29. Oktober 2018

Merz? Ja, ist denn heut scho Weihnachten?

­Die Hessenwahl war bei Licht betrachtet vor allem eins: Ziemlich langweilig. Es stellte sich allenfalls die Frage ob die SPD noch tiefer stürzen würde, als ohnehin schon überall eingepreist war, doch am Ende kam dann wirklich ein Ergebnis raus, dass die Demoskopen im Wesentlichen so erwartet hatten (eigentlich auch einmal etwas ungewöhnliches in letzter Zeit).


Der heutige Tag dagegen brachte dann doch zwei schöne Überraschungen. Die erste Überraschung war eigentlich schon eine Weile überfällig, aber es ist trotzdem angenehm sie endlich in schriftlicher Form zu vernehmen: Die Frau Kanzler will nicht mehr erneut als Vorsitzende ihres Wahlvereins antreten, und auch wenn sie sich noch an ihren Kanzlerposten klammert, so ist das Ende damit endlich absehbar. Das Blut im Wasser ist, war ja auch hier schon des Öfteren Thema, so beispielsweise an dieser Stelle (und soviel auch zur Ausage, es sei seit 2003 nie weniger Blut im Wasser gewesen).
 
Da diese Koaltion inzwischen eine ähnliche Stabilität aufweist wie eine frisch ausgebuddelte Weltkriegsbombe, stehen die Chancen damit nicht einmal schlecht, dass der Schrecken ohne Ende dann doch noch schneller ein Ende hat, als die meisten erwartet haben. Damit würde dann die (mit Abstand) schlechteste politische Phase in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg ein vorläufiges Ende finden. Oder zumindest würde die Chance darauf bestehen, je nachdem welche Nachfolgerin von Merkel installiert wird.

Was dann direkt zu der zweiten, angenehmen, und doch völlig unerwarteten Überraschung führt: Kein anderer als Friedrich Merz soll seinen Hut in den Ring um den CDU Vorsitz geworfen haben und für den Rest dieser Artikels wollen wir annehmen, dass es sich nicht um eine Presseente handelt, sondern das er das tatsächlich ernst meint. Sollte es sich dann doch als Fakenews herausstellen, so darf man sich damit trösten doch wenigstens eine Nacht etwas Hoffnung auf die CDU gesetzt zu haben.

Friedrich Merz ist mit Sicherheit ein Kandidat den praktisch niemand mehr auf dem Schirm hatte: Ein konservativer Wirtschaftsliberaler, der, nachdem seine politische Karriere von Angela Merkel in ihrer unnachahmlichen Art eigentlich beeindet wurde, in die Wirtschaft ging und dort, so heisst es zumindest, seit fast einer Dekade auch eine gar nicht mal schlechte Figur macht. Also jemand der gleich drei Dinge verkörpert, die Merkel und ihrem grünen Hofstaat völlig abgehen: Konservatismus, Wirtschaftsliberalismus und breite Erfahrung in der realen Wirtschaft. Er ist der totale Gegenentwurf zu Merkels Hofschranzen vom Schlage Zensurursula, Altmaier oder Flaschet.
Genau da liegt aber auch die Crux: Wie wahrscheinlich ist es, dass eine CDU, die seit Jahren von Angela Merkel zu einer Außenstelle der Grünen umgebaut wurde, wirklich jemanden an ihre Spitze setzen wollte, der einer 180 Grad Wende entsprechen würde? Wie wahrscheinlich ist es, dass all die Funktionäre, die Merkel ihre Macht verdanken, dieses Spiel mitmachen würden? Und wie viele Freunde kann ein Friedrich Merz in der CDU noch haben, die er aktiv vor 9 Jahren verlassen hat?

Es erscheint wie ein Wunschtraum aus einer anderen Zeit: Die CDU wieder mit einem wirklich Konservativen an der Spitze, einem Befürworter von Kernkraft und Gentechnologie, der den Begriff der Leitkultur mitprägte und auch sonst ein ausgesprochen liberalkonservatives Lebensbild zum Maßstab erhebt, ohne in die Gefahr zu geraten als Extremist verdächtigt zu werden (außer von den üblichen Verdächtigen, die ohnehin keiner ernst nimmt). Die CDU würde das Rad wieder 15 Jahre zurück drehen und sich mehr oder weniger eingestehen, dass die Ära Merkel ein einziger Fehler war, dessen Schadensbeseitigung einige Jahrzehnte dauern wird, aber zumindest in den Bereich des Greifbaren rückt.
Ich neige zu der Befürchtung, die ich schon an anderer Stelle schrieb, dass Deutschland zwangsnotwendig in den nächsten Jahrzehnten in einen erst stillen und dann immer offeneren Bürgerkrieg schlittert, wie das Frankreich und Schweden bereits heute vorführen. Weil einfach die Folgen der Politik Merkel (die in besagten Ländern bereits Jahre früher stattgefunden haben) Jahre brauchen, bis sie sich voll entfalten und eine einfache Lösung dann nicht mehr zu haben ist. Die Chance dass die CDU die Kurve noch bekommt und den Kurs umdreht ist in meinen Augen die fast einzige Möglichkeit, wie dies noch vergleichsweise unblutig abgebogen werden könnte. Friedrich Merz könnte der Bote einer solchen Kehrtwende sein. Nicht zuletzt deswegen neige ich ebenso zu der Vermutung, dass das ganze nicht den Hauch eine Chance hat. Aber hoffen darf man immer. 

 
Llarian

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