Die Kollegen Llarian und
Meister Petz haben in diesem Blog zur Diskussion über die Bildung einer
blau-schwarz-gelben Koalition in Thüringen Stellung genommen. Das Erfurter Patt
hat aber nicht nur dieses Bündnis – mag man es nun bürgerlich nennen oder nicht
– auf den Debattentisch geworfen. Nein, auch andere, unterschiedliche
Absurditätsgrade aufweisende Kooperationsmöglichkeiten wurden mit mehr oder
weniger Ernsthaftigkeit dem (ab)geneigten Publikum unterbreitet. Im Folgenden
sollen diese Regierungsoptionen einer Erörterung unterzogen wurden:
1. Dreimal links plus einmal liberal:
Diese Konstellation
könnte schon daran scheitern, dass es die FDP nicht in den Landtag schafft.
Aber auch wenn die arg wackelnde Latte dann doch nicht fällt: Man kann sich das
Ausmaß an politischer Dummheit kaum vorstellen, das nötig wäre, um die Freidemokraten
zu einem derart autodestruktiven Schritt zu veranlassen. Denn dass die
Liberalen als kleinster Partner in diesem Quartett, dessen sonstige Mitglieder
bei vielen Themen Positionen einnehmen, die jenen der FDP diametral
entgegengesetzt sind, auch nur minimal spürbare Impulse setzen könnten, ist
absolut unwahrscheinlich. Vielmehr würde die Anbiederung an das linke Spektrum
als das gesehen, was sie auch tatsächlich wäre, nämlich ein Rezidiv des alten
Umfaller-Syndroms, das man den Freidemokraten in der Vergangenheit ja durchaus
zu Recht nachgesagt hat.
2. Aufstand der
Randständigen:
Eine Koalition aus
Linkspartei und AfD mag auf den ersten Blick abstrus erscheinen, aber wenn man
der insbesondere aus den Reihen der Zwangsgebührenfunker kommenden
Argumentation folgen wollte, die nach der letzten Landtagswahl in Bayern zwecks
Herbeisendung eines schwarz-grünen Bündnisses bemüht wurde, so müsste man
sagen: Dem Wahlergebnis und damit dem Wählerwillen würde am ehesten
entsprochen, wenn sich die beiden Bestplatzierten, nämlich die Links- und die Rechtspopulisten,
zusammentäten. Jenseits solcher allzu simplen (da rein an der Arithmetik
orientierten) Beobachtungen ließe sich eine SED-AfD-Koalition durchaus auch
mit Schnittmengen in der Programmatik und im Wählermilieu rechtfertigen, und auch
fernab jeglicher politischer Vorliebe ist zu konzedieren, dass ein Miteinander
der einstigen und der aktuellen Protestpartei des Ostens immerhin den
indiskreten Charme der Antibourgeoisie verströmen würde.
Aber natürlich spricht
vieles gegen eine Verbindung der Linkspartei und der AfD: Ramelow würde sich in
den ihm gewogenen Bobo-Kreisen mit einer solchen Aktion komplett diskreditieren
(auf den „Only Nixon could go to China“-Effekt bräuchte er nicht zu hoffen);
zwischen den beiden randständigen Parteien dürfte bei einigen landespolitischen
Themen – etwa bei der Abschiebepraxis – nur schwer eine Einigung zu erzielen
sein; die AfD inszeniert sich im Osten als Vollenderin der Wende, während die
SED ihre halbherzige, der Heuchelei verdächtige Distanzierung vom DDR-Regime ja
immer gern mit dem Hinweis auf die Katastrophe zu eskamotieren versucht, die
über die Ostdeutschen mit dem Einzug des Wessi-Imperialismus und -Kapitalismus in
den Jahren 1990 ff angeblich hereingebrochen sein soll. Und natürlich würde
Ramelow seine neue Amtszeit bei Vereinbarung einer Koalition mit der AfD gleich
mit einem Wortbruch beginnen, hatte er ein solches Bündnis vor der Wahl doch
kategorisch ausgeschlossen.
3. (Dunkel-)Rot und
Schwarz (weder von Stendhal noch in Stendal):
Dass man diese
Möglichkeit nicht mehr als völlig abwegig ansieht, mag damit zu tun haben, dass
eine solche Option bereits gedankenspielerisch durch den schleswig-holsteinischen
Ministerpräsidenten vorweggenommen wurde: Daniel Günthers (abstrakter)
Vorschlag und die jetzigen (konkreten) Überlegungen zu einer Koalition oder wie auch immer
gearteten Kooperation zwischen Linkspartei und CDU fanden und finden insbesondere
in der linken Mainstream-Presse Akklamation.
Das entsprechende Räsonnement
lässt sich dabei wie folgt zusammenfassen: Wenn starke Ergebnisse der AfD
politisch nachvollziehbare Koalitionsbildungen verunmöglichen, dann müssen die
sogenannten demokratischen Parteien auch dazu bereit sein, über ideologische
Gräben hinweg Bündnisse zu schließen, dies auch dann, wenn eine größere
inhaltliche Nähe zur AfD als zum prospektiven Regierungspartner besteht. Und,
so könnte man hinzufügen: Wenn die CDU die Variante mit der SED ausprobieren
will, dann wäre Thüringen wohl ein geeignetes Pflaster dafür: Einerseits soll
nach den unvermeidlichen Umfragen eine erkleckliche Zahl an Wählern, darunter
auch jenen der Christdemokraten, gegen eine Zusammenarbeit zwischen den beiden
hier interessierenden Parteien (im Freistaat) nichts einzuwenden haben. Ramelow
gilt eher als Sozialdemokrat denn als Betonkommunist und hat in den Medien ein
gutes Standing, sodass eine wohlwollende Begleitung dieses Experiments durch
die veröffentlichte Meinung zu erwarten wäre.
Doch freilich würde die
CDU, wenn sie sich in Thüringen der SED öffnet, meines Erachtens einen
verhängnisvollen Fehler machen: Koalitionen (oder anderweitige Kooperationen)
sollten nach inhaltlichen Übereinstimmungen und, ja, auch imagehygienischen
Rücksichten geschmiedet werden. Der letztlich auf eine
Alternativlosigkeitsbehauptung hinauslaufende Vorwand, das gute Abschneiden der
Rechtspopulisten rücke auch an und für sich denkunmögliche Bündnisse in den
Bereich des Erwägenswerten, reiht sich in die offenkundig erfolglose Strategie
der sogenannten Altparteien ein, die eigene Linie an einer möglichst
weitgehenden Distanzierung von der AfD auszurichten. In der Politik ist es auf
Dauer und insbesondere dann, wenn man Regierungsverantwortung übernehmen
möchte, nicht von Vorteil, nur gegen etwas zu sein und nicht mehr zu wissen
oder nicht mehr klar zu kommunizieren, wofür man eigentlich steht. Genau das
ist aber das Problem der Unionsparteien und – auch wenn die Wiederholung
verdrießen mag – ist dieses selbstredend ein Effekt der indifferenten Machtgier
einer Angela Merkel, die das verwirklicht hat, was „Die Partei“ nur fordert,
nämlich Inhalte zu überwinden, wobei die Bundeskanzlerin – diesbezüglich die
Antipodin Christian Lindners – offensichtlich davon überzeugt ist, dass es
besser ist, falsch zu regieren als nicht zu regieren.
Noricus
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