26. August 2016

Marginalie: Der gekränkte Journalist und das Beliebtheitsranking

Wie mag man es bezeichnen, wenn ein Journalist bei der Beantwortung einer vergleichsweise einfachen Frage völlig scheitert, im (unbeabsichtigten) Subtext ebenjene Frage jedoch auf das präziseste beantwortet? Ein Wunder? 
Aber der Reihe nach.
Unter dem Titel "Die AfD-Hetze zeigt erste zersetzende Wirkung" beklagt sich WELT-Autor Uwe Schmitt zunächst darüber, daß Journalisten in berufsbezogenen Beliebtheitsrankings (genau genommen wird bei diesem Ranking nach Vertrauenswürdigkeit gefragt) stets die letzten Plätze (zusammen mit Politikern) belegten.
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Seine offensichtliche Kränkung gar nicht verbergen wollend, klagt er:

Die Hilfestellungen im demokratischen Alltag durch diese Profis gelten zunehmend als verzichtbar, wenn nicht als verdächtig

und macht sogleich AfD-Anhänger als Verantwortliche aus, deren Bewertungen diese Rankings drückten. Das Henne-Ei-Problem, das sich schon aus der Beobachtung ergibt, daß Journalisten bereits seit vielen Jahren stets die hintersten Plätze in Vertrauensrankings belegen, ficht ihn offensichtlich nicht an. Waren AfD-Wähler bereits AfD-Wähler, als es diese Partei noch gar nicht gegeben hat? Oder wurden sie unter anderem auch deshalb zu AfD-Wählern, weil sie am Journalismus in Deutschland so viel kritikwürdiges sehen? 

Immerhin, der im Text zitierte „Lügenpresse“-Vorwurf ist relativ neu (abseits davon, daß er bereits von den 68ern, etwa gegenüber der Springerpresse, erhoben worden ist). Die AfD aber zeitige eine „zersetzende“ Wirkung auf die Gesellschaft. Was an diesem DDR-Begriff zur Kennzeichnung von Staatsfeinden nun charmanter sein soll als an „Lügenpresse“ erschließt sich freilich nicht wirklich.

Seinen richtigen spin bekommt der Text jedoch erst anschließend. 
Wenn der Autor, im Lichte der „neuen Aggressivität“ seitens der AfD-Anhänger beklagt, daß „Bürger zu Bullen“ würden, dann ist das schon eine bemerkenswerte Verwendung von linksextremen Antifa-Vokabular, das man von der AfD nun wirklich noch nicht gehört hat. Wenn er weiter beklagt, daß diese, von der AfD ausgehende, Aggressivität der Grund sei für die physischen Angriffe, die Respektlosigkeiten gegenüber und das Bespucken von Polizisten, Ärzten sowie die Behinderung von Rettungskräften durch in Gruppen auftretende Gaffer, dann grenzt das schon ans märchenhafte, um hier jeden Lügenpresse-Vorwurf geflissentlich zu vermeiden. 

Schon die Lektüre unterschiedlicher Zeitungen (etwa hier oder hier oder auch des Buches der Polizistin Tania Kambouri) hätte dem Autor zutage gefördert, daß es nicht selten ebenjene Migrantengruppen sind, die als Folge der -insbesondere von der AfD beklagten- Integrationsprobleme in der genannten Weise auffällig werden. Oder eben Linksextreme. Dies der praktisch völlig gewaltabstinenten AfD und ihren Anhängern (angeblich doch meist greise, weiße Männer?) unterjubeln zu wollen, ist schon, nun ja, kreativ. 

Und so liefert zwar nicht der Inhalt dieses bemerkenswert schlechten journalistischen Stückes eine Antwort auf die Frage, weshalb Journalisten so wenig Ansehen und Vertrauen genießen. Der ungewollte Subtext, die Machart dieses Artikels, dagegen sehr wohl.


Andreas Döding

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