7. Oktober 2018

Warum Kavanaughs Ernennung eine gute Nachricht ist

Brett Kavanaugh wird Richter am Supreme Court of the United States. Das ist eine gute Nachricht. Und zwar nicht nur dann, wenn man für den 53-Jährigen oder seinen Förderer Donald Trump Sympathien hegt (die dem Verfasser dieser Zeilen ebenso fremd sind wie einschlägige Antipathien), sondern auch, wenn man bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahre und Dekaden bedenklich findet.

Über Kavanaughs Qualität als Jurist kann der Endunterfertigte nicht urteilen, fehlen ihm dazu doch sowohl Einblicke in die bisherige Arbeit des Mannes aus Washington als auch Kenntnisse des amerikanischen Rechtssystems, die für eine halbwegs seriöse Bewertung ausreichen würden. Um Kavanaughs Fähigkeiten als Rechtsprechungsorgan ging es in der Debatte über seine Eignung als Höchstrichter auch gar nicht. Vielmehr wurde ihm zur Last gelegt, in jungen Jahren einen moralisch verwerflichen Lebenswandel geführt zu haben, der in der versuchten Vergewaltigung eines damals 15-jährigen Mädchens gegipfelt haben soll.
­
Was seinerzeit tatsächlich passiert oder eben nicht passiert ist, lässt sich im Nachhinein wohl nicht mehr feststellen. Das bis dato über den Vorfall ruchbar Gewordene ergibt zusammengefasst das folgende Bild:

Für die Version der Frau, die behauptet, Opfer des sexuellen Übergriffs zu sein, spricht Folgendes: Gier nach Aufmerksamkeit als Beweggrund für die Bezichtigungen dürfte bei der Psychologie-Professorin Christine Blasey Ford ausscheiden. Sie braucht keinen Skandal zu inszenieren, um vom breiten Publikum wahrgenommen zu werden; sie könnte dies angesichts ihrer akademischen Weihen auch auf anderen Wegen. Anders formuliert: Blasey Ford ist nicht der Typ Frau, der sich mit Sex-is-Crime-Geschichten seine 15 Minuten Ruhm ergattern muss. Sie hat einen wissenschaftlichen Ruf zu verlieren, der heutzutage auch durch fachfremdes Auftreten sehr leicht in Gefahr gerät. Es gibt zudem Aufzeichnungen aus einer von den Ehegatten Ford im Jahr 2012 absolvierten Paartherapie, in denen der Vorfall - wenn auch ohne konkrete Personenbezeichnung - angesprochen wird, wozu Blasey Fords Mann angibt, der Name Kavanaugh sei auch damals schon gefallen. Eine ad hoc aus dem Hut gezauberte Schmutz-Story zur Verhinderung eines auf linker Seite unerwünschten Richters kann also ausgeschlossen werden.

Allerdings nähren mehrere Umstände auch Zweifel an Blasey Fords Behauptungen: Besonders schwer wiegt dabei, dass die Universitätslehrerin das genaue zeitliche und örtliche Setting des angeblichen Vergewaltigungsversuchs nicht benennen kann, was bei einem traumatisierenden Erlebnis jedoch zu erwarten wäre und in einem auffallenden Widerspruch zu ihrer im Übrigen sehr detailreichen Schilderung des Vorganges steht. In den erwähnten Therapieaufzeichnungen ist die Rede von vier Burschen, die in den Vergewaltigungsversuch involviert gewesen seien, während Blasey Ford nunmehr unter Hinweis auf einen Übertragungsfehler behauptet, in dem Zimmer, in dem der sexuelle Übergriff stattgefunden habe, seien nur Kavanaugh und dessen Schulkollege Mark Judge zugegen gewesen. Letzterer bestreitet jegliche Erinnerung an den behaupteten Vorfall. Nämliches gilt für die anderen angeblichen Teilnehmer der Party, darunter auch eine langjährige Freundin Blasey Fords, der sie sich aber nicht anvertraut hat, jedenfalls nicht zeitnah. Eine Anzeige bei der Polizei gab es nicht. Blasey Ford ist Demokratin und hat sich an Demonstrationen gegen Donald Trump beteiligt. Eine politische Gegnerschaft zu Kavanaugh und damit der mögliche Wunsch, dessen Ernennung zum Höchstrichter zu vereiteln, muss deshalb nicht von sehr weit hergeholt werden.

In der Zusammenschau ist das vorliegende Belegmaterial nicht dazu angetan, Blasey Fords Behauptungen auch nur bis zu dem reduzierten Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erhärten. Diese Überlegung läuft nicht darauf hinaus, Blasey Ford der Lüge zu zeihen. Vielleicht hat sie eine subjektive Wahrheit gesagt, vielleicht auch die objektive. Gewichtige, nicht einfach auszublendende Zweifel an der Veridizität ihrer Vorfallswiedergabe verbleiben aber.

Dass der Senat weniger aufgrund hehrer, rechtsstaatlicher Prinzipien als vielmehr aus pragmatischen, politischen Erwägungen die Ernennung Kavanaughs nicht torpediert hat, mag stimmen. Es ist gleichwohl ein ermutigendes Zeichen, dass der Druck der Aktivisten und des überwiegenden Teils der Medien die gefühlte Stimmungslage nicht so weit beeinflusst hat, dass die Staatenkammer sich genötigt gesehen hätte, dem Nominierten trotz einer sehr dünnen Substanz der gegen ihn gerichteten Anschuldigungen die Zustimmung zu verweigern. Der neue Totalitarismus, wie ihn die Me-too-Bewegung so vortrefflich repräsentiert, hat sich dieses Mal nicht durchgesetzt.

Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.