17. April 2018

Ausgerechnet Westernhagen

­Normalerweise sollte das Thema keine zwei Artikel in einer Woche wert sein. Aber die deutsche, kulturelle, sich selbst empfindende Intelligenz, ist wie die Justiz, ihre Mühlen mahlen langsam und sie muss erst einmal so richtig wachwerden.

Diese Woche aktuelles Thema: Echo zurückgeben. So haben inzwischen einige Künstler verschiedener Coleur angekündigt ihre jeweiligen Echos nun zurückgeben zu wollen. Nun, das ist sicher ihr gutes Recht. Wobei ich gerne zugebe, dass mich das als Einzeltat wesentlich mehr überzeugt als das genau dann anzukündigen, wenn es diverse andere auch tun. Es gehört nicht viel Mut dazu etwas aus einer Gruppe heraus zu tun, aber sei es drum.
Traurig dagegen ist eher wer und mit welchen Methoden nun plötzlich seiner Empörung Ausdruck verleiht.

Am lustigsten dabei war noch Wolfang Niedecken der sich ernshaft(!) darüber beschwerte, dass man das Gebrabbel nicht verstehen könne und der die Textverständlichkeit mit "Fehlanzeige" beurteilte. Nun, sollte man es Wolfgang Niedecken vielleicht mal stecken, dass nahezu alles was er so singt, sich schwer nach Gebrabbel anhört, wenn man den Text nicht mindestens ein Dutzend mal gehört hat? (Und oftmals danach immernoch.) Aber das war ja noch der lustige Teil. 


Peter Maffay, gewohnt nicht allzu subtil, fing dann schonmal gleich mit Rücktrittsforderungen an die Verantwortlichen an. Warum sollte man auch reflektieren was warum passiert ist, wenn man einfach mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist? Denn es lohnt sich darüber nachzudenken: Warum hat der Beirat genau diese Entscheidung getroffen? Bzw. anders herum, warum hat er nicht die unendliche leichtere(!) Entscheidung getroffen und die beiden Rapper ausgeschlossen? Es wäre für den Beirat ein leichtes gewesen genau das zu tun. Aber man hat es nicht getan. Es wäre an der Stelle vielleicht mal sinnvoll mit den Leuten zu reden, aber wenn man großer Künstler vom Stile Maffay ist, dann ist es sicher einfacher schlicht ein Urteil zu fällen.

Auch sehr gut hat mir dann der Präsident des deutschen Kulturrates, Christian Höppner, mit seiner Reaktion gefallen. Er hatte leider keinen Echo, den er zurückgeben könnte, er war dafür (oder ist es noch gerade) Teil eben jenes Beirates, der die Entscheidung traf, dass die inkriminierten Textzeilen noch durch die Kunstfreiheit gedeckt seien. Jetzt sollte man meinen Herr Höppner wurde überstimmt und nimmt in Konsequenz jetzt seinen Hut. Aber weit gefehlt, er wurde nicht überstimmt. Überstimmt wurde einzig die Vertreterin der katholischen Kirche, Uta Losem, die bei der 6:1 Entscheidung für den Ausschluss stimmte. Oder anders gesagt: Herr Höppner stimmte genau für die Entscheidung, wesegen er jetzt aus dem Gremium austritt. Da muss man auch erst mal drauf kommen.

Am besten aber war natürlich (wie könnte es anders sein) Marius Müller Westernhagen, der sich jetzt im Wind seiner Kollegen dann auch traute seine Rückgabe anzukündigen. Er führte aus,

"Die Verherrlichung von Erfolg und Popularität um jeden Preis demotiviert die Kreativen und nimmt dem künstlerischen Anspruch die Luft zum Atmen. Eine neue Stufe der Verrohung ist erreicht"
und
„Ich bin nicht der Meinung, dass die mit dem Echo ausgezeichneten Rapper Antisemiten sind. Sie sind einfach erschreckend ignorant“
Westerhagen. Ausgrechnet Westernhagen. Erlauben Sie mir, lieber Leser, einen Liedtext von einem seiner bekannteren Werke zu zitierten:
"Dicke haben schrecklich dicke Beine
Dicke ham 'n Doppelkinn
Dicke schwitzen wie die Schweine
Stopfen, fressen in sich 'rin"
Auch Westernhagen verteidigte sich später dies sei Sozialkritik und ein Werk gegen Diskriminierung. Da würde ich jedem nur mal empfehlen sich mal ein altes Video von Westernhagen Konzerten anzusehen wie seine Sozialkritik da ankommt und wie das Publikum ihn versteht. Das ist auch durchaus seinerzeit nicht wirklich ein Geheimnis gewesen und Westernhagens Relativierungen kamen nicht allzu gut durch. Im Laufe der Zeit ist dann Gras drüber gewachsen.


Und ausgerechnet dieser Mann hat die Chuzpe von Ignoranz und Verrohung zu reden. Aber vielleicht tuts ihm auch nur weh, dass der inkriminierte Rap Kram sich inzwischen besser verkauft als seine letzten drei Alben zusammen.
Llarian

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