4. Dezember 2016

Der Hofer wird's ... oder doch nicht?

In Österreich findet heute die Wiederholung der Stichwahl zum Amt des Bundespräsidenten statt. Wie auch in diesem Blog berichtet (die entsprechenden Beiträge sind am Schluss dieses Textes verlinkt), setzte sich Alexander van der Bellen bei der ersten, vom Verfassungsgerichtshof kassierten Auflage des entscheidenden Urnenganges mit einer hauchdünnen Mehrheit vor Norbert Hofer durch. Nicht nur deshalb ist der Ausgang der Kür des alpenrepublikanischen Staatsoberhauptes völlig offen. (Der erste Halbsatz des Titels dieses Postings ist keine Prognose, sondern lediglich eine Anspielung auf eines der bekanntesten Werke des Austropop.)
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Die Qual der Wahl ist sprichwörtlich. Die in Rede stehende Abstimmung ist aber auch eine Wahl mit Qual. Die Kampagnen dauerten aufgrund des erfolgreichen Rechtszuges zum Höchstgericht ungewöhnlich lange und wurden für eine Bundespräsidentenwahl bemerkenswert polarisierend geführt.

Beide Seiten inszenierten das Votum als eine Art manichäischen Kampf zwischen Gut und Böse. Hofer gerierte sich als Kandidat des Volkes, der schweigenden Mehrheit, und stellte van der Bellen als den Günstling einer medial überrepräsentierten Hautevolee dar. Van der Bellen hingegen gab sich als Bewerber einer breiten Phalanx unterschiedlichster politischer Abtönungen aus und zeichnete seinen Konkurrenten als radikalen Zündler, der zum Schaden Österreichs agieren würde.

Hauptzielgruppe des Wahlkampfes waren zweifellos konservativ-bürgerliche Kreise. FPÖ-affine Zeitgenossen stimmen ohnehin für Hofer, das linke Spektrum macht sein Kreuzerl selbstredend bei van der Bellen. Für die klassische Bourgeoisie, die dem Revolutionären mit Argwohn gegenübersteht, dürfte die neue Bürgerlichkeit der Grünen und auch des Ex-Grünen van der Bellen ebenso suspekt sein, wie ihr das Kokettieren der FPÖ mit einer Umwälzung der Republik (Hofer: "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist") Sorge bereitet.

Van der Bellen gab sich im Wahlkampf denn auch sehr mittig, strich seine Tiroler Herkunft heraus und enthielt sich in der letzten TV-Konfrontation der beiden Kandidaten jeglicher Kritik am Bundesheer, während Hofer jeden Anflug von Radikalität weit von sich wies: So betonte er seine Gegnerschaft zur Todesstrafe und zum EU-Austritt, es sei denn, die Türkei werde in den Staatenverbund aufgenommen oder Brüssel vergreife sich am Eingemachten der österreichischen Souveränität.

Aber nicht nur das konservative Bürgertum, auch die politische Großwetterlage könnte Einfluss auf das Wahlverhalten haben: Zwischen dem ersten und dem nunmehrigen Stichwahltermin lag ja nichts Geringeres als das Brexit-Referendum und die Kür Donald Trumps zum mächtigsten Mann der Welt. Diese Ereignisse könnten einerseits das Protestlager zum Urnengang bewegen, weil es sieht, dass ein Antisystemvotum nicht von vornherein dazu verurteilt ist, allenfalls kosmetisch relevant zu sein, aber politisch wirkungslos zu bleiben. Andererseits könnten die Erfolge der sogenannten Rechtspopulisten auch diejenigen zu einer Abstimmungsbeteiligung animieren, die eigentlich unentschlossen oder gar uninteressiert sind, denen jedoch das, was in den letzten Monaten in den angelsächsischen Ländern vor sich ging, so ganz und gar nicht geheuer ist.

Knapp wird das Ergebnis aller Voraussicht nach werden. Und möglicherweise steht erst am Dienstag fest, wer der neue Hausherr der Hofburg sein wird.

Siehe auch:


Update 19.36 Uhr:

Laut der Hochrechnung per 19.25 Uhr (Auszählungsgrad 99,9 %) gewinnt Alexander van der Bellen mit 53,3 % Stimmenanteil die Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten.

Noricus

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