Am 30. Juni um 12.18 Uhr jährt sich der Bundestagsbeschluß zu „Atomausstieg und Energiewende“ zum fünften Mal. Fünf Jahre, das ist nach gängigem Sprachgebrauch der Zeitraum, nach dem „mittelfristig“ in „langfristig“ übergeht; es handelte sich um den endgültigen Sieg jener Bewegung, die unfreiwillig ironisch einen gigantischen thermonuklearen Fusionsreaktor, unsere Sonne, in ihrem Zeichen trägt. Aus der Trittinschen Kugel Eis, die die Energiewende einen durchschnittlichen Haushalt monatlich kosten sollte, sind bis August 2015 bereits jährlich 250 Kugeln geworden; immerhin hat sich Herr Trittin somit auf den Monat und einen Durchschnittshaushalt gerechnet um den Faktor 23 verschätzt. Dabei sind die Kosten durch verteuerte Produkte, Investitionszurückhaltungen von Unternehmen oder das Abwandern ganzer Industrien nicht berücksichtigt. Ein Ende der Kostensteigerungen für Bürger und Industrie ist indes nicht abzusehen.
Die galoppierende Dyskalkulie, die die Energiewende von Anfang an begleitet hat, findet hier jedoch keineswegs ihr Ende. So sind vermeintliche Erfolgsmeldungen zum Anteil "regenerativer" Energien an der Stromproduktion Mittelwerte, in denen die Grundlastproblematik völlig außer Acht gelassen wird. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, ist der Anteil regenerativer Energien, abgesehen vom Biomasseanteil und der ebenfalls natürlichen Schwankungen ausgesetzten Wasserkraft nach wie vor nicht vorhanden; eine technische Lösung für das Problem, daß Ökostrom gegenwärtig nicht ansatzweise in der erforderlichen Menge gespeichert werden kann, ist noch nicht einmal am Horizont zu erkennen. Auch die zunächst geschürte Erwartung, daß die deutsche Energiewende international Nachahmer finden und in Deutschland einen Wirtschaftsboom auslösen werde, hat sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil; weltweit boomt die Kernenergie, innovative Reaktorkonzepte bestimmen die internationale Diskussion, der sich Deutschland verweigert. Wohingegen nicht erst seit dem Prokon-Debakel klar sein dürfte, daß mit technisch vergleichsweise simplen Standardtechnologien, die in China weitaus günstiger produziert werden können, in Deutschland schlicht kein Geld zu verdienen ist.
Trotz dieser höchst problematischen Konsequenzen der Energiewende, hat man nicht den Eindruck, daß in der Bevölkerung in größerem Umfang Zweifel an diesem wohl ambitioniertesten Projekt seit der Wiedervereinigung entstanden sind. Das Thema ist nach wie vor „durch“. In Teilen ist dies sicherlich einer medialen Behandlung der Thematik zuzuschreiben, bei der schlicht mit Unwahrheiten operiert wird, wenn beispielsweise immer wieder suggeriert wird, die mehr als 15.000 Toten seien 2011 nicht Opfer des Tohoku-Bebens und anschließenden Tsunamis geworden, sondern Opfer der Kraftwerkshavarie in Fukushima. Gleichwohl ist das offensichtlich immer noch hohe Einverständnis der deutschen Bevölkerung mit der Energiewende vermutlich nicht ausschließlich durch unzulängliche mediale Informationen zu erklären.
Die „Angst vor dem Atom“ zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der (alten) Bundesrepublik. Der Slogan „Der Atomtod bedroht uns alle“ stammt nicht von der Anti-Atomkraft-Bewegung der 70er und 80er Jahre, sondern aus der erbittert geführten Debatte zur Wiederbewaffung der Bundesrepublik in der frühen Adenauerzeit. Die Sonderrolle Deutschlands, aber auch seine Sonderposition, drückte sich hierin bereits früh und bis zur deutschen Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrags 1969 aus. Man fürchtete, freilich nicht zu Unrecht, daß aus dem kalten Krieg ein nuklear-heißer werden könnte, und auf dem Gebiet Deutschlands, das legten die strategischen Planungen sowohl der NATO als auch des Warschauer Paktes fest, würde er wesentlich stattfinden. Nirgends in der westlichen Welt wurde der Systemkonflikt zwischen Ost und West, zwischen Freiheit und Diktatur, sichtbarer als im geteilten Deutschland.
Die begriffliche Vermischung zum Thema „Atom“, die bereits früh zur Folge hatte, daß nicht hinreichend zwischen der Bedrohung durch Kernwaffen und der friedlichen Nutzung der Kernenergie zum Zweck der Stromerzeugung unterschieden worden ist, war bereits früh und gleichsam systemisch in der deutschen Debatte angelegt; sie war der Nährboden, auf dem die Anti-Atomkraftbewegung in einem Maße, das international ohne Beispiel geblieben ist, wachsen konnte. Hierbei wurden immer wieder die „Gefahren“ beschworen, die von der Kernkraft ausgingen. Daß z. B. die auf Wikipedia einzusehende Liste der Staudammunglücke erkennen läßt, daß dieser „grünen“ Technologie bereits hunderttausende Menschen zum Opfer gefallen sind, ficht dabei niemanden an. Niemand ist nach dem chinesischen Kaskadenbruch von 1975 mit unmittelbar bis zu 85.000 Toten und anschließenden 145.000 Toten durch Hunger und Epidemien auf die Idee gekommen, die zivile Nutzung der Wasserkraft wegen nicht vertretbarer Risiken verbieten zu wollen.
Auch daß chemisch-technische Großanlagen bis heute in Deutschland in dicht besiedelten Gebieten stehen, schreckt nicht wirklich jemanden. Dabei gilt auch für denkbare und als Restrisiko mögliche Unfälle an chemischen Großanlagen das, was man radioaktiver Strahlung stets zugeschrieben hat, um die Furcht davor zu schüren und hoch zu halten: unsichtbar, hinterhältig, wenn man es „merkt“, ist es bereits zu spät; dergleichen. Die Furcht vor der Kernenergie hatte immer einen schwer erklärbaren, irrationalen Kern, der nun seit fünf Jahren zur Staatsräson geworden ist und bereits eine Vielzahl mittelfristiger Konsequenzen gezeitigt hat. Mit diesem Monat nun beginnen die langfristigen.
Die „Angst vor dem Atom“ zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der (alten) Bundesrepublik. Der Slogan „Der Atomtod bedroht uns alle“ stammt nicht von der Anti-Atomkraft-Bewegung der 70er und 80er Jahre, sondern aus der erbittert geführten Debatte zur Wiederbewaffung der Bundesrepublik in der frühen Adenauerzeit. Die Sonderrolle Deutschlands, aber auch seine Sonderposition, drückte sich hierin bereits früh und bis zur deutschen Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrags 1969 aus. Man fürchtete, freilich nicht zu Unrecht, daß aus dem kalten Krieg ein nuklear-heißer werden könnte, und auf dem Gebiet Deutschlands, das legten die strategischen Planungen sowohl der NATO als auch des Warschauer Paktes fest, würde er wesentlich stattfinden. Nirgends in der westlichen Welt wurde der Systemkonflikt zwischen Ost und West, zwischen Freiheit und Diktatur, sichtbarer als im geteilten Deutschland.
Die begriffliche Vermischung zum Thema „Atom“, die bereits früh zur Folge hatte, daß nicht hinreichend zwischen der Bedrohung durch Kernwaffen und der friedlichen Nutzung der Kernenergie zum Zweck der Stromerzeugung unterschieden worden ist, war bereits früh und gleichsam systemisch in der deutschen Debatte angelegt; sie war der Nährboden, auf dem die Anti-Atomkraftbewegung in einem Maße, das international ohne Beispiel geblieben ist, wachsen konnte. Hierbei wurden immer wieder die „Gefahren“ beschworen, die von der Kernkraft ausgingen. Daß z. B. die auf Wikipedia einzusehende Liste der Staudammunglücke erkennen läßt, daß dieser „grünen“ Technologie bereits hunderttausende Menschen zum Opfer gefallen sind, ficht dabei niemanden an. Niemand ist nach dem chinesischen Kaskadenbruch von 1975 mit unmittelbar bis zu 85.000 Toten und anschließenden 145.000 Toten durch Hunger und Epidemien auf die Idee gekommen, die zivile Nutzung der Wasserkraft wegen nicht vertretbarer Risiken verbieten zu wollen.
Auch daß chemisch-technische Großanlagen bis heute in Deutschland in dicht besiedelten Gebieten stehen, schreckt nicht wirklich jemanden. Dabei gilt auch für denkbare und als Restrisiko mögliche Unfälle an chemischen Großanlagen das, was man radioaktiver Strahlung stets zugeschrieben hat, um die Furcht davor zu schüren und hoch zu halten: unsichtbar, hinterhältig, wenn man es „merkt“, ist es bereits zu spät; dergleichen. Die Furcht vor der Kernenergie hatte immer einen schwer erklärbaren, irrationalen Kern, der nun seit fünf Jahren zur Staatsräson geworden ist und bereits eine Vielzahl mittelfristiger Konsequenzen gezeitigt hat. Mit diesem Monat nun beginnen die langfristigen.
Andreas Döding
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