Ein Wirtschaftskorrespondent der Welt, Phillipp Vetter, hat vor ein paar Tagen einen schönen Meinungskommentar zur jüngsten "Entscheidung" von Volkswagen veröffentlicht, der mit dem schönen Titel "Die einzig richtige Entscheidung" überschrieben ist. Wie es sich für einen guten Kommentar gehört, lohnt sich seine Diskussion, denn wie schon die Überschrift nahelegt, ist dieser Autor eher sehr gegenteiliger Meinung.
Doch der Reihe nach. Zunächst mal ist der Welt, und damit auch Herrn Vetter, groß anzurechnen, dass der ganze Artikel auch deutlich als Meinung gekennzeichnet ist. In der heutigen Medienwelt ist das ja nun eher eine Ausnahme geworden, im neuen Süddeutschland oder Spargel wäre der Artikel als normale Berichterstattung erschienen. Auch positiv ist, dass sich Herr Vetter durchaus auch der Diskussion um seinen Artikel stellt. Das ist alles ziemlich vorbildlich.
Inhaltlich dagegen kann man den Artikel durchaus sehr in Zweifel ziehen. Natürlich hat der Autor das Recht die AfD für etwas ganz schlimmes zu halten und mit den Gaulandschen Ausfällen vom Vogelschiss zu kommen. Ob man damit der AfD als Gesamtheit wirklich gerecht wird, mag man bezweifeln, aber ein Kommentar sollte zumindest in seiner Weltsicht so frei sein, wie es dem Autor beliebt. Weit weniger positiv sind dann die handwerklichen Fehler oder zumindest Lapsen. Im Schwesterartikel der Welt wird beschrieben, dass es die Belegschaft sei, die sich dafür ausgesprochen habe, dass bei der Braunschweiger "Volkswagen Halle" der Name Volkswagen zu überdecken sei, so lange dort die AfD tagt. Und auch wenn Herr Vetter genau diese Version nicht wiederholt, schreibt er eben vom Konzern "VW" und seiner historischen Verantwortung. Ich würde mir von einem Berichterstatter, auch wenn er nur seine persönliche Meinung vorträgt, doch ein bisschen mehr Blickwinkel darauf wünschen, dass diese "Entscheidung" (genau genommen ist es ja keine Entscheidung sondern ein aktives Handeln) vor allem von den Arbeitnehmervertretern, sprich Gewerkschaften, kommt, und mit dem Segen des VW Managements dann getragen wurde. Beides Gruppen, die massiv von der SPD beeinflusst sind, die über das Land Niedersachsen deutlich an Volkswagen beteiligt ist. Da hat nicht ein Arbeiter drüber abgestimmt. Das zumindest bei einer solchem "Interessenkonflikt" die ganze Sache eben doch ein Geschmäckle haben könnte, kommt bei Herrn Vetter nicht einmal am Rande vor.
Seine wesentliche Schlußfolgerung des Artikels ist noch schlechter fundiert: Das die ganze Aktion Volkswagen mehr nutze als schade, was er recht lapidar damit zu begründen sucht, dass "der eine oder andere Ewiggestrige" dann halt keinen VW mehr kaufe. Diese Argumentation ist gleich aus mehreren Gründen extrem fehlerhaft. Der Hauptfehler ist die Arroganz der Macht und die Ignoranz der Realität. Der Spruch mit dem "einen oder anderen Ewiggestrigen" mag im Salon der Gutmeinenden noch sehr gut funktionieren, das Dumme ist nur: Es sind inzwischen eine ganze Menge angeblich so "Ewiggestrige". Give or take 15% der erwachsenen Wählerschaft wählt inzwischen die AfD, Tendenz steigend. Und AfD Wähler sind aufgrund ihrer Struktur mit Sicherheit eher die Käufer von VWs als Studienräte und Sozialarbeiter (bei denen die "Entscheidung" vermutlich besser ankommt). Offenbar ist bei Herrn Vetter noch nicht so recht durchgedrungen, dass sie sich AfD mehr und mehr von einer Splittergruppe in ein echtes politisches Gewicht verwandelt hat. Der zweite Fehler ist nicht viel kleiner als der erste: Zu glauben positive und negative Effekte glichen sich bei polarisierender Werbung (denn darum gehts ja am Ende) aus. Diesen Fehler hat auch Gilette gemacht, als sie ihren Anti-Männer Werbespot Ende letzten Jahres veröffentlichten. Der Fehler ist zu glauben, dass ein verärgerter Kunde am Ende nicht mehr Kaufbereitschaft verliert als ein erfreuter Kunde gewinnt. Das ist aber falsch, weil solch negative Bilder lange, sehr lange, oftmals jahrelang, nachwirken. Während die positive Wirkung von virtue signaling am Ende vielleicht eine Woche hält, wenn es hoch kommt. Eben weil so viele es betreiben und weil der Mainstream es erwartet.
Ich glaube tatsächlich nicht, dass sich an solchen Mätzchen wirklich viel daran ändert, ob jemand jetzt wirklich einen VW kauft. Das sind, wenn auch vergleichsweise kleine, Lebensentscheidungen. Wer sich im letzten Jahr entschieden hat in diesem Jahr einen VW zu kaufen, der wird das in aller Regel auch weiterhin tun. Genauso wie jemand, der sich einen Toyota kaufen wollte sicher nicht jetzt einen Golf erwirbt, weil er es so toll findet, dass VW die AfD nicht mag. Dafür ist die Relation zwischen Werbeeffekt und Kaufentscheidung eines wirklich teuren Gutes doch etwas zu groß. Aber solche Effekte können langfristig dann durchaus etwas bewirken. Der Volksmund weiß: Der Kopf begründet aber der Bauch entscheidet. Und dann mag es am Ende doch den Ausschlag geben ob sich der Käufer nicht dann doch für den Japaner entscheidet, obwohl er eigentlich ja auch den Golf gekauft hätte. Solche Effekte sind natürlich kaum zu messen. Genau so wenig wie die gegenteiligen. Aber man kann sich durchaus selber fragen was bei einem persönlich besser oder länger in Erinnerung geblieben ist: Die grüne Kampagne, die BP vor ein paar Jahren gefahren ist oder Deepwater Horizon? Die in aller Sicht dahinter stehende SPD muss das nicht kratzen, aber ob VW sich einen Gefallen damit tut zumindest 15% der deutschen Wähler wenigstens ein bischen vors Schienenbein zu treten, würde ich zumindest in Frage stellen.
Oder um den ganzen Text vielleicht zusammenzufassen: "Haltung" verkauft leider keine Autos.
Oder um den ganzen Text vielleicht zusammenzufassen: "Haltung" verkauft leider keine Autos.
Llarian
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