16. Juni 2019

Robert Habeck und der Versuch meine Sprachlosigkeit in Worte zu fassen

­Zettel schrieb im März 2011, vor dem Hintergrund der innepolitischen Geschehnisse in Deutschland, inklusive der von den Grünen gewonnen Landtagswahl in Baden Württemberg, als Folge der Havarie eines Atomkraftwerks in Fukushima, folgende Sätze:

"Sie kriecht, die deutsche Volksseele. Mal ist sie mehr braun gefärbt, mal mehr grün. Die Dummheit ist dieselbe; das Bauchgefühl, das heute triumphiert hat. Die Dummen haben gewonnen.

Mir war um dieses Land nie bange gewesen. Jetzt glaube ich, daß Deutschland wieder der Unvernunft, daß es ein weiteres Mal Ideologen zum Opfer fallen kann."

Er wurde für diese Sätze damals im Diskussionsraum des kleinen Zimmers teilweise sehr heftig attackiert. Ich denke das lag daran, dass die meisten in seiner Kritik nur die (dann zugegebnermaßen sehr polemisch und unsachlich wirkende) Schmähung eines ungeliebten Siegers bei einer Landtagswahl sahen.

Ich selbst habe Zettels Kritik nie so verstanden. Mir schien Zettels Kritikpunkt ein anderer, welcher klar auf der Hand liegt: Eine Emotion, eine Angst diktiert die politische Entscheidung und rückt die Aufgabe unserer parlamentarischen Demokratie, einen gesellschaftlichen Interessenausgleich herbeizuführen, in den Hintergrund. Es ist wohl das, was Udo di Fabio in einem Interview, welches ich vor Zeiten einmal sah, als "den Hang der Deutschen zum Romantizismus in der Politik" bezeichnete: Die Neigung sich seinem Gefühl in Reinheit hinzugeben und Pragmagtismus zu schmähen.

Heute ist die Partei der Grünen, mit ihrem Kanzlerkanditaten in spe Robert Habeck, laut aktueller Umfragen stärkste Partei in gesamt Deutschland. Sie führt mit rund 27% vor der CDU/CSU mit rund 24%. Diesmal ist es kein aufgrund einer Flutwelle havarierter Atommeiler im fernen Japan, sondern vor allem auch die Angst der Deutschen vor einer nahenden Klimakatastrophe, die im öffentlichen Diskurs allenthalben als ein drohendes Weltuntergangsszenario gezeichnet wird, welches dieses Ergebnis für die Grünen sicherlich begünstigt.

Robert Habeck traf sich Ende letzten Jahres im ZDF zum Gespräch mit Richard David Precht. Ich bin über diese Sendung jetzt erst durch Zufall gestolpert. Ich empfehle jedem, der die Grünen als liberale, politische Kraft versteht und erwägt ihnen seine Stimme zu geben, das Gespräch in voller Länge. Vor allem aber die Passage von etwa Minute 8:30 bis 10:45. Aus dieser Passage, welche die Frage behandelt wie man mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen soll, welche Habeck sieht, stammt folgender Gedankengang des möglicherweise zukünftigen Kanzlerkanditaten der Grünen, Robert Habeck:

"Will man daran festhalten, dass ein demokratisches System, das im Grunde dem Kern von Selbstbestimmung und auch der Beteiligung von Menschen verpflichtet ist, noch eine Chance hat [...] oder gibt man es auf und dann wird man zu zentralen, bzw. zentralistischen Systemen hingehen, die natürlich schneller sind. [...] In China gibt es eben keine Opposition und keine Mitbestimmung und wenn die Fehler machen, werden sie eben trotzdem nicht abgewählt. Vielleicht gibt es irgendwann eine Revolte in China, aber erst einmal ist das System effizienter. Wollen wir das oder wollen wir das nicht? Ich glaube, diese Entscheidung kann man nicht ökonomisch treffen, sondern nur wertegeleitet treffen und ich würde sagen: Ja das wollen wir."

Ich bin ehrlich: Mir fehlen die Worte, das zu kommentieren. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ein Mann der so etwas sagt Liebling der Medien und Intellektuellen ist, dessen Partei als eine liberale verstanden wird und der ein von vielen Deutschen goutierter Kanzlerkanditat wäre. Wenn eine Journalistin gleichsam in einer der renommiersten deutschen Zeitungen fast liebevoll über die Löcher in Habecks Socken schreibt, bekommt di Fabios Hinweis auf den Hang zu politischem Romantiszismus gar eine neue Dimension.

Man darf mich für paranoid halten. Da ich ein Mensch voller Selbstzweifel bin, würde ich mir die Kritik, welche das begründet, immer anhören. Ja, ich würde mir aktuell sogar wünschen, sie entlarvte mich als paranoid. Ein von Intellektuellen getriebener, öffentlicher Diskurs allerdings, welcher an jeder Stelle, wo dem Zeitgeist widersprochen wird, sehr schnell die Gefahr eines illiberalen, manchmal gar völkischen Totalitarismus heraufziehen sieht und sich gleichzeitig einen Kanzler erträumt, der Diktaturen das Wort redet, wenn sie nur den eigenen, politischen Romantizismus bedienen, läßt mich schaudern.

Kirche, Intellektuelle, die Jugend: Alle scheinen sich einig in Deutschland, wenn man den öffentlichen Diskurs derzeit verfolgt. Man wähnt sich auf der richtigen Seite und einer der führenden Politiker, der dieser Einigkeit vertritt, flirtet im Öffentlich Rechtlichen Rundfunk mit dem Gedanken an eine Diktatur. Das alles vor dem Hintergrund der Deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.

Gespenstisch.


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