16. Oktober 2019

Viele Stühle, eine Meinung

Es ist schon ein Hohn für sich. 

Am letzte Woche vergangenen Dienstag zerrt ein "Mann" (es wird sich später herausstellen, dass es ein Syrer mit subsidiärem Schutzstatus ist) den Fahrer eines LKW aus dessen Kabine und fährt mit dem LKW (den er offensichtlich kaum beherrscht und vor allem nicht in der Lage ist die Sicherheitssysteme abzuschalten) auf mehrere Autos auf. Die Autos stoppen seine Fahrt, so dass zwar Menschen verletzt werden, aber in glücklicher Fügung niemand getötet. Anschließend wird der Mann festgesetzt.

Laut Zeit (dem ehemaligen Intellektuellenblatt) war das ein "Zwischenfall" (wortwörtliches Zitat). Die Polizei wie auch fast die gesamte Presse warnt vor Spekulationen: Das Motiv sei unklar. Und überhaupt, man wisse nichts genaues, aber ein Anschlag war es auf keinen Fall. Das es nix mit nix zu tun hat, steht zwar nicht wörtlich in den Berichten, aber es trieft geradezu davon. Wenn denn überhaupt berichtet wird. Denn den großen Zeitungen ist das, wenn überhaupt, allenfalls eine Schlagzeile im Mittelteil wert (man will ja nicht das Risiko eingehen dem Vorwurf des Totschweigens ausgesetzt zu werden, falls es sich am Ende doch zeigen sollte, dass es ein Anschlag war.). Und inzwischen weiß man ja auch, dass der Täter "nicht ganz richtig im Kopf" sein soll. Na, dem Himmel sei Dank, dann ist ja alles gut. 

Am direkt darauf folgenden Mittwoch dagegen kam dann ein anderer Mann (ein Deutscher(!), dies war bereits keine drei Stunden nach der Tat bekannt) dann in Halle auf eine ganz ähnliche Idee. Er versuchte eine Synagoge zu überfallen, stellte sich dabei allerdings so unglaublich dilettantisch an, dass er sogar an der Tür scheiterte, die er, zum Zeichen seiner totalen Inkompetenz, versuchte per Schusswaffe zu öffnen. Und scheiterte. In seiner Frustration erschoss er dann eine zufällige Passantin und anschließend noch einen Mann in einem Schnellimbiss. Seine intellektuellen Fähigkeiten waren dem "Mann" aus Limburg am Ende ganz ähnlich und auch er wurde dann  festgenommen. 

So weit, so ähnlich. Oder eben auch nicht. Denn natürlich gab es ein paar Unterschiede. Der "Mann" von Limburg, heute geführt unter dem Omar I., genießt so ziemlich alle Rechte, die der deutsche Staat für verhinderte Attentäter so hergeben möchte. Er wurde (und wird) brav anonymisiert, wenn überhaupt Bilder auftauchen, dann sind die, wie es sich gehört, ebenso schön sauber ihren Augen beraubt. Stephan Balliet dagegen (das ist der Täter von Halle) hat dagegen solcherlei Rechte eher nicht. Sein Name taucht bereits keine sechs Stunden nach dem Anschlag in der Presse auf. Und zwar in großen dicken Lettern in der Zeitung mit den vier Buchstaben. Neben einem ebenso unverpixelten Bild. Er ist jetzt der Neonazi-Killer. Die FAZ fiel hier am Rande bemerkt mit der faszinierenden Begründung auf, dass Balliet ruhig beim Namen genannt werden könne, da er ja gestanden habe. Man darf gespannt sein, wie sehr diese Begründung greifen wird, wenn Omar I. seine Tat gestanden hat (denn so richtig zu dementieren ist da auch wenig).

Aber das sind natürlich beileibe nicht alle Unterschiede. Auch nach Limburg wurde natürlich fleißigst darauf hingewiesen, dass man eine solche Tat nicht instrumentalisieren dürfe (was ja regelmäßig der Tenor ist). Das allerdings musste jetzt deswegen nicht auch für Halle gelten, denn derzeit überbieten sich ja diejenigen, die alle nie etwas instrumentalisieren wollen, in genau der selben Disziplin gegenseitig. Die AfD hat sozusagen mitgeschossen, zumindest ist das die geschlossene Position der Spezialdemokratie, die sich an jeden Strohhalm zu klammern sucht, der sie noch vor dem verdienten Orkus bewahrt. 
Und wo sich die Parteien schon nicht lumpen, zieht auch die Presse "etwas" andere Register. Taucht Limburg unter ferner Liefen auf, ist Halle nicht nur auf Seite 1, es nimmt dort mehrere Tage gleich die halbe Seite ein. Inzwischen ist man nicht nur informiert über Herkunft und Werdegang von Balliet, man kennt auch schon seine Motive (das tat man genaugenommen bereits als er noch nicht einmal vernommen war) und nicht zuletzt weiß man sogar, dass bei der Hausdurchsuchung bei seinen Eltern ein 3D Drucker gefunden wurde (man darf sich fragen wie diese Information an die Öffentlichkeit drang).
Und wo schon Parteien und Presse sich so geben, will der Staat schon gar nicht mal zurück stehen. Während man in Limburg noch an Motiven rätselt hat das BKA(!) in Halle bereits 150(!) Beamte im Einsatz, die allesamt das Umfeld und die Beziehungen von Balliet durchleuchten (man darf sich fragen wann das letzte mal eine solche Anhäufung von Strafverfolgern zu finden war und wie viele Ermittler eigentlich heute in Limburg arbeiten. 

Das alles relativiert keinesfalls den Anschlag von Halle. Es ist im Gegenteil bedauerlich, dass der Mann noch lebend gefasst wurde und dem Steuerzahler die nächsten 25 Jahre zur Last zu fallen wird  statt sich selber die Fahrklarte zu knipsen und damit wenigstens den Angehörigen seiner beiden Opfer etwas mehr Ruhe verschafft hätte. Es zeigt aber auf wie unterschiedlich Taten behandelt werden, wenn nur das richtige Täterprofil dahinter steckt.
Man kann förmlich das ENDLICH hören, wenn man die Schlagzeilen vom 9. Oktober liest. Endlich war es ein Deutscher. Ein waschechter Biodeutscher. Ein echter(!) Neonazi. Kein Verbot der Instrumentalisierung, kein Gebot der Mäßigung, kein Gebot des Täterschutzes, kein Gebot der Zurückhaltung. Endlich mal richtig drauf: Hier darf ein jeder. Keine Gefahr, dass einem öffentlich widersprochen wird. Keine Gefahr, dass irgendjemand die Partei des Mörders ergreift. Keine moralische Keule, nicht in irgendeiner Form. Und noch die Chance denjenigen, die man ohnehin nicht mag, mal so richtig einen zu verbraten. 

Wobei es ganz klar, das war auch schon bei dem Analogon Zschäpe so, keinen Unschuldigen trifft. Ich habe kein Problem damit, dass der Name genannt wird, das Gesicht gezeigt wird, dass man mit hunderten Polizisten haarklein nach allem sucht, was Mittäter identifizieren könnte und das man den Täter für die nächsten 100 Jahre einsperrt und den Schlüssel wegwirft. Es trifft nicht den Falschen. Aber der Gegensatz zwischen "Guter Täter" und "Schlechter Täter" zeigt sich kaum derart offenkundig wie in dieser Woche. Denn nur weil der eine Irre zwei Menschen erfolgreich getötet hat (wozu der andere Irre zu inkompetent war) macht ihn das nicht zu einem gänzlich anderen Menschen. Und ganz richtig im Kopf sind mit Sicherheit beide nicht (erstaunlich auch hier, dass der recht nahe liegende Schluss, dass Balliet auch nicht so alle Tassen im Schrank haben dürfte, in der Presse eher nicht gezogen oder auch nur diskutiert wird). Dennoch ist das eine ein "Zwischenfall" (TM Zeit), das andere dagegen ein Neonazi-Anschlag.

Wie der Kollege Danisch in letzter Zeit vermehrt schreibt, es sind weniger die Maßstäbe, die mich anfressen, es sind die doppelten Maßstäbe. Es ist dermaßen offenkundig, dass es einen anbrüllt. Und das allerschlimmste am Ganzen ist noch: Es ist dem deutschen Mainstream nicht einmal mehr peinlich.


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Llarian

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