17. September 2017

Streiflicht: Ein aufgebauschtes Problem

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Auch dieser Tage wollte dieser Autor wieder ein paar Artikel zum Thema Dämlichkeit von Wahlplakaten verfassen, und als Basis dieser Artikel  sollten wieder mal ein paar schöne Fotos aus der einen oder anderen deutschen Innenstadt dienen.
Doch neben den üblichen Plattitüden ist etwas anderes vielleicht ganz bedenkenswert, dass nicht direkt ins Auge fällt. Denn im Unterschied zur Landtagswahl finden sich bei dieser Wahl durchaus Plakate einer Partei, die zur Landtagswahl praktisch gar nicht plakatiert hat. Allerdings sind die Plakate dann doch nicht so ganz gewöhnlich: Sie waren nahezu alle zerstört.



Die meisten Leser dieser Zeilen werden auch ohne auf die Fotos zu schauen ziemlich sofort wissen, um wen es geht: Die Plakate der AfD. Das Zerstören von Plakaten der AfD ist inzwischen ein bundesweit grassierendes Phänomen. Wenn sie überhaupt mehr als eine Nacht überstehen, dann wohl nur dadurch, dass sie entweder in mehreren Metern Höhe hängen oder in Form von Plakatwänden daherkommen, die man nicht "mal eben so" zertreten kann.
Folgt man der einen oder anderen Mitteilung der AfD liegt die Zerstörungsquote ihrer Plakate, je nach Stadt und Bezirk, zwischen 60 und 100 Prozent und pendeln entsprechend so um die 80. Zumindest lokal kann ich das bestätigen. Zum Vergleich: Andere Parteien kalkulieren mit etwa 10 Prozent (Idioten gibts überall). Über drei Wochen. Nicht einen Tag. Nun mag man das nicht für besonders dramatisch halten, es sind ja nur ein paar Wahlplakate, billige Pappe, die am Ende kaum einer wirklich in der Landschaft vermissen wird. Und das ist auch richtig: Es sind nur Wahlplakate. Aber es offenbart sich eine interessante Diskrepanz:
Es bewerben sich um den Bundestag etliche Parteien, bei denen man schon zumindest darüber nachdenken darf, ob sie so fest auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates stehen. Laut Meinung von Politik und Journalismus gehört die AfD dazu. Nun denn, nehmen wir das mal als gegeben hin. Mindestens zwei andere Parteien von der gegenüberliegenden Seite des politischen Sepktrums dürften ebenso in Zweifel stehen, namentlich die SED und die MLPD. Bei letzterer ist die Verfassungsfeindlichkeit derart offenkundig, dass man beruhigt annehmen kann, dass der einzige Grund, warum sie antreten darf, eigentlich nur darin besteht, dass sie nicht einmal Außenseiter-Chancen besitzt. Und auch die SED, Stichwort kommunistische Plattform, stellt ja die "Systemfrage" vergleichsweise offen. Und hier wird es interessant: Weder die SED noch die MLPD kämpfen besonders mit dem Problem der Plakatzerstörung. Warum sollte man fragen. Wenn der Rechtsextremismus das große deutsche Problem ist, wie uns die frühere Ministerin Schwesig, permanent zu erklären suchte, sind die nicht einmal in der Lage ein paar Wahlplakate anzureißen? Die selbe Ministerin verkündete uns, dass es sich bei Linksextremismus um ein aufgebauschtes Problem handele. Wenn dem alles so ist, Rechtsextremismus allgegenwärtig und Linksextremismus quasi nichtexistent ist, wie kommt es dann, dass Rechtsextremisten keine (oder nur wenige) Wahlplakate zerstören? Sind die zu dumm dafür? Sind die mit anderen Dingen wie dem Anzünden von Asylunterkünften beschäftigt? Können die nicht lesen und deshalb die Plakate der AfD und der SED nicht auseinanderhalten? Oder sind es insgeheim alles Demokraten, die die freie Diskussion richtig finden? All das wäre sicher möglich. Aber nicht so recht wahrscheinlich.
Wäre es nicht eine viel naheliegendere Erklärung, dass es der Rechtsextremismus ist, der aufgebauscht ist? Wann haben Sie, lieber Leser, seit Rostock-Lichtenhagen von größeren rechtsextremistischen Straftaten gehört? Okay, vom NSU. Klar. Zwei durchgeknallte Serienkiller, die so erfolgreich mit ihrer Terrorserie waren, dass niemand den Terror als solchen erkannt hat, bis sie sich selbst die Fahrkarte geknipst haben. Aber abgesehen von den beiden? Wenig, oder? Wenn man natürlich jedes Hakenkreuz an einer Hauswand, jede dämliche Latrinenparole im Stadion und seit neuestem sogar Facebook-Likes zu einem rechtsextremen Verbrechen erhebt, dann ist Rechtsextremismus vermutlich ein valides Problem.
Was sicher nicht bedeuten soll, dass es keine Rechtsextremisten gibt. Es gibt mit aller Sicherheit in jeder mittelgroßen oder großen Stadt einen Anteil von Rechtsextremisten. Aber entweder interessieren die sich schlicht nicht für Politik oder sie sind einfach zu sehr marginalisiert, um wenigstens des "Gegners" Wahlplakate einzutreten.
Ich habe das Argument hier schon einmal verwendet, aber ich möchte es noch einmal einwerfen: Die allermeisten größeren Gruppen von Menschen zeigen in ihrem Verhalten wie auch in ihren Attributen eine Form von Gauss-Verteilung, das gilt für Intelligenz genauso wie für Körpergrösse, Bewegungsdrang, Agressivität und Schlafdauer. Die Glocke ist nicht immer absolut symmetrisch, auch Standardabweichung und Extremwert können unterschiedlich ausfallen, aber es man liegt mit einer grundsätzlichen Glockenverteilung meistens ganz gut. Und auch wenn man die eigentliche Verteilung nicht vollständig kennt, so kann man aus einzelnen Beobachtungen durchaus berechtigte Vermutungen über die Gesamtheit anstellen. Wenn man beispielsweise weiß, dass die Gesamtheit einer Gruppe von Professoren im Schnitt eine höhere Intelligenz hat als die Menge ihrer Studenten, so kann man daraus durchaus auch ableiten, dass es nur sehr wenige Professoren gibt, die dümmer sind als ihre Studenten.
Wenn wir also hier beobachten, dass eine große Menge von Wahlplakaten einer Partei zerstört wird, dann kann man durchaus berechtigt vermuten, dass die Gegnerschaft dieser Partei in ihrer Gesamtheit auch sehr groß ist, weil man schon beobachtet hat, dass die Extremenden dieser Gegnerschaft recht groß ist. Werden dagegen keine Plakate zerstört, scheint es so zu sein, als ob in der Gegnerschaft schon die Extremenden nicht groß sind, insofern auch die Gesamtschaft nicht so groß sein kann.
Warum das alles vermuten, wenn es doch öffentliche Statistiken gibt, die so viel genauer sein wollen? Nun, die Antwort ist simpel: Ist das ihre Statistik, lieber Leser? Oder ist es die Statistik von Leuten, die ein Interesse am Ausgang dieser Statistik haben? Die ein geschmiertes Hakenkreuz, bei dem völlig unklar ist, wer es warum irgendwohin gemalt hat, zu einem rechtsextremen Verbrechen erhebt. Und wie verträgt sich diese Statistik mit dem, was Sie(!) zu hause bei sich sehen?
Das ist ein wichtiger Punkt: Bilder können viel erzählen. Ich könnte zehn Hakenkreuze an die Wände malen, Fotos machen und Ihnen erzählen wie schlimm der Extremismus geworden ist. Aber ich kann nicht in ihre Stadt kommen und Plakate eintreten. Warum sind die aber eingetreten?
Weil Linksextremismus ein aufgebauschtes Problem ist?


Llarian

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