29. August 2016

Marginalie: Der Ruck

Wenn Sie sich, liebe Leser, angesichts der Nennung des Urhebers und der Fundstelle des nachstehenden Zitats verwundert die Augen reiben, kann Ihnen das der Verfasser dieses Beitrages nicht verdenken.
Der Ausweis allein ist noch kein Ausweis für Integration. Aber das Festhalten an einer migrantischen Sonderidentität ist ihr Gegenteil. [...] die Einwanderungsgesellschaft wird auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie sich die Assimilation als Ziel setzt.
(Jakob Augstein, "Debatte über Doppelpass: Wer sind wir ...", Kolumne Im Zweifel links vom 25.08.2016, SPIEGEL-Online)
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Und damit nicht genug: Loco citato stellt Augstein sich und uns die Frage:
Wie werden also aus Fremden Deutsche?
Ist es zu bösartig, wenn man bei diesen Worten an Arnulf Barings vielfach kritisierte Forderung nach der "Eindeutschung" von Migranten denkt?

Es ist hier nicht der Ort, Augstein zu kritisieren. Im Gegenteil: Jedermann hat das Recht, seine Meinung zu ändern. Missbehagen bereitet dem endunterfertigten Autor vielmehr die (in linken Kreisen nicht gänzlich unbekannte) Einstellung, wonach für die Bewertung einer Äußerung deren Herkunft wichtiger ist als deren Inhalt. Gerade als Blogger, welcher der naiven Doppelpass-Euphorie schon geraume Zeit vor dem letzten Erdoğan-Huldigungsaufmarsch in einer deutschen Großstadt reserviert gegenüberstand, kann man Augsteins wenn auch späte Einsicht eigentlich nur begrüßen. (Wir erinnern uns: Noch vor gar nicht so vielen Jahren war es im linksdrehenden Teil des deutschen Blätterwaldes en vogue, beinahe jegliche diplomatische Unverfrorenheit des starken Mannes vom Bosporus in Schutz zu nehmen. Zettel hat dazu beizeiten das Zutreffende zu Bildschirm gebracht.)

Man könnte jetzt freilich einwenden, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht und Augsteins Kehrtwende so viel wert ist wie die Stimme des Rufers in der Wüste. Aber halt: Was würden Sie vermuten, liebe Leser, wenn im Tagesspiegel ein Artikel über eine in der Berliner linken Szene verwurzelte, nunmehr als Parteilose für die AfD kandidierende Lokalgröße erscheint und dieser Text auch auf ZEIT-Online publiziert wird? Eine Steinigung? Eine Erregung? Moralischen Exhibitionismus? Weit gefehlt.

Im deutschen Journalismus scheint sich eine neue Sachlichkeit breitzumachen. Nach der Selbstbeweihräucherungsekstase von vor einem Jahr nun die Ernüchterung. Es ist nie zu spät, selten zu früh - auch für jene nicht, die sich in ihrer Lügenpressevorwurfslarmoyanz zu suhlen gewöhnt haben.
Noricus

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