nur noch versuchen zu begreifen, was da eigentlich grade binnen weniger Wochen oder gar Tage geschehen war. Absolut beispielhaft für diesen Politikstil ist Merkels Satz "Nun sind sie mal da".

- Praktisch jede Veränderung unter Merkels Kanzlerschaft hat die Kraft zur Schwellenwert-Überwindung... so dass der entsprechende Politikpfad nicht mehr umkehrbar ist. Gute Politik moderner Staaten sollte doch das Ziel haben, auch die künftige Handlungsfähigkeit des Staates und der Gesellschaft zu erhalten. Gute Politik sollte ÄNDERBAR sein. Wir erinnern uns: was unterscheidet einen modernen Staat von zum Beispiel eine Autokratie, einem kommunistischen Zentralstaat oder einer religiösen Diktatur? Genau: die stetige Veränderung.

Aber Merkels Politik ist in vielen Bereichen nicht mehr änderbar. Nicht mehr aktiv beeinflussbar. Kommende Generationen können sich nur noch an das ANPASSEN, was Merkel hinterlassen hat. Genau aus diesem Grund wird Merkel bei politischen links stehenden Menschen so geliebt: politische Ränder lieben die Vorstellung, dass die eigenen Ideen das "Ende der Geschichte" seien und kommende Generationen gerade nicht die Möglichkeit haben werden, ihren eigenen Weg zu suchen. Sondern dass heutige wie auch künftige Generationen -natürlich nur zu ihrem Bestem!- ääh, naja, zu ihrem Glück gewzungen werden.

Nehmen wir Merkels Energiewende: sollte die aktuelle These der menschengemachten CO2-basierten Katastrophe korrekt sein, dann wäre ein möglicher Ausweg die massive Förderung von Atomkraft. Aber Merkel hat Kernenergie so gründlich diskreditiert in Deutschland, dass wir die Fähigkeit dazu verloren haben. An den Universitäten werden keine Ingenieure mehr für diesen Bereich ausgebildet; die Industrie hat keine Techniker mehr zum Bau oder Betrieb, Lagerstätten für Brennstäbe oder auch nur Standorte für AKWs existieren nicht. Selbst, wenn wir wollten: eine Renaissance der Atomkraft in Deutschland wäre unmöglich.

Noch krasser ist Merkels Einwanderungspolitik unter dem Deckmantel des Asyl- und Flüchtlingsrechts: damit wird sogar die gesammte Bevölkerungsstruktur verändert, so dass binnen einer Generation die schon länger hier Lebenden in manchen Fällen nicht mal mehr die Mehrheiten zusammmen bekämen, um eine Entwicklung zu korrigieren.

Auch bei der Bundeswehr sind solche Schwellenwerte erkennbar. Denn die Bundeswehr besteht nicht nur aus Material, sondern vor allem auch aus Menschen, die bereit sind, das Material einzusetzen und Gesundheit oder Leben für die Gemeinschaft einzusetzen. Die Demontage der Bundeswehr erfasst aber nicht nur das Material (was inzwischen auf dem Niveau eines Operettenstaates angekommen ist), sondern vor allem auch das Selbstverständnis der Soldaten.

Ähnlich das Thema "Deutschland als Staat": über diesen Punkt wurde in Zettels kleinem Zimmer schon heftig gestritten. Ist das Selbstbewusstsein der deutschen Bürger inzwischen schon so demontiert, dass Deutschland als "Staat" überhaupt noch rettbar ist? Ist unser Nationalbewusstsein unwiderruflich zerstört?

Merkel ist nur ein Mensch, nur ein Politiker. Aber die letzten 14 Jahre haben Spuren hinterlassen. Das ist sicher.


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Frank2000

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